In den letzten Jahren konzentrierten sich ETF-Anleger meist auf die USA. Das lag ganz wesentlich an der extrem guten Performance amerikanischer Aktien, vor allem von Technologiewerten.
Europäische ETFs sind ebenfalls gewachsen. Hohe Zuflüsse verzeichneten aber vor allem Fonds, die in den USA anlegen, was große Auswirkungen auf die Kurse haben kann.
Es ist verständlich, dass die USA Europa in letzter Zeit vorgezogen wurden. Das BIP der weltgrößten Volkswirtschaft ist solide gewachsen, während die EU – die größte Freihandelszone der Welt – stagnierte. 2024 lagen europäische Aktien deutlich hinter internationalen Titeln. Der STOXX Europe 600 verzeichnete nur magere 2% Ertrag, der S&P 500 beeindruckende 25%.
2025 haben ETF-Investoren den Euroraum aber neu entdeckt, vor allem, als die USA die Welt mit neuen Importzöllen beglückten, die die Finanzmärkte noch immer alarmieren. Europäische Aktien waren dieses Jahr zwar volatil, legten aber seit Jahresbeginn schon um 13% zu, während amerikanische Bluechips 6% verloren. Der Konjunkturausblick für Europa mag zwar unter der Krise des Welthandels leiden, doch spricht vieles für ausgewogenere internationale Kapitalströme, auch in ETFs.
Natürlich hat das wachsende Anlegerinteresse auch etwas mit den niedrigeren Zinsen in Europa (und Erwartungen auf weitere Senkungen), den attraktiven Bewertungen und vorsichtigen Hoffnungen auf ein Ende des Ukrainekriegs zu tun.
Europa bietet aber nicht nur attraktive Indexerträge. Sehr viele multinationale Unternehmen haben hier ihren Sitz, darunter Pharmariesen wie AstraZeneca und Roche, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé und das Kosmetikunternehmen L’Oréal. Mit ihnen können ETF-Investoren stark am Weltwirtschaftswachstum partizipieren. All das sind Beispiele für Indexschwergewichte mit weltweit bekannten Marken, die gut vor Konkurrenz geschützt sind.
Anleihen
Europäische Anleihen waren nicht immun gegen die jüngste, von Trumps Zöllen ausgelöste Marktvolatilität. Kurzfristig könnte sie durchaus anhalten, sodass die Assetklasse weiter unter Druck stünde. Mittelfristig, etwa ab Mitte dieses Jahres, könnte sich das Umfeld für europäische Anleihen aber deutlich verbessern. Dafür sprechen die Zinssenkungen der EZB, eine mögliche Entspannung beim Thema Zölle und der bessere Konjunkturausblick für Europa.
Die jüngsten Konjunkturdaten waren zwar nicht ermutigend, aber die Unternehmenszahlen sind noch immer sehr gut. Die Kassen der Unternehmen sind gut gefüllt, und die Finanzen sind solide, bei Investmentgrade- wie High-Yield-Emittenten. Europäischen Unternehmensanleihen trauen wir dieses Jahr daher gute Gesamterträge zu.
Mehr Wachstum
In Europa wurden die Voraussetzungen für ein besseres und stärkeres BIP-Wachstum geschaffen. Gerade erst hat die Europäische Kommission ihren Competitiveness Compass eingeführt – um die Wirtschaft durch Investitionen in Dekarbonisierung, Innovationen und Verteidigung zu stärken. Sie ergänzt den European Chips Act, der Europas Stellung in der Halbleiterproduktion verbessern soll. Hinzu kommt NextGenerationEU, ein Investitionsprogramm unter anderem für digitale Transformation, Gesundheit und die Energiewende.
Deutschlands neuer Bundeskanzler Friedrich Merz hat die Schuldenbremse gelockert, damit die Fiskalpolitik expansiver werden kann. Die geplanten neuen Investitionen vor allem für Verteidigung und Infrastruktur dürften die Staatsausgaben in Europas größter Volkswirtschaft kräftig steigen lassen. Das könnte den Euroraum als Ganzes voranbringen und auch gut für ETFs mit Europaschwerpunkt sein.
Seit Trumps Ankündigungen umfangreicher Zölle am 2. April gibt es erste Anzeichen dafür, dass internationale Investoren Kapital aus den USA abziehen.
Europa und Europa-ETFs dürften davon profitieren. Die Kombination aus niedrigen Zinsen und höheren Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben könnte die Gewinne europäischer Unternehmen in den nächsten Jahren steigen lassen. Europäischen Aktien kann das nur guttun.
Von Chris Iggo, CIO Core Investments, AXA Investment Managers