- Zölle von 50% könnten den Euroraum in eine starke Rezession treiben, aber die USA ist möglicherweise in keiner so starken Position, wie das Weiße Haus zu glauben scheint. Sowohl der Markt als auch die Öffentlichkeit reagieren verärgert – sowohl auf das Auslösen des Handelskriegs als auch auf die haushaltspolitische Richtung der US-Regierung.
Nach ein paar ruhigen Wochen an der Handelsfront hat Donald Trump beschlossen, noch einmal nachzulegen und kündigte Zölle in Höhe von 50% auf Produkte aus der EU an. Verständlicherweise sind europäische Aktien daraufhin gefallen. Das aus unserer Sicht interessanteste an der Marktreaktion am letzten Freitag war aber, dass der US-Dollar entgegen aller Wirtschaftstheorie gegenüber dem Euro abgewertet hat. Dies könnte bedeuten, dass die gesamte politische Richtung in Washington vom Markt als schädlich für die USA selbst betrachtet wird. Und das zu einer Zeit, in der schon allein die Bedenken wegen der US-Haushaltspolitik – die durch das „schöne große Haushaltsgesetz“ des Weißen Hauses noch befeuert wurden – ausreichen würden, um die Risikoprämie von US-Wertpapieren in die Höhe zu treiben. Möglicherweise kämpft die US-Regierung an zu vielen Fronten zugleich.
Zweifellos könnten US-Zölle von 50% auf EU-Produkte die Region in eine starke Rezession treiben. Zusammen mit der Euro-Aufwertung, könnte das BIP 2% niedriger ausfallen als im Basisszenario. Allerdings würden die Folgen der – wenn auch vergleichsweise schwachen – europäischen Gegenmaßnahmen die US-Wirtschaft belasten: Die EU ist für US-Hersteller ein erheblich größerer Markt als China. Auf die Finanzlage von US-Unternehmen mag die Stabilität der langfristigen US-Zinsen kurzfristig keine großen Auswirkungen haben, weil viele aus Angst vor einem Refinanzierungsschock dafür gesorgt haben, dass die meisten ihrer Anleihen erst 2028/29 fällig werden. Aber für die Privathaushalte sind hohe Hypothekenzinsen in Kombination mit den Folgen der Zölle für die Kaufkraft und einer weniger guten Aktienkursentwicklung wenig hilfreich. Dank der Zugeständnisse beim Handel sind die Beliebtheitswerte des US-Präsidenten in den Umfragen der letzten Wochen nicht weiter zurückgegangen. Nach der Ankündigung am Freitag könnte sich das aber ändern. Dies alles könnte die Europäer überzeugen, dass sie nicht zu schnell einknicken und die jüngste Drohung als einen weiteren Aspekt der Verhandlungen betrachten sollten, die gemäß der bisherigen Abmachung erst am 9. Juli abgeschlossen sein müssen.
Mindestens eine gute Nachricht kam letzte Woche aus den USA: Der oberste Gerichtshof hat sich explizit auf die Seite der Federal Reserve gestellt und betont, dass Trump Jerome Powell nicht vorzeitig entlassen darf. Dadurch sinkt das Risiko eines dauerhaften zollbedingten Inflationsschocks – zumindest bis zum Ende der Amtszeit von Powell im Mai 2026.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM