Ehrhardt: Sicherlich nicht so wie heute. Die schwachen Länder müssen im Interesse aller und im eigenen Interesse aus dem Euro in den nächsten Jahren ausscheiden. Anders können diese Länder ihr Arbeitslosenproblem und die schlechte Konjunktur nicht in den Griff bekommen. Abwertungen würden den Export in diesen Ländern konjunkturstimulierend fördern.
Angenommen wir denken zehn Jahre zurück. Was ist in der EURO-Zone schiefgelaufen? Wie können Lösungen aussehen?
Die Produktivität in den Euro-Ländern war in den vergangenen zehn Jahren höchst unterschiedlich. Damit produziert Deutschland immer günstiger, die meisten anderen Euro-Länder werden immer weniger wettbewerbsfähig. Bisher konnten die schwächeren Länder durch eine Verschuldungsexplosion ihren Lebensstandard steigern. Dies geht aber in Zukunft nicht mehr. Man hätte in den vergangenen zehn Jahren die niedrigen, sozusagen deutschen Euro-Zinsen dazu benützen müssen, die Verschuldung abzubauen. Stattdessen wurde die Verschuldung weiter erhöht. Jetzt werden diese Länder mit marktgerechten, höheren Zinsen konfrontiert und sind damit nicht mehr emissionsfähig. Die Lösung wäre zumindest vorübergehend Stützungskäufe durch die EZB, was auch den angespannten europäischen Geldmarkt begünstigen würde. Die Lösung heißt also EZB.
Sehen Sie ein Ende des Gelddruckprozesses von FED, EZB und Co?
Die Konjunktur wird sich in den kommenden zwölf Monaten international verschlechtern. Entsprechend wird man die Gelddruckprozesse hochfahren. Die Alternative wäre eine weltweite, scharfe Rezession oder Depression. Auch der Versuch, die Defizitländer über eine massive Sparpolitik zu Überschussländern zu machen, würde die Konjunktur international scharf unter Druck bringen. Insofern bleibt nichts anderes übrig, als einerseits Geld zu drucken, andererseits vorsichtig die Defizite zurückzufahren.
Wie ist ihr globales und regionales Konjunkturszenario für die kommenden Jahre?
International dürften die Chinesen im kommenden Jahr ihre monetären Bremsen lockern und damit eine Konjunkturerholung einleiten. Auch wenn die Exporte Richtung USA und Europa im nächsten Jahr schwächer werden, sollte dies zu einer wieder besseren Wirtschaftsentwicklung in Asien führen. Besonders in Europa und auch in den USA dürfte die Konjunktur dagegen nachgeben. In den USA hält man durch Gelddruck-Prozesse und Null-Zinsen, sowie anhaltend hohe Defizite stärker gegen.
Kommt Inflationsdruck? Wenn ja, wann?
Die Gelddruck-Prozesse werden vorerst angesichts von Überkapazitäten international und angesichts von Banken, die ihre Kredite zurückfahren müssen, sowie aufgrund schlechterer Konjunktur keinen großen Inflationsdruck auslösen. 2012 könnten sogar die Inflationsraten leicht zurückgehen. Ab 2013 sollten sich aber, im Zuge verstärkter Gelddruck-Aktivitäten in 2012 als Antwort auf die schlechte Konjunktur, nachhaltige Inflationstendenzen entwickeln. Diese können längerfristig sogar sehr gefährlich werden. Der Inflationsdruck wird sich allerdings erst längerfristig aufbauen. Er wird sicherlich auch selektiv sein, da viele Waren wie etwa Exporte aus China reichlich verfügbar sein werden und den Inflationsdruck abmildern werden. Schlechte Konjunktur bedeutet für viele Unternehmen auch sinkende Absatzpreise. Trotzdem wären EZB-Gelddruck-Prozesse keine Dauerlösung. Kurzfristig bleibt aber wahrscheinlich keine andere Alternative.
Sie sind seit Jahren bekennender Goldfan. Ist die Story intakt?
Ich glaube, dass die Gold-Story nach wie vor intakt ist. Solange die Realzinsen negativ sind, das US-Zinsniveau der Notenbank praktisch Null ist und die Chinesen wachsend Gold kaufen, dürfte der Trend weitergehen. Aufgrund der in den westlichen Ländern extremen Konjunkturprobleme bleibt Gold der einzige wirkliche Sicherheitsanker.
Bei der Geldanlage. Wo sehen Sie die größten Chancen? Wo lauern die größten Risiken?
Aktien sind heute im historischen Vergleich in den meisten Ländern preiswert. In Europa sogar ähnlich preiswert wie im März 2009. Allerdings wird es keine großen Konjunkturprogramme wie damals geben und die Zinsen können kaum noch oder gar nicht gesenkt werden. Eine echte Aktienhausse ist deshalb jetzt nicht in Sicht. Vielleicht aber im Laufe von 2012, wenn die Gelddruck-Prozesse stark ansteigen. Eine gesündere Entwicklung herrscht noch in Asien, wo die Verschuldung niedriger ist und im nächsten Jahr durchaus Zinssenkungen und selektiv konjunkturstimulierende Maßnahmen denkbar sind. Hong Kong/China-Aktien dürften deshalb mittel- und längerfristig die besten Chancen bei den geringsten Risiken haben. Auch die Währung in den meisten asiatischen Ländern könnte gegenüber dem Euro gewinnen.
Die Rolle der Aktie im aktuellen Umfeld?
Aktien sollten im Hinblick auf ihren Sachwert-Charakter und die langfristige Vermögensabsicherung nicht vergessen werden. Auch wenn kurzfristig die Wertentwicklung in den vergangenen zehn Jahren häufig unbefriedigend war, so sind Aktien doch heute preiswert und dürften bei höherer Inflation durch ihren Sachwert-Charakter gewinnen. Besonders Gold- und große, internationale Ölaktien könnten zu den Gewinnern gehören.
Was ist für Sie die beste Vorsorgestrategie bei einem Horizont von zehn Jahren aufwärts?
Eine Mischung aus Gold, substanzstarken Dividendenaktien mit Schwerpunkt Asien, Goldminen, Ölaktien und Agrarunternehmen, sowie guten Immobilientiteln mit Schwerpunkt Asien dürften auf zehn Jahre Sicht aussichtsreich sein. Kurzfristig scheinen mir Unternehmensanleihen die beste Möglichkeit, Liquidität zu parken, um dann bei rückläufigen Aktienkursen noch einmal preiswert Aktien erwerben zu können.