Können Sie uns erklären, inwiefern die heutigen Bedingungen am Aktienmarkt mit früheren vergleichbar sind bzw. sich von diesen unterscheiden?
Ghadir Cooper: Unser Aktienteam bei Barings verfolgt einen langfristigen Anlageansatz. Viele von uns investieren seit Jahrzehnten aktiv und haben zahlreiche Zyklen erlebt. Zweifellos haben wir daher deutliche Veränderungen erlebt, unter anderem die Auswirkung passiver Investments auf die Marktdynamik. Sie hat uns in unserer Überzeugung vom Wert eines aktiven Anlagestils bestärkt. Die Märkte sind nach wie vor ineffizient. Und die beste Möglichkeit, von diesen Ineffizienzen zu profitieren, ist eine aktive Vermögensverwaltung, bei der wir langfristig überdurchschnittliche risikobereinigte Erträge gegenüber benchmarkorientierten Anlagen anstreben.
Das ist vor allem derzeit besonders relevant, da seit dem letzten Rekordstand in 2016 die Korrelationen zwischen und innerhalb der Märkte deutlich gesunken sind. Dadurch steigt die Chance für aktive Manager, Wertzuwachs zu erzielen.
Wir stehen am Anfang einer Phase, in der die Notenbanken weltweit ihre Stimulierung schrittweise drosseln. Das kann an den Märkten mitunter für Beunruhigung sorgen. Letztlich spiegelt sich in den Aktienrenditen jedoch der Zustand des Unternehmenssektors wider. Dort zeigen die Gewinne unverändert nach oben, und die Bewertungen sind vor allem in den Schwellenländern in Anbetracht des Wachstumspotenzials nicht überzogen.
Das Umfeld für Aktien wird unseres Erachtens nach wie vor allgemein durch die Fundamentaldaten untermauert. Vor allem das wirtschaftliche Umfeld steht weiter im Zeichen eines synchronisierten globalen Wachstums, einer Erholung der Unternehmensgewinne in den Schwellenländern und einer günstigen Lage in den Industrieländern, die sich unter anderem im anhaltenden Aufschwung in Europa und den US-Steuerreformen manifestiert. Besondere Anlagechancen finden wir bei internationalen Unternehmen, Firmen mit geringer Marktkapitalisierung sowie in Schwellenländern.
Wir bei Barings investieren aktiv an den Aktienmärkten und verfügen über ein solides und erfahrenes Team mit 63 Experten für Aktieninvestitionen. Das fundamentale Research bildet den Eckstein unseres Anlageprozesses. Wir haben einen längerfristigen Anlagehorizont (fünf Jahre), da wir verborgene Wachstumschancen für unsere Kunden identifizieren wollen. In volatilen Phasen wie wir sie vor Kurzem gesehen haben, sind wir nach unserer Meinung besonders gut in der Lage, derart kurzfristige Kursschwankungen richtig zu deuten und dabei unserem bewährten und disziplinierten Anlageprozess treu zu bleiben, bei der wir überdurchschnittliche risikobereinigte Erträge für unsere Kunden anstreben.
Schwellenländer zählten letztes Jahr mit zu den Performancespitzenreitern an den globalen Aktienmärkten. Welche Veränderungen in den Schwellenländern haben Sie 2017 festgestellt und wie schätzen Sie die Aussichten für dieses Jahr ein?
Ghadir Cooper: Wir sind unverändert optimistisch. Das Interesse der Anleger kehrt nach mehreren schwierigen Jahren langsam zurück. Hintergrund sind bessere Fundamentaldaten, erheblich solidere Gewinnaussichten, die angesichts des Konjunkturzyklus nachhaltig sein dürften, und attraktive Bewertungen. Wir gehen davon aus, dass sich diese Trends fortsetzen und sie der Anlageklasse eine anhaltende Aufwärtsbewegung bescheren werden. Positiv könnte sich auch die verstärkte Allokation der Anleger zugunsten der Anlageklasse auswirken, die aktuell unter dem historischen Niveau liegt. Diese Trends haben wir in unserem jüngsten Viewpoint, „A New Dawn for Emerging Markets Equities - Eine neue Ära für Schwellenländeraktien“ ausführlich diskutiert.
Die Schwellenländer entwickeln sich ebenfalls weiter. Vor zwanzig Jahren gab es eine starke Sektorkonzentration zugunsten von Rohstoffunternehmen und großen Infrastrukturanbietern, die von Telekommunikationsunternehmen und Versorgern dominiert wurden. Das EM-Aktienuniversum hat sich inzwischen stark verändert und beinhaltet mehr „New-Economy- Unternehmen“, wie etwa weltweit führende Technologieanbieter.
Und obwohl die aktuelle Unternehmenspalette in Schwellenländern breit gefächert ist, schenken die Sell-Side-Analysten ihnen deutlich weniger Beachtung als den Industrieländern. Das führt unweigerlich zu weniger exakten Gewinnprognosen und entsprechenden Fehlbewertungen. Und hier kommt der Vorteil von Barings mit seiner soliden Basis erfahrener aktiver Manager ins Spiel. Unser spezielles EM-Aktienteam besteht aus 32 Experten, die durchschnittlich über 14 Jahre Erfahrung verfügen. Dieses Team liefert uns tägliche Bottom-up-Analysen, die es uns ermöglichen attraktive Chancen für unsere Kunden zu identifizieren.
Die Volatilität am Aktienmarkt war in den letzten Jahren überraschend gering, da die Kurse gestiegen sind. Sagt das Aufflammen der Volatilität im Februar etwas über die künftigen Entwicklungen aus oder werden sich die Kursschwankungen eher in engen Grenzen bewegen?
Ghadir Cooper: Wir beurteilen die Aussichten für die Aktienmärkte weiterhin optimistisch, wenngleich es auch potenzielle Gegenwinde gibt. Neben dem Lohnwachstum erholen sich zeitgleich die Investitionsausgaben und die Inflationserwartungen steigen. Kombiniert mit der langsamen Drosselung der Stimulierungsmaßnahmen der Zentralbanken weltweit hat dies den Boden für eine gewisse Volatilität und Gewinnmitnahmen Anfang Februar bereitet.
In diesem Umfeld gehen wir davon aus, dass sich einige Unternehmen besser entwickeln werden als andere, wobei die Margen in einigen Sektoren und bei einigen Akteuren besonders stark unter Druck geraten könnten. Andererseits werden gewisse Unternehmen auch weiterhin von den aktuellen strukturellen und zyklischen Trends profitieren.
Ein Ausverkauf wie Anfang Februar bietet Chancen für langfristig orientierte Anleger. Wir bei Barings legen besonderen Wert auf einen langfristigen Ansatz, um noch nicht erfasste Wachstumsbereiche zu identifizieren. Sobald wir bemerken, dass sich die Aktienkurse in Phasen extremer Kursschwankungen wie vor Kurzem von ihren zugrunde liegenden Fundamentaldaten abkoppeln, bleiben wir unserem Prozess treu und versuchen, so objektiv wie möglich zu bleiben. Wir bauen auf fundamentale Analysen, langfristigere Prognosen als viele unserer Mitbewerber und berücksichtigen andere relevante Faktoren wie ESG. (Environmental, Social und Governance = soziale, ökologische und ethische Aspekte der Unternehmensführung). Daher können wir vor allem in volatilen Marktphasen echten Wertzuwachs für unsere Anleger erzielen.
Uns ist bewusst, dass die kräftigen Kursgewinne der sogenannten FAANG-Aktien (Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Alphabet’s Google) jüngst ein kritischer Renditetreiber vor allem für US-Aktien war. Welche Sektoren werden voraussichtlich in den kommenden Jahren kräftige Kursgewinne verbuchen?
Ghadir Cooper: Die Idee von der disruptiven Dynamik der Plattformen, auf die auch die FAANG setzen, zählt zweifellos zu den Bereichen, in denen wir ausgezeichnete Bottom-up- Anlageideen finden. 2017 wurden die starken Plattformen der FAANG-Unternehmen in Segmenten wie E-Commerce, Werbung und IT-Infrastruktur von Anlegern intensiver wahrgenommen. Das wird vermutlich auch 2018 so bleiben, wenngleich der wachsende Druck der Regulierer und Regierungen und die zur Anpassung daran erforderlichen Investitionen der Unternehmen deutlich spürbarer werden.
Abseits der FAANG und ausgehend von den Fundamentalanalysen unseres speziellen globalen Research- Teams sehen wir insbesondere im Softwaresektor einen Bereich, in dem immer mehr Unternehmen bei Konkurrenz und Wachstum ähnliche Plattformdynamiken aufweisen.
Außerhalb des Technologiesektors analysieren wir die laufenden strukturellen Veränderungen und spüren eine deutlich größere Bandbreite potenzieller Investments in unterschiedlichen Marktkapitalisierungen, Regionen und Sektoren auf. Dadurch arbeiten unsere Analystenteams für spezielle Sektoren und die Teams für einzelne Regionen noch enger zusammen, um auf der Grundlage einer fundamentalen Bottom-up-Analyse die attraktivsten Chancen zu ermitteln.
Ob Kryptowährungen sich langfristig behaupten werden, bleibt abzuwarten. Können Sie dennoch einschätzen, welche allgemeinen Auswirkungen Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie voraussichtlich auf Aktienanleger haben werden?
Ghadir Cooper: Die Kryptowährung Bitcoin ist aus dem Wunsch heraus entstanden, ein Zahlungssystem aufzubauen, das anonym ist und bei dem die Währung gleichzeitig nicht von einer zentralen Instanz gesteuert wird. Diese Initiative stieß nach der weltweiten Finanzkrise auf wachsendes Interesse. Die jüngsten Wertschwankungen des Bitcoin lenken unseres Erachtens von der übergeordneten Bedeutung ab, die der Aufbau eines Systems hat, das nicht auf „Vertrauen“ setzt und daher ohne Mittler auskommt.
Die eigentliche Innovation besteht in der Nutzung der Blockchain- Technologie, um unveränderliche und verteilte Eigentumsverhältnisse für Vermögenswerte zu schaffen. Die mit einer Blockchain verbundene Kryptowährung (Bitcoin, Ether, Ripple etc.) ist nützlich als Label, um das Eigentum an einem Vermögenswert einer Person/einem Unternehmen zuzuordnen, und den weiteren Handelsverlauf des Vermögenswerts zu verfolgen.
Diese Idee wird inzwischen bei unzähligen Prozessen angewandt, etwa bei Versicherungsverträgen, beim Handel mit Diamanten und bei Lizenzen für digitale Fotografie. Speziell bei weltweiten Bankgeschäften liegen die Einsatzmöglichkeiten für Blockchain- Technologie in Bereichen von großer Komplexität und starken Friktionen auf der Hand, unter anderem beispielsweise bei der Abwicklung von Handelskreditverträgen. Unternehmen, die von der Komplexität und den Friktionen von Transaktionen profitieren, sollten die disruptiven Veränderungen im Blick haben, die auf Blockchain basierende Alternativen bewirken könnten.
Die Fortschritte im Bereich künstlicher Intelligenz beschleunigen sich und werden inzwischen in die Entwicklung von Dienstleistungen und Produkten, die wir täglich bei der Arbeit und zu Hause nutzen, eingebunden, angefangen von Social-Media-Feeds bis hin zur Vermeidung von Systemausfällen durch Ihren IT-Helpdesk. Autonomes Fahren wird die Ansätze zur Stadtplanung mit Blick auf öffentlichen Transport und Immobilien dramatisch verändern. Robotik und die Automatisierung im Allgemeinen können fundamentale Folgen für den Industriesektor haben und die Fertigungskapazitäten weltweit steigern.
Wir nähern uns dem Wendepunkt, an dem die Technologie ihr Versprechen erfüllt und deutliche Produktivitätssteigerungen beschert. Wir sind stolz auf unsere Sektorteams, die sich kompetent mit disruptiven Technologien befassen und nicht nur die mit Innovationen verbundenen Gefahren sondern auch die Chancen erkennen.
Blockchain ist lediglich ein Beispiel für eine disruptive Technologie, die langjährige Praktiken auf großen Märkten rasant verändert. Daneben gibt es zahlreiche andere Technologien mit mindestens ebenso dramatischer Wirkung.
Können Sie uns angesichts des Wechsels an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und der offensichtlichen Straffung der Zinspolitik erklären, wie Sie die Zinserhöhungen in Ihre Analysen einbeziehen?
Ghadir Cooper: Die Geldpolitik der Fed wird diktiert durch die Förderung von Wirtschaftswachstum in einem stabilen Inflationsumfeld. Daher wird die Ernennung des neuen Fed-Präsidenten Powell an sich keine spürbaren Auswirkungen auf die Märkte haben.
Wir verfolgen als Aktieninvestoren einen Bottom-up-Ansatz und setzen auf fundierte langfristige Prognosen. Dabei beziehen wir mit unseren intern berechneten Eigenkapitalkosten die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen für ein Unternehmen ein.
Bei den Eigenkapitalkosten handelt es sich um den Mindestertrag, den Aktienanleger für das eingesetzte Kapital fordern. Diese Eigenkapitalkosten sind je nach Markt unterschiedlich, und sie hängen von wirtschaftlichen und geldpolitischen sowie von den Marktbedingungen ab. Dieser Mindestertrag wird von den Aktienanlegern gefordert, um sie für das Risiko zu entschädigen, das das Halten einer Aktie eines Unternehmens im Vergleich zu einer potenziellen alternativen Anlage birgt.
Daher wird jede Veränderung der Makrobedingungen, so etwa der Grund für den veränderten Zinsausblick, von unseren Analysten und Fondsmanagern nahtlos in die Analyse der Fundamentaldaten integriert. Das wirkt sich auf unsere internen Gewinnprognosen sowie auf unsere Unternehmensbewertung aus, indem wir angemessene Eigenkapitalkosten ansetzen.
Und wie lautet Ihr Fazit?
Ghadir Cooper: Als langfristig orientierter Anleger, der viele Konjunkturzyklen erlebt hat, rate ich Anlegern dringend, sich auf die Fundamentaldaten als Renditetreiber zu konzentrieren. Wir sind überzeugt, dass sich in den Aktienkursen von Unternehmen langfristig das Gewinnpotenzial widerspiegelt. Sofern die Aktien nicht überbewertet sind, hat das Wachstum nach unserer Einschätzung maßgeblichen Einfluss auf künftige Erträge, mit denen die Risikobereitschaft honoriert wird. Aktive Manager wie Barings konzentrieren sich darauf, derartige Anlagechancen für unsere Kunden zutage zu fördern, die unseres Erachtens ein attraktives Wertangebot darstellen.