- Washington schlägt beim Thema Handel etwas andere Töne an, aber wir bleiben vorsichtig.
- Das Euroraum-BIP-Wachstum war zwar im 1. Quartal überraschend hoch, aber die Herausforderungen sind einfach zu groß.
- An der erneuten Verschiebung der Öffnung des chinesischen Finanzmarkts ist der Handelskrieg schuld.
Wir würden den Rückgang des US-BIP im 1. Quartal nicht überbewerten. Die Importe steigen, weil man „den Zöllen entgehen will“. Die Inlandsnachfrage ist aber nach wie vor stabil, und noch immer werden recht viele neue Stellen geschaffen. Wir erwarten weiterhin keine präventive Unterstützung durch die Fed, die unserer Meinung nach in dieser Woche ihre abwartende Haltung bekräftigen wird. Aber das Bewusstsein für den drohenden Schaden für die Wirtschaft belastet die ohnehin schon nachlassende Stimmung in der Öffentlichkeit, und das könnte ein Grund dafür sein, dass das Weiße Haus beim Thema Handelskrieg jetzt etwas andere Töne anschlägt. Letzte Woche wurden neue Zugeständnisse bekannt gegeben, und die Verhandlungen mit China können endlich beginnen. Unterdessen hat die EU den USA einen Vorschlag gemacht, der dem dortigen handelspolitischen Standpunkt ein gutes Stück entgegenkommen könnte. Aber die Ausgangspositionen der Interessengruppen liegen weit auseinander. Aus unserer Sicht müssen die USA erst noch mehr Schaden nehmen, und/oder der Rest der Welt noch mehr Zugeständnisse machen, bevor eine Lösung in Sicht kommt.
Unterdessen war die Euroraumwirtschaft im 1. Quartal stärker als erwartet. Um 0,4% ist das BIP zum Vorquartal gestiegen. Wir sind aber dennoch weiterhin überzeugt – und das entspricht auch dem Ergebnis der Umfragen – dass die Herausforderungen die Konjunktur belasten werden, sodass die Geldpolitik der EZB noch expansiver werden muss. Aber obwohl Philip Lane Senkungen um 50 Basispunkte ins Spiel gebracht hat, gehen wir davon aus, dass der noch immer vorhandene Preisdruck im Dienstleistungssektor – den die Kerninflationszahlen für den April belegen – die Zentralbank veranlassen wird, abzuwarten, bis sich die Folgen des Handelskriegs deutlicher zeigen oder die Verhandlungen scheitern. Erst dann dürften die 50 Basispunkte spruchreif werden. Im Juni dürfte es bei 25 bleiben.
Wir sind recht zuversichtlich, dass Peking in puncto Handel mit der Welt (ohne USA) zusammenarbeiten wird, fürchten aber auch, dass der Handelskrieg die Hoffnung auf eine Öffnung des chinesischen Finanzmarktes weiter dämpft. Finanzielle Repression ist ein verlockendes Mittel, um der Verschlechterung der Staatsfinanzen entgegenzuwirken, während zugleich die Konjunkturprogramme verstärkt werden, um die nachlassende Auslandsnachfrage auszugleichen.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM