- Die staatlichen Wachstumsprogramme kommen zur Unzeit, und der Anstieg der langfristigen US-Renditen ist eine wenig überraschende Reaktion darauf.
- Großbritannien ist eindeutig ein Opfer der Entwicklung anderer Anleihenmärkte. Dennoch sind wir der Ansicht, dass die schlechteren Konjunkturaussichten die Bank of England in die Lage versetzen, ihre Geldpolitik stärker zu lockern, als die Marktteilnehmer zurzeit erwarten.
- Euroraumanleihen sind weniger stark betroffen, aber auch die EZB muss die strafferen Finanzbedingungen berücksichtigen.
In der letzten Woche mehrten sich die Belege für eine weiterhin beeindruckende Stärke des US-Arbeitsmarktes. Sie sind der Auslöser für den erneuten Anstieg der US-Langfristrenditen, aber im Grunde genommen ist dies ein Hinweis darauf, dass – wenn die neue Regierung ihren Kurs nicht radikal ändert – neue staatliche Konjunkturprogramme und ein weiterer Angebotsschock in Form von Zollerhöhungen angesichts der noch immer hohen Inflation zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt kommen werden. Aus unserer Sicht besteht nach wie vor ausreichend Spielraum für eine „letzte Senkung“ in der ersten Jahreshälfte, halten sie aber nicht für sehr wahrscheinlich. Wir gehen davon aus, dass die Fed nicht vor 2026 auf ihren Weg hin zu einer echten Rückkehr in den expansiveren Bereich zurückkehren wird. Dann dürfte nämlich die Wirtschaft in Reaktion auf die Umsetzung der „Trumpnomics“ nachlassen.
Höhere Renditen und eine „ausgebremste“ Fed sind schlechte Nachrichten für alle. Grossbritannien ist eindeutig ein Opfer der Entwicklung anderer Anleihenmärkte. Dafür ist das Land grundsätzlich anfällig – vor allem sein chronisches Leistungsbilanzdefizit. Hinzu kommen aber die im letzten Oktober angekündigten staatlichen Wachstumsprogramme im Rahmen des neuen Haushalts und die Tatsache, dass die Daten eine Stagflation signalisieren. Damit bleiben der britischen Regierung ausschliesslich unangenehme Lösungen für den Umgang mit den Folgen steigender Finanzierungskosten auf ihren haushaltspolitischen Spielraum (Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen oder eine erneute Änderung der Steuergesetze). Dennoch sind wir der Ansicht, dass die Marktteilnehmer zurzeit mit zu wenigen Zinssenkungen der Bank of England rechnen. Aus unserer Sicht wird die nachlassende Realwirtschaft die Inflation deutlicher fallen lassen, sodass die Möglichkeit besteht, die negativen Folgen der Entwicklung des US-Anleihemarktes auszugleichen.
Der Euroraum ist davon bislang weniger stark betroffen, aber auch hier steigen die Langfristrenditen. Dafür sind nicht nur „hausgemachte Probleme“ der Mitgliedsstaaten verantwortlich, und deshalb sollte dieser Umstand wie ein symmetrischer Schock behandelt werden. Dies wird die Probleme der Währungsgemeinschaft verschärfen, und die letzten Umfragen waren besorgniserregend. Aus unserer Sicht muss die EZB die strafferen Finanzbedingungen berücksichtigen, um schnell zu einer neutralen, gefolgt von einer expansiven Geldpolitik, zu gelangen.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM