- Wir betrachten die Auswirkungen des Abkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA auf andere Länder, die weiter hinten in der „Verhandlungsschlange“ stehen.
- Die industrielle Globalisierung hat sich verlangsamt. Für den Handel mit Dienstleistungen gilt das – noch – nicht.
Jetzt, da die Fed klargestellt hat, dass sie keine präventive Unterstützung leisten wird, verschärft sich der Druck auf das Weiße Haus, die Handelsspannungen zu deeskalieren. Die „Widerstandslinie“ werden natürlich die Gespräche mit China sein. Den ersten Austausch in Genf hat Scott Bessent als „erheblichen Fortschritt“ beschrieben, aber nichts zu den Inhalten gesagt. Dennoch ist die Vereinbarung mit Großbritannien ein erstes Signal, dass Verhandlungen echte Ergebnisse bringen können. Die Vereinbarung zwischen den USA und Großbritannien ist aber nicht so einfach zu kopieren. Wir gehen nicht davon aus, dass andere Ländern so günstige Konditionen erhalten wie Großbritannien – noch nicht einmal die strategischen Partner der USA.
Aber selbst wenn sich diese erste geschlossene Handelsvereinbarung als Blaupause erweisen sollte, wäre dies kein großer Wurf. Der Basiszoll in Höhe von 10% (noch immer vier Mal so hoch wie der durchschnittliche Zollsatz vor Trump) scheint – abgesehen von sehr kleinen Ausnahmen – nicht verhandelbar zu sein, und die Zugeständnisse der USA hatten klare Grenzen. Großbritannien scheint einen gewissen Schutz für das derzeitige Volumen seiner Automobilexporte in die USA herausgehandelt zu haben, aber Fakt ist auch, dass damit der Ausweitung der Ausfuhren ein Ende gesetzt wurde. Selbst die Ausnahmeregelungen für Stahl und Aluminium sind mit „Sicherheitsbedingungen“ verknüpft. Wir vermuten, dass sie eine Abkopplung von chinesischen Vorleistungen und Investitionen bedeuten. Nebenbei bemerkt, waren wir überrascht, dass in Großbritannien noch nicht darüber spekuliert wird, ob die Einfuhrerleichterungen für US-Produkte die Gespräche über einen besseren Zugang zum EU-Markt – der ja für Großbritannien viel wichtiger ist – erschweren werden.
Glücklicherweise haben die USA im Rahmen der Vereinbarung keine entsprechenden Gegenleistungen bei den Dienstleistungen gefordert, obgleich London bereit gewesen wäre, noch einmal über seine Digitalsteuer (Digital Service Tax) nachzudenken. Eine Ausweitung des Handelskriegs auf Dienstleistungen wäre eine weiterer Schlag für die Globalisierung. Der Welthandel mit Industrieprodukten ist in den letzten 15 Jahren zurückgegangen: Der Enthusiasmus für die Industrieglobalisierung war schon zu Ende, bevor der Merkantilismus Einzug in die US-Politik gehalten hat. Der globale Handel mit Dienstleistungen nimmt dagegen weiter zu. Die USA haben großes Interesse, sich hier für einen freien Handel einzusetzen. Schließlich sind sie in diesem Bereich führend. Probleme könnten jene Länder machen, die mit Dienstleistungszöllen auf das protektionistische Vorgehen der USA bei Produkten reagieren wollen. Da der Anteil des Handels mit Dienstleistungen am BIP bei ihnen höher ist als in den USA, wäre ein solches Vorgehen nicht im Interesse der Europäer.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM