- Der Gedanke an den Wunsch der EZB-Falken, das „Pulver trocken zu halten“ behagt uns wenig.
- Bislang scheint Paris recht gut mit der Unsicherheit zurechtzukommen
- Der US-Arbeitsmarkt bleibt stabil. Der Offenmarktausschuss könnte viele Gründe finden, den US-Leitzins im Dezember nicht zu senken.
Allgemein wird mit einer Senkung der EZB um 25 Basispunkte an diesem Donnerstag gerechnet. Wirklich spannend ist aber die Frage, inwieweit die Zentralbank bereit ist, von rein datenabhängigen Entscheidungen abzurücken und sich ein Stück weit auf regelmäßige Senkungen der Leitzinsen auf ein neutrales Niveau – und möglicherweise darunter – festzulegen. Angesichts ihrer jetzt schwächeren Wachstums- und Inflationsprognosen wird sich die EZB in ihrem Statement aus unserer Sicht explizit auf eine „Rückführung der restriktiven Geldpolitik“ verlegen.
Die Falken im Gremium scheinen eingesehen zu haben, dass eine Zinssenkung nötig ist, aber noch immer vertreten sie die Ansicht, dass man einen Teil seines „Pulvers trocken halten“ sollte, um künftigen Schocks etwas entgegensetzen zu können – und diskutieren darüber, wie weit der Leitzins aktuell von einem neutralen Niveau entfernt ist. Der Gedanke daran, das „Pulver trocken halten“ zu müssen, behagt uns wenig, weil dies vermuten lässt, dass der Zentralbank in der Zukunft „das Pulver ausgehen könnte“, wo doch ihre Macht zum Teil auch in der Überzeugung der Marktteilnehmer begründet ist, dass sie immer wieder Wege finden kann, um die Wirtschaft zu stützen und die Inflation einzudämmen. Wir gehen nicht davon aus, dass die EZB in absehbarer Zeit auf unkonventionelle Maßnahmen zurückgreifen muss, aber angesichts des Ausmaßes der internen und externen politischen Instabilität im Euroraum, erscheint die Zentralbank als eine seltene Quelle der Beruhigung. Deshalb ist jetzt der falsche Zeitpunkt für das Signal, dass man sein Arsenal verschlossen halten wird. Natürlich weiß auch der EZB-Rat weder, inwieweit die Trump-Administration ihre Handelskriegsdrohungen wahr machen, noch wie sich die politische Lage in Frankreich und Deutschland weiter entwickeln wird. Aber Unsicherheit ist immer schlecht für die Wirtschaft, weil sie Verbraucher vom Konsum und Unternehmen von Investitionen abhält.
Wir betrachten die jüngsten politischen Entwicklungen in Paris. Das Land bewegt sich auf ein „Sondergesetz“ zu, das die Haushaltskontinuität sichern wird. Es gibt Hinweise darauf, dass man sich auf eine „Minimalregierung“ einigen könnte, aber die künftigen Staatsfinanzen bleiben natürlich ein Problem. Außerdem haben wir uns den US-Arbeitsmarktbericht für den November angesehen. Die Inflationszahlen liegen noch nicht vor, aber es wird immer einfacher für den Offenmarktausschuss, zu entscheiden, dass es angemessen ist, bei der „Rückführung der restriktiven Geldpolitik“ im Dezember eine Pause einzulegen – unser Basisszenario ist das aber nicht.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM