Weil sich die Europäische Kommission im Juli auf ein Handelsabkommen mit den USA verständigt hat, ist die US-Zollpolitik für Europa berechenbarer geworden. Weltweit drohen aber weiter Überraschungen, und auch politische Risiken sowie die Staatsfinanzen machen weiter Probleme. Nach der Entspannung in der Zollpolitik achten Anleger aber jetzt wieder mehr auf die Konjunktur.
Zugegeben, Europa wächst allenfalls mäßig. Im 2. Quartal ist das BIP im Euroraum nur um 0,1% und in der gesamten EU um 0,2% gestiegen, nach 0,6% bzw. 0,5% im 1. Quartal. Der aktuelle Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P/HCOB zeigt aber, dass die Euroraum-Konjunktur im September weitere Fortschritte gemacht hat. Der Index stieg auf ein 16-Monats-Hoch.
Unterdessen entspricht die Euroraum-Inflation nach wie vor dem 2%-Ziel der EZB oder liegt nur knapp darüber. Im August betrug sie 2,0%, im September war sie mit 2,2% geringfügig höher.
Die EZB hat ihren Leitzins seit Juni unverändert gelassen, und am Markt rechnet man kaum noch mit einer weiteren Zinssenkung in diesem Jahr. Vielleicht ist es aber Mitte 2026 wieder so weit. Die Zinspause ist gut für klassische ETF-Anleihenstrategien, deren Renditen bei Zinssenkungen in der Regel fallen.
Mehr Emissionen, höhere Mittelzuflüsse
Die lockere Geldpolitik ist auch gut für Unternehmensanleihen. Wegen der niedrigeren Fremdkapitalkosten werden sehr viele Titel begeben, und die Spreads werden enger. Auch der KI-Boom stärkt das Geschäftsklima. Die Anlegerstimmung verbessert sich, Investitionen in Anleihen und Aktien nehmen zu.
Die Lockerung der Schuldenbremse in Deutschland und das kreditfinanzierte Verteidigungs-Sondervermögen dürften die Staatsanleihenemissionen in Europa ebenfalls steigen lassen. Auch die Europäische Kommission begibt Anleihen, etwa zur Finanzierung von Programmen wie NextGenerationEU. Für ETF-Investoren kann das eine zusätzliche Chance auf Ertrag mit länger laufenden Anleihen sein.
Euroraum-Staatsanleihen mit einer längeren Duration lagen dieses Jahr vor kürzer laufenden Titeln und bleiben auch künftig attraktiv. Bei Unternehmensanleihen verzeichnen Investmentgrade-Titel weiterhin hohe Zuflüsse. Trotz der engen Spreads sind sie für Anleger interessant, die höhere Renditen wünschen. Wenig spricht für Kreditprobleme; Unternehmen aller Branchen einschließlich Banken haben gute Geschäftszahlen vorgelegt.
Insgesamt verzeichneten europäische Investmentfonds – für Aktien und Anleihen – im 2. Quartal 2025 laut Morningstar etwa 131 Milliarden Euro Zuflüsse.
Gute Fundamentaldaten
Im Fiscal Monitor von Oktober 2025 warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einem weltweiten Anstieg der Staatsverschuldung auf über 100% des BIP bis 2029. Außerdem würden höhere Zinsen die Märkte anfälliger machen. Frankreich und Italien bezeichnete der IWF aber explizit als Länder mit „tiefen und liquiden Staatsanleihenmärkten.“
Man sieht, dass weder bei Staats-, noch bei Unternehmensanleihen alle Emittenten gleich sind. Sowohl die Sektoren als auch die Länder Europas entwickeln sich mehr und mehr auseinander, was zusätzliche Diversifikationsmöglichkeiten schafft. Wichtig ist bei ETFs daher eine aktive Titelauswahl. Mit einem aktiven Ansatz kann man unabhängig vom Marktumfeld vielfältige Chancen nutzen. Mit Aggregate-Portfolios, die in alle Arten von Anleihen investieren, können aktive Manager sowohl Zins- als auch Kreditrisiken nutzen, um den Ertrag zu steigern.
Da die Kreditqualität gut bleibt und das Ausfallrisiko niedrig ist, haben Anleihen einer schwächeren Konjunktur, Wachstumszweifeln und Inflationsrisiken viel entgegenzusetzen. Ein sorgfältiger selektiver Ansatz bleibt aber wichtig. Damit ETF-Investoren mit Anleihen langfristig verdienen können, muss man Emittenten aus stabilen Sektoren finden, mit guten Fundamentaldaten und einem vorausschauenden Finanzmanagement.
Von Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers
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