Riegler: Nein, der Eindruck täuscht, vor allem weil es einige Unternehmen gibt, die erstmals an den Markt herangetreten sind. Rechnet man die angekündigten Emissionen von Conwert und Immofinanz dazu, so wurden in den ersten fünf Monaten 2012 bisher etwa 1,1 Mrd. EURO emittiert. Dazu kommt, dass manche Neuemission lediglich eine rückzulösende Anleihe ersetzt, wodurch das Marktvolumen in Summe ja nicht zunimmt. Im Jahr 2011 holten sich die Unternehmen insgesamt etwa 3,3 Mrd. EURO von den Investoren. Im Spitzenjahr 2009 lag das Emissionsvolumen aufgrund der Nachwehen des Lehmann-Kollapses und der schwierigen Bankkreditvergabe bei etwa 5 Mrd. EURO. Eine aktuelle Übertreibung ist daher mit Fakten nicht zu belegen. Und auch beim Renditeniveau sollte man nicht nach dem ersten Blick urteilen. Zuletzt wurden bei Laufzeiten von etwa fünf Jahren Renditen von etwa 4,00 % angeboten. Vielleicht nicht viel im historischen Vergleich. Wir leben aber in einem Tiefzinsumfeld und eine österreichische Staatsanleihe mit fünf Jahren Laufzeit rentiert derzeit nur bei gut 1,50 %.
Insgesamt sind Neuemissionen oder neue Emittenten immer eine gute Nachricht. Das Angebot für uns Investoren nimmt grundsätzlich zu. Es wird ja keiner gezwungen alles zu kaufen. Unternehmensanleihen werden als Finanzierungsinstrument und als Ergänzung oder als Ersatz zum Bankkredit immer wichtiger. Das Angebot wird daher weiter steigen. Zudem sind Anleihen für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften oft auch ein erster guter Kapitalmarkttest.
Welche Eigenheiten hat der heimische Unternehmensanleihe-Markt?
Im internationalen Vergleich gibt es zwei klare Besonderheiten, die man als Investor beachten muss. Die Mehrzahl der heimischen Unternehmen hat keine Einstufung einer internationalen Rating-Agentur. Für internationale Investoren ist das Vorhandensein eines Ratings aber oft Kaufvoraussetzung. Dazu kommt, dass die Emissionsvolumina vergleichsweise geringer sind, was klarerweise auch zu einer geringen Liquidität im Handel am Sekundärmarkt führt. Durch diese beiden Nachteile müssen Unternehmen oft höhere Zinsen bezahlen, als wenn sie ein Rating hätten oder hohe Volumina emittieren würden. Wir denken, dass wir als langjähriger österreichischer Marktteilnehmer diese Eigenheiten zu einem Vorteil für uns ummünzen können. Auch ohne Einstufung einer der großen Agenturen können wir aufgrund der Nähe zum Markt eine interne Einschätzung jedes Unternehmens entwickeln. Und im Umgang mit geringerer Liquidität sind wir als Österreicher sowieso jahrelang geübt.
Welche Rolle spielen heimische Unternehmensanleihen derzeit in den Depots?
Aufgrund der beschriebenen Eigenheiten finden wir am Heimatmarkt immer wieder attraktive Chance/Risikoverhältnisse vor. Wir haben hier daher eine klare Übergewichtung. In unserem 3 Banken Unternehmensanleihen-Fonds liegt die Österreich-Quote derzeit bei 24 %. Dazu noch ein grundsätzlicher grundsätzlicher Gedanke. Wir kaufen Unternehmensanleihen grundsätzlich nicht, um auf kurzfristige Kursgewinne zu spekulieren. Die Überlegung ist letztendlich, ob wir mit hoher Sicherheit jährlich unsere Zinsen und am Ende der Laufzeit das Kapital wieder zurückbekommen. Oberstes Ziel ist es daher Ausfälle zu vermeiden. Dies ist wichtiger als die letzte Renditeausreizung. Um dieses Grunddenken sicherzustellen und um nötigenfalls auch rechtzeitig die Reißleine ziehen zu können, muss man mitbekommen, wenn sich bei einem Unternehmen Dinge zum Negativen verändern. Bei einem heimischen Unternehmen ist dies viel eher gewährleistet als bei einem Investment in weiter Ferne.
Wie sind die Renditechancen? Was geben Sie dem Anleger mit?
Wie erwähnt waren mit den vergangenen Emissionen Renditen um knapp über 4 % darstellbar. Wir betrachten dies im aktuellen Umfeld für solide Unternehmen als attraktiv. Klar ist, dass die Renditen der vergangenen Jahre, ausgehend vom Krisenniveau im ersten Halbjahr 2009, in den kommenden Jahren nicht wiederholbar sind. Ansonsten gelten auch hier die Grundregeln jeder Geldanlage. Streuung ist Pflicht, nach Emittenten und nach Branchen. Und Analyse ist Pflicht, der Blick auf den Kupon sagt noch nichts aus. In einer Gesamtbetrachtung aus Chance und Risiko kann ein Kupon von 4 % bei einem grundsoliden Unternehmen viel attraktiver sein als ein Kupon von 6 % bei einem Unternehmen mit schlechter Bilanzstruktur oder risikobehafteter Branche.