In den vergangenen Wochen mussten sich Anleger mit drei zentralen Themen auseinander setzen, die ihnen großes Unbehangen bereitet haben.
Das erste Thema umfasst die Ereignisse im Osten, schließlich könnte die jüngste Volatilitätsphase gut und gerne als "Made in China" bezeichnet werden. Die turbulente Talfahrt der Märkte war eine Konsequenz der Veränderung in der Währungspolitik des Renminbi. Da die Abkühlung der chinesischen Konjunktur bereits seit 2014 offensichtlich ist, dürfte sie mittlerweile vollständig von den Anlegern absorbiert worden sein. Allerdings richtete der plötzliche Wandel in der Währungspolitik der Bank of China die Aufmerksamkeit auf eine Vielzahl von Unsicherheiten. Doch letzten Endes wurden globale Investoren mit offenen Fragen über die zukünftige Richtung der chinesischen Währungspolitiker und der Märkte des Landes zurückgelassen.
Das zweite Thema betrifft die relativ schlechte Kommunikation in der Geldpolitik. Es ist für jede Zentralbank entscheidend, was gesagt und was getan wird. Bei dem Treffen im September sorgte der Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank jedoch mehr für Verwirrung über die zukünftige Entwicklung, anstatt den Weg hin zu höheren Zinsen darzulegen. Infolgedessen wurden weitere Fragen laut: Aus welchem Grund sorgt sich die FED derart über internationale Angelegenheiten? Verfügt sie über die Instrumente und Fähigkeiten, um die Politik entsprechend auszurichten? Ein Vertrauensverlust in die Notenbankpolitik ist eine ernsthafte Angelegenheit: Wenn die Zahnpasta erst einmal aus der Tube ist, kann man sie unmöglich wieder hinein bekommen.
Das dritte Thema ist das ungewöhnlich hohe Volatilitätsniveau in letzter Zeit, wofür der „Schwarze Montag“ im August ein Beispiel ist. Anleger spekulieren bereits, ob dies Teil einer Übergangsphase von einem Umfeld der niedrigen Volatilität (dank der Finanzrepression) hin zu einem solchen höherer Volatilität ist. Die wachsende Bedeutung von schnellerem Geld (Hedgefonds, Hochfrequenzhandel, ETFs, Momentum-getrieben, Fonds mit Zielvolatilität) im Vergleich zu den fundamental getriebenen Anlegern (leistungsorientierte Pensionspläne sowie deren externe Fondsmanager) ruft Besorgnis hervor. Die Machtverhältnisse verschieben sich ganz eindeutig und dies wird durch das Marktverhalten reflektiert.
Als fundamentale Anleger sind wir der Auffassung, dass die Antwort auf die jüngste Marktkorrektur von der Unternehmensrentabilität kommen wird. Die Fragen, auf die wir uns nun konzentrieren, lauten: Wie wahrscheinlich ist es, dass Aktienmärkte bei einem durchschnittlichen Bewertungsniveau und angesichts eines gesunden Wachstums der Unternehmensgewinne noch weiter abrutschen? Und gehen wir weiterhin von einem steigenden Ertragswachstum aus?
In den USA sollten die beiden Faktoren, die die Erträge zuletzt belasteten, im Lauf der kommenden Quartale schwinden. Unserer Einschätzung nach wird der US-Dollar nicht weiter auf einem Niveau von jährlich 15% aufwerten können und demzufolge dürfte der entsprechend negative Einfluss auf die Ertragslage abnehmen. Darüber hinaus glauben wir nicht, dass der Ölpreis im gleichen Tempo wie in der Vergangenheit sinken wird. Da die Anzahl der Bohranlagen bereits um 50% gesunken ist, dürfte der Großteil der negativen Auswirkungen auf die Erträge bereits hinter uns liegen.
Unter Berücksichtigung einer Stabilisierung der oben genannten Faktoren sind die aktuellen Schätzungen für das Ertragswachstum mit 7% (über die kommenden zwölf Monate) nicht unrealistisch.
Für die Eurozone liegen die Konsensschätzungen für das Ertragswachstum bei 8%. Die Konjunkturabschwächung in China wird unserer Auffassung nach keine wesentlichen Auswirkungen auf deutsche Exporte haben: Im August wurde sogar ein neues Rekordhoch verzeichnet – die Schwäche in China wurde vollständig von der Nachfrage aus den entwickelten westlichen Ländern aufgefangen. Die aktuellen Konjunkturdaten in der Eurozone dürften einem realen Wirtschaftswachstum von deutlich über 2% vorausgehen und das Ertragswachstum könnte die Konsens-schätzungen möglicherweise übertreffen. Die Gewinnspannen von europäischen Unternehmen haben unserer Auffassung nach noch Luft nach oben.
In Japan beträgt die Prognose für das Ertragswachstum 12%. Seit Jahresbeginn entwickeln sich die Erträge stark und zeigen eine positive Tendenz. Da Asien einer der wichtigsten Handelspartner für Japan ist, könnte sich die Ertragslage über die kommenden Monate zwar etwas abkühlen. Doch wir sind für Japan weiterhin optimistisch eingestellt, obwohl es wirtschaftliche und politische Herausforderungen geben wird.
Unser Basisszenario stützt sich auf eine besser werdende binnenwirtschaftliche Entwicklung der westlichen Länder, was zukünftig durch eine nachhaltige Unternehmensrentabilität reflektiert werden wird. Die Konsumausgaben von US-Verbrauchern könnten aufgrund der steigenden Löhne ebenfalls zunehmen, außerdem wurde die „Dividende des günstigeren Öls“ bisher noch nicht vollständig umgesetzt.
Unsere optimistische Haltung wird von zwei Grundannahmen untermauert. Erstens prognostizieren wir einen stabilen US-Dollar, wobei in unserem Basisszenario eine moderate Währungsaufwertung abgefedert werden könnte. Die weltweite Ertragslage würde von einem stabilen US-Dollar profitieren und weiterer Druck auf die Schwellenländer würde vermieden werden.
Zweitens erwarten wir eine Unterstützung der chinesischen Währungsbehörden für die Binnenwirtschaft, beispielsweise in Form einer geldpolitischen Lockerung (vorzugsweise eine Reduzierung des Mindestreservesatzes) sowie von fiskalpolitischen Expansionsmaßnahmen, was eine geordnete Konjunkturabschwächung ermöglichen würde.
Marino Valensise
Chairman
Strategic Policy Group
Baring Asset Management, London