- Die EZB wird ihre Zinsen diese Woche erneut senken und dürfte ihre Geldpolitik trotz der Einwände der Falken weiter lockern.
- Europa muss jetzt noch dringender seine Verteidigungsfähigkeit stärken. Aber vielen Ländern fehlt es an Geld – wir haben uns die Finanzen Frankreichs näher angesehen. Die Militärkosten müssen gemeinsam finanziert werden.
- Die Wirtschaftslage in den USA verschlechtert sich. Auch hier stehen schwierige Haushaltsdebatten bevor.
Das Treffen der EZB in dieser Woche steht unter ungünstigen Vorzeichen: Die Binnenwirtschaft schwächelt, und es herrscht weiterhin Unsicherheit über die Handelsbeziehungen mit den USA. Eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte wird weithin erwartet, aber die Diskussionen im EZB-Rat werden komplizierter, weil der „neutrale Zins“ jetzt in Sichtweite ist. Aus unserer Sicht besteht eindeutig das Risiko eines weiteren Wachstumsrückgangs, sodass die EZB den Zins über die „neutrale Rate“ hinaus senken muss – bis auf 1,5% Ende 2025. Zugleich könnten auch ihre Konjunkturprognose noch schlechter werden.
Angesichts des schnell steigenden Risikos eines Rückzugs der US-Militärkräfte aus Europa muss die Währungsgemeinschaft mehr in die Verteidigung investieren. Die eigentlich erwarteten Haushaltskürzungen werden zumindest kleiner ausfallen müssen, weil diese zusätzlichen Ausgaben vor dem Hintergrund des populistischen Rucks in vielen Ländern nur begrenzt durch Einsparungen an anderer Stelle oder Steuererhöhungen finanziert werden können. Grundsätzlich dürfte dies die EZB dazu bewegen, ihre Geldpolitik nicht zu stark zu lockern, aber wegen der Erwartung höherer Verteidigungsausgaben können die Langfristzinsen auch nicht unendlich lange hoch bleiben. Aus unserer Sicht wird die Zentralbank bei der Anpassung ihrer Geldpolitik die Nettoverschlechterung der Finanzbedingungen berücksichtigen müssen, vor allem weil das anhaltende „Qualitative Tightening“ dazu beiträgt, dass die Renditen noch immer hoch sind. Aber selbst wenn die EZB all dies verstanden hat, geraten einige Länder an ihre finanziellen Grenzen. Auch deshalb halten wir eine gemeinsame Finanzierung der Militärkosten der EU für notwendig.
Die USA machen Europa zu schaffen, aber die bislang gute Wirtschaftslage jenseits des Atlantiks könnte sich bald verschlechtern. Das Verbrauchervertrauen lässt nach – in fast allen Bereichen: Die Amerikaner sorgen sich um die Inflation, ihre Jobs und den Finanzmarkt. Die Verabschiedung des Haushalts letzte Woche war eine Durchbruch für die Republikaner, aber fest steht, dass damit nicht alle Wahlversprechen von Donald Trump finanziert werden können. Auch in Washington DC stehen schwierige Haushaltsdiskussionen bevor.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM