- Der Übergang zu einer expansiven Geldpolitik scheint der EZB schwerer zu fallen als wir dachten. Aber wir rechnen noch immer damit, dass dazu kommt.
- Der US-Arbeitsmarktbericht für den Mai war nicht eindeutig.
- Die „Rolle rückwärts“ der USA bei der Energiewende – hin zu mehr Öl und Gas und weniger erneuerbaren Energien – wird vermutlich nicht zu mehr Investitionen führen.
Der Widerstand innerhalb des EZB-Rats gegen einen Übergang zu einer expansiven Geldpolitik ist nach der Senkung auf 2% stärker als wir dachten. Das ist unsere wichtigste Erkenntnis aus der Pressekonferenz der letzten Woche. Fest steht aber auch, dass die jüngsten Prognosen und die erwartete lange Phase mit einer Inflation unterhalb der angestrebten 2% nur sehr wenig Spielraum für zusätzliche Schocks lassen. Wir gehen von weiteren Zinssenkungen der EZB aus, aber es schwerer für sie, dies mit den Daten zu erklären. Aus unserer Sicht werden die Senkungen mit den nächsten Prognosen zusammenfallen, also im September und Dezember stattfinden. Der Einlagensatz dürfte am Ende bei 1,5% liegen, also 50 Basispunkte unter unserem bisherigen Basisszenario.
Der letzte Woche erschienene US-Arbeitsmarktbericht hat eine Flut von Kommentaren ausgelöst. Dabei entbrannte eine Debatte zwischen zwei Lagern. Auf der einen Seite stehen jene, die erste richtigen „Risse“ im US-Arbeitsmarkt sehen, sodass die Fed ihre derzeitige abwartende Haltung überdenken muss. Die andere Seite geht nach wie vor davon aus, dass die Konjunkturschwäche noch zu unklar ist, um die Zentralbank zu beeinflussen. Dies ist auch unsere Ansicht. Zugegebenermaßen sind einige Komponenten des Berichts problematisch, vor allem, dass die meisten der im Mai geschaffenen Stellen in nur zwei Sektoren entstanden sind – Gesundheit/soziale Fürsorge und Freizeit/Beherbergung. Aber das ist (noch) nicht eindeutig genug für die Fed. Um ihre Vorsicht aufzugeben, braucht sie klarere Belege. Noch haben sich die Zölle nicht stabilisiert, und niemand weiß genau, wie sie sich auf die Preise und die Wirtschaftsaktivität auswirken. Die Fed braucht mehr Zeit – ungeachtet des Drucks seitens des Weißen Hauses, die Zinsen präventiv zu senken.
Außerdem versuchen wir diese Woche den „Zoll- und Haushalts“-Doppelkonflikt zu ignorieren, der die US-Politik seit Januar dominiert. Stattdessen werfen wir einen Blick auf den US-Energiesektor. Dort gewinnt das Weiße Haus den Preiskampf, aber gemäß der Umfrage der Dallas Fed bedeutet das auch, dass die Investitionen in US-Öl und -Gas stagnieren. Zugleich wird die weitgehende Rücknahme des IRA die Investitionen in Elektrifizierung und erneuerbare Energien belasten. Die „Rolle rückwärts“ der USA bei der Energiewende wird das Vermögen des Landes nicht mehren.
Von Gilles Moëc, Chief Economist und Head of Research, AXA IM