- EZB-Lockerungsprognosen – und eine Inflation leicht unter dem Zielwert – könnte die Auswirkungen einer weiteren Senkung um 25 Basispunkte verstärken.
- Durch die Entscheidung des US-Bundesgerichts für Internationalen Handel (US Court of International Trade, kurz CIT), einige der von Trump per Dekret erlassenen Zölle außer Kraft zu setzen, ist die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Handelskrieg weiter gestiegen. Aber das Arsenal des US-Präsidenten wäre selbst dann noch gut gefüllt, wenn der Supreme Court das Urteil bestätigte.
Wir gehen davon aus, dass die EZB am Donnerstag „nicht nur“ entsprechend den allgemeinen Erwartungen die Zinsen erneut um 25 Basispunkte senken, sondern darüber hinaus weitere Unterstützung in Aussicht stellen wird. Eine Senkung des Leitzinses auf 2% hat immer besondere Bedeutung, weil dieses Niveau häufig als die „neutrale Rate“ betrachtet wird. Aber wir denken auch, dass die Notenbank – ohne konkret zu werden – klar machen wird, dass sie die 2-Prozent-Marke auch ohne größerer interne Diskussionen nach unter „durchbrechen“ kann, sodass die Geldpolitik expansiv würde. Die neuen Konjunkturprognosen dürften hilfreich sein. Tatsächlich werden die Euroraum-Volkswirte jetzt, anders als im März, die Aufwertung der Gemeinschaftswährung und den weiteren Rückgang der Ölpreise berücksichtigen. Dadurch dürfte die Inflation mit größerer Wahrscheinlichkeit einen längeren Zeitraum innerhalb des Prognosehorizonts unter dem EZB-Ziel liegen als noch im März gedacht. Obwohl die Wachstumsprogramme der deutschen Regierung die BIP-Erwartungen für die letzte Phase des Prognosezeitraum etwas steigen lassen könnten, sind die Aussichten für die Realwirtschaft vermutlich nicht rosig.
Tempo und Ausmaß der Zinssenkungen hängen aber vor allem von den Ergebnissen der Handelsgespräche zwischen dem Euroraum und den USA ab. Genau deshalb sind konkrete Prognosen zurzeit auch so schwierig. In puncto Handel ist die Unsicherheit nach der Entscheidung des CIT, viele der von Trump per Dekret erlassenen Zölle (jene, die als Maßnahme gegen Drogen- und Menschenschmuggel erlassen wurden, sowie die „Gegenzölle“) für nichtig zu erklären, weiter gestiegen. Das Urteil wurde vom Federal Circuit Court vorübergehend ausgesetzt, und der Fall könnte seinen Weg durch die Instanzen bis hin zum Supreme Court nehmen. Wir haben uns den Fall etwas genauer angesehen, weil er grundsätzliche Probleme auslösen könnte, vor allem im Zusammenhang mit der Gewaltentrennung in den USA, durch sich erstaunlicherweise Demokraten, traditionelle Republikaner und Libertäre zusammengetan haben. Fest steht aber auch, dass das Arsenal des US-Präsidenten selbst dann noch gut gefüllt wäre, wenn der Supreme Court das Urteil des CIT bestätigte. Ein Risiko ist, dass es die Verhandler der EU nicht mehr nur mit einem Zollsatz zu tun bekämen, der für die meisten Produkte gelte, sondern mit einer Flut von sektorspezifischen Zöllen, was die Gespräche noch schwieriger machte.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM