- Die neusten Nachrichten bestätigen unsere Einschätzung, dass sich die USA in der 2. Jahreshälfte 2025 einer Rezession gegenübersehen könnten.
- Der Erfolg der „Reaganomics“ in den frühen 1980er-Jahren ist keine Blaupause für die heutige politische Richtung der USA.
- Nach einer Leitzinssenkung um 25 Basispunkte dürfte die EZB aus unserer Sicht ihre Geldpolitik weiter anpassen – wenn es nötig ist.
Angesichts des extrem unsicheren politischen Umfelds in den USA ist es müßig, sich Gedanken über weitere Szenarien zu machen. Was wir allerdings können, ist, unsere frühere Einschätzung der Schockreaktion vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichten zu prüfen. Die einstweiligen Zugeständnisse am 9. April haben den Schock weltweit differenzierter gemacht. Für fast alle Länder sind die Zölle jetzt wieder niedriger; für China sind sie erheblich höher. Aber selbst wenn man die (ebenfalls nur einstweilige) Entlastung für chinesische Elektrogeräte berücksichtigt, ändert sich im Grunde genommen nichts an den erwarteten Ausmaßen des Inflationsanstiegs und des BIP-Rückgangs: Wir gehen weiter davon aus, dass sich die US-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte einer Rezession gegenübersehen wird. Die enorme Belastung zu einer Zeit, in der das Verbrauchervertrauen bereits auf dem Weg in den Keller ist, dürfte das Weiße Haus in den kommenden Monaten zum Nachdenken bringen. Wir vermuten, dass die Zölle am Ende niedriger sein werden als Trump letzte Woche verkündet hat. Dennoch dürfte allein die Verunsicherung – die nur dann nachlassen könnte, wenn es schnell zu Verhandlungslösungen käme – niedrigere Unternehmensinvestitionen, schlechtere Finanzbedingungen und einen Konsumrückgang zur Folge haben.
Wir versuchen, von den aktuellen Nachrichten zu abstrahieren und eine zurzeit in Washington zunehmend beliebte Theorie zu untersuchen: Die Entscheidungen der US-Regierung mögen verstörend sein, aber die „Reaganomics“ in den frühen 1980ern standen ebenfalls allen damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegen und erwiesen sich später als so erfolgreich, dass Reagan selbst nach einer „Übergangs-Rezession“ 1984 mit klarere Mehrheit wiedergewählt wurde. Der republikanische Kongress dürfte deshalb jetzt „Kurs halten“. In 1980ern waren die politischen Lager in puncto „Reaganomics“ allerdings weniger gespalten als viele denken. Präsident Reagan brachte seine Steuersenkungen mit zahlreichen Stimmen der Demokraten durch. Wichtiger noch ist, dass der „Elendsindex“, also die Summe aus Inflation und Arbeitslosenquote schon vor der Amtsübernahme Reagans seinen Höhepunkt erreicht hatte.
In Europa deuten alle Nachrichten trotz aller Instabilität auf einen schnelleren Inflationsrückgang in Europa hin, und eine Fortsetzung der Zinssenkungen in gleichmäßigem Tempo – bei gleichzeitiger Klarstellung, dass die Zentralbank alles Notwendige tun wird, um den Veränderungen im internationalen Umfeld des Euroraums Rechnung zu tragen – ist angesichts der großen Verunsicherung vermutlich das Beste, was der EZB-Rat tun kann.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM