- Ob die Entscheidungen des Weißes Haus letzte Woche revolutionär oder einfach nur realistisch waren, ist unklar.
- Berlin ist jedenfalls zweifellos im „Revolutions-Modus“ Das Staatsausgabenpaket ist ein Wendepunkt für Deutschland. Seine Auswirkungen auf Europa insgesamt sind noch schwer abzuschätzen.
- Die EZB muss jetzt zwischen Risiken (US-Zöllen) und Chancen (wachstumsfreundliche Fiskalpolitik) abwägen.
Seit letzter Woche ist es noch schwieriger, die Entscheidungen der USA zu entschlüsseln „Revolutionär“ wäre die Administration, wenn sie kurzfristige Probleme (mehr Inflation und weniger Wachstum) in Kauf nehmen würde, um die Weltwirtschaftsordnung zu reformieren, die bislang aus ihrer Sicht „nicht den Interessen der USA gedient“ hat. Dagegen spricht allerdings die erneute (teilweise) Verschiebung der Zölle auf Waren aus Kanada und Mexiko sowie die Empfehlung Donald Trumps an DOGE, die Zahl der Staatsangestellten „mit einem Skalpell“ anstatt mit einer Axt zu reduzieren. Vielleicht schwankt die Regierung noch zwischen „Revolution“ und „Realismus“, aber es besteht eindeutig das Risiko, dass die Märkte genug haben vom Rätselraten und stattdessen beschließen, die Unsicherheit als zu hoch und damit als eine Belastung für Wachstum und Unternehmensgewinne zu betrachten. Die Tatsache, dass der S&P 500 nicht sofort positiv auf die Gerüchte und späteren Meldungen über die Verschiebung der Zölle gegen Kanada und Mexiko reagiert hat, ist erstaunlich.
Berlin ist dagegen eindeutig im „Revolutionsmodus“. Die Ankündigung, dass die neue Regierung die Schuldenbremse lockern will, bevor der neue Bundestag seine Arbeit aufnimmt, ist ebenfalls erstaunlich. Das Staatsausgabenpaket ist ein Wendepunkt für die deutsche Wirtschaft. Zweifellos kommen es auch Europa insgesamt zugute, aber in welchem Umfang ist noch schwer zu sagen. Dies hängt davon ab, wie hoch der Importanteil der geplanten Aufstockung der Verteidigungsausgaben sein wird, ob es der EU gelingt, mehr gemeinsame Anleihen zu emittieren und/oder ob die Länder den neuen finanziellen Spielraum nutzen werden, den die von der Kommission vorgeschlagene Reform der EU-Finanzaufsicht bietet.
Die EZB muss jetzt zwischen zwei gegenläufigen Unsicherheiten abwägen: Zum einen stehen US-Zölle auf europäische Produkten im Raum, und zum anderen könnte die neue Haushaltspolitik in Deutschland – und vielleicht auch andernorts – Wachstum und Inflation in die Höhe treiben. Wir gehen noch immer eher davon aus, dass die EZB ihren Leitzins unter 2% senken muss. Ganz sicher sind wir aber nicht mehr. Die Zölle werden vermutlich früher kommen als die positiven Auswirkungen der neuen Ausgabenpolitik.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM