- Der US-Arbeitsmarkt spricht weiterhin gegen Zinssenkungen, was eine Lösung des schon jetzt komplexen Haushaltsproblems nicht einfacher macht.
- Der europäische Arbeitsmarkt lässt dagegen gemessen an den Indikatoren der EZB nach, was eine prompte Reaktion auslösen dürfte.
Letzte Woche wurde die Stärke des US-Arbeitsmarktes bestätigt: Es werden weiter zahlreiche neue Stellen geschaffen, das Lohnwachstum steht nicht im Einklang mit dem raschen Rückgang der Dienstleistungspreise und die hohe Partizipationsquote in der Mitte der erwerbstätigen US-Bevölkerung lässt darauf schließen, dass die Arbeitskräftereserven, die fehlende Einwanderern ersetzen könnten, knapp sind. Die Fed wird in ihrer Entscheidung, eine Zinspause einzulegen, weiter bestärkt. Nichts davon ist gut für den US-Anleihenmarkt. Die Langfrist- (und Kurzfrist)zinsen sind nach wie vor höher als in der jüngsten Haushaltsdefizit-Prognose des Congressional Budget Office (CBO), sodass sich die Lage verschärfen könnten. Das Weiße Haus hat seine Steuerpläne inoffiziell mitgeteilt: Sie entsprechen den Wahlversprechen von Donald Trump. Wir gehen noch immer davon aus, dass die Lösung des Haushaltsproblems die Feuerprobe für die Durchsetzungsfähigkeit des Präsidenten in seiner Partei sein wird. Die Uneinigkeit zwischen dem Senat und dem Repräsentantenhaus darüber, wie man mit dem Haushalt verfahren sollte, ist ein Warnschuss. Unkonventionelle Ideen, die der Regierung zusätzlichen finanziellen Spielraum verschaffen sollen, wie der Rückgriff auf die Goldreserven des Finanzministeriums, sind ein Zeichen für das Ausmaß des Haushaltsproblems der USA. Und trotz der 30-tägigen Galgenfrist für Kanada und Mexiko gehen wir angesichts der großen Bedeutung der Zolleinnahmen im Haushaltsplan davon aus, dass weitere erhebliche Anhebungen der US-Zölle bevorstehen. Die 10-prozentige Abgabe auf chinesische Produkte ist nicht das Ende.
Die letzten quantitativen und qualitativen Kennzahlen der EZB signalisieren dagegen, dass der Arbeitsmarkt rasch nachlässt und ein starker Rückgang der Löhne bevorsteht. Nach der jüngsten ECB Corporate Telephone Survey halten europäische Unternehmen zudem Handelskriege für inflationssenkend und nicht für inflationstreibend wie die Verfechter einer strafferen Geldpolitik innerhalb der EZB. All dies spricht zunehmend für eine weitere Lockerung der Geldpolitik im Euroraum, während die Klausurtagung der EU-Staats- und Regierungschefs zu Beginn der letzten Woche (zumindest bisher) keine bahnbrechenden Entscheidungen brachte.
Letzte Woche hat die Bank of England ihren Leitzins um 25 Basispunkte erhöht, obwohl sie ihre Inflationsprognosen angehoben hatte. Ein MPC-Mitglied, das eigentlich zu den Falken gehört, stellte sich sogar auf die Seiten eines Lockerungs-Verfechters und sprach sich für eine Senkung um 50 Basispunkte aus. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Unsicherheit die Zentralbanken außerhalb der USA dazu veranlasst, sich eher auf die Wachstums- als auf die Inflationsrisiken zu konzentrieren.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM