Wie man in Emerging Markets-Aktien investiert: Im Gespräch mit den Fondsmanagern Palmer & Levy

In diesem Interview diskutieren William Palmer und Michael Levy, die gemeinsamen Leiter des Teams für Schwellenländer- und Frontier Markets Aktien bei Barings darüber, wie man sich diese Anlageklassen am besten erschließt und wie der Sektor sich gegen kurzfristige Widrigkeiten wie steigende Zinssätze und stärkeren Protektionismus wappnen kann. Barings | 02.11.2018 13:18 Uhr
von links: William Palmer & Michael Levy, Ko-Leiter des Teams für Emerging und Frontier Markets Aktien bei Barings / ©  Barings
von links: William Palmer & Michael Levy, Ko-Leiter des Teams für Emerging und Frontier Markets Aktien bei Barings / © Barings
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Was ist die beste Methode, um die Chancen der Emerging Markets zu nutzen - aktives oder passives Investieren?

WILLIAM: Wir sind überzeugt vom aktiven Investieren, denn die Emerging Markets sind ihrer Natur nach sehr ineffizient, insbesondere wegen der niedrigen Analystenquote im Verhältnis zu den entwickelten Märkten und auch wegen der hohen Beteiligung von Kleinanlegern. Die Vermögensverwaltungsbranche hat sich noch nicht im selben Maß entwickelt wie im Westen, weswegen die Anleger direkt in Aktien und nicht in Investmentfonds investieren. Das beste Beispiel ist der chinesische Markt, wo die Kleinanleger-beteiligungen bis zu 90% des täglichen Marktumsatzes ausmachen können. Das kann oft - sowohl bei positiven als auch bei negativen Nachrichten - zu Überreaktionen bei den Aktienpreisen führen und damit zu Ineffizienzen, die sich mit der Anwendung eines fundamentalen Bottom-up-Verfahrens erfassen lassen. MICHAEL: Passives Investieren bindet Investoren naturgemäß an einen bestimmten Index. Unserer Ansicht nach gibt der Hauptindex, der MSCI Emerging Market Index, die in den EM liegenden Möglichkeiten nicht exakt wieder, und wir finden immer wieder ein Alpha in Unternehmen außerhalb des Indexes. Eine andere Entwicklung war in den letzten Jahren die Änderung der Regulierung durch die MiFID II. Die Unternehmensrecherche der sog. Sell Side, also der Handelsvermittler, hat auf den Emerging Markets wegen der Reduzierung der Analystenberichte zum EM-Anlagenkapital erheblich abgenommen, was zu weiterer Ineffizienz führt; dies kann ein aktiver Manager nutzen, insbesondere mit einem mittel - bis langfristigen Horizont.

Inwiefern unterscheidet sich der Anlageprozess bei Barings von demjenigen anderer EM-Manager?

WILLIAM: Als Bottom-up-Manager konzentrieren wir uns auf fundamentale Unternehmens-analyse, aber wir wollen über unsere Kapitalkosten auch die Makrorisiken erfassen und betrachten das Risikoumfeld für jedes Land gesondert. Auf diese Weise können wir das Gesamtrisiko für jedes Unternehmen in unserem Portfolio bewerten. Das trägt wesentlich dazu bei, dass wir vielfältige Risiken berücksichtigen, wenn wir in EM investieren - auch das Währungsrisiko, das bei Investitionen in EM ein wesentlicher Faktor für die endgültige Investmentrendite der Kunden sein kann. Beispielsweise kann in einem Land mit einer hohen Inflationsrate wie der Türkei durch die Währungsabwertung ein ziemlich großer Teil der in der lokalen Währung erzielten Rendite beim Rücktausch in US-Dollar aufgezehrt werden, weswegen wir für unser Investment eine sehr viel höhere Renditeerwartung verlangen würden, um das höhere Risiko auszugleichen.

MICHAEL: Die Türkei ist in Hinblick auf die Inflation ein sehr gutes Beispiel, aber wir versuchen auch, die politischen, sozialen und juristischen Risiken über unseren Eigenkapitalrisikoaufschlag zu erfassen. Zum Beispiel beträgt unser Standard-Eigenkapitalrisikoaufschlag für EM-Kapital 5%, aber für Russland sind es beispielsweise derzeit 8%, um das politische Risiko und das Sanktionsrisiko widerzuspiegeln. Wir sorgen dafür, dass die Mindestrendite, die wir in risikoträchtigeren Ländern erwarten, in unsere Berechnung der Eigenkapitalkosten eingeht.

WILLIAM: Wir beziehen zudem die Analyse der ESG-Aspekte (Environmental, Social and Governance - ökologischen, sozialen und Unternehmensführungsaspekte) vollständig in unseren Prozess ein, indem wir sicherstellen, dass der ESG-Wert eines Unternehmens sich automatisch auf die Kapitalkosten bzw. die geforderte Rendite auswirkt, so dass Unternehmen mit einem positiven ESG-Wert belohnt werden und umgekehrt. Wir haben festgestellt, dass dies eine sehr leistungsstarke Ergänzung unseres Anlageprozesses ist.

MICHAEL: Im Rahmen unseres firmeneigenen ESG-Konzepts werden für jedes Unternehmen neun Faktoren untersucht, die auf einer gestaffelten Skala bewertet werden, welche von vorbildlich bis ungünstig reicht. Wir haben die ESG-Prüfung sehr früh eingeführt, sie ist schon seit mehr als drei Jahren Bestandteil unseres Anlageprozesses.

WILLIAM: Wir verwenden auch eine Vielzahl von firmeneigenen Tools für die Portfolio Konstruktion, um sicherzustellen, dass wir den anlagespezifischen Risikobeitrag zu unseren Portfolios maximieren, was unserem Bottom-up-Ansatz entspricht. Zusätzlich wollen wir das unbeabsichtigte Makrofaktorrisiko minimieren und diversifizieren, da es die Investitionsrendite drastisch verringern kann, wenn es nicht ordnungsgemäß gemanagt wird.

MICHAEL: Es ist auch erwähnenswert, dass es im Rahmen unserer globalen Equity-Plattform eine enge Zusammenarbeit und einen Wissensaustausch zwischen unserem EM-Team und unserem Team für entwickelte Märkte gibt, was einen enorm konstruktiven Beitrag dazu leistet, differenzierte Meinungen zu den von uns untersuchten Unternehmen zu erhalten. Außerdem sehen wir uns die Unternehmen mit einem Fünf-Jahres-Horizont an, während viele andere Investoren eher kurzfristige Gewinnprognosen heranziehen; dabei handelt es sich um eine wesentliche Ineffizienz, die ein aktiver Manager nutzen kann. Wir ermutigen unsere Investment-Profis, strategisch über die Unternehmen nachzudenken: Wo liegt das Wachstumspotenzial des Unternehmens über fünf Jahre? Ist dieses Wachstum unerkannt? Welche Dynamik steht hinter diesem Wachstum?

Wie schwierig ist es, ESG-Informationen zu diesen Unternehmen zu bekommen?

WILLIAM: Wir nutzen interne und externe Quellen, aber wir verlassen uns stark auf unsere eigene Analyse. Letztes Jahr hatten wir allein in den EM fast 2.000 Interaktionen mit Unternehmen; dies ist der wichtigste Weg für die Einholung der Informationen, die wir benötigen, um den ESG-Wert eines Unternehmens einzuschätzen und vor allem um festzustellen, ob ein Unternehmen bezüglich ESG Anzeichen für eine Verbesserung oder für eine Verschlechterung aufweist. Bei Barings kennen wir die Unternehmen, in die wir investieren, denn wir treffen uns seit Jahren mit ihnen; daher kennen wir ihre Strategien und wissen, ob sich etwas ändert. Solche Veränderungen können positiv sein, was für den Aktienpreis nützlich ist, und sie können negativ sein, was natürlich ein Risiko darstellt. Daher müssen ESG und die Unternehmensführung im Allgemeinen sorgfältig bewertet werden.

Die EM gelten noch immer als deutlich volatiler als die entwickelten Märkte. Stimmt das, und was bedeutet es für einen Anleger?

WILLIAM: Ihrer Definition nach sind EM weniger reif als entwickelte Märkte, und daher geht man davon aus, dass die Volatilität etwas höher ist. Wie wir schon erwähnt haben, trägt auch die höhere Beteiligung von Kleinanlegern in gewisser Weise zu dieser Volatilität bei. Allerdings lässt sich auf längere Sicht feststellen, dass die Volatilität wegen der verbesserten Wirtschaftspolitik auf allen EM abnimmt, da mehr Wert auf strukturelle Wirtschaftsreformen gelegt wird, um ein solides Fundament für eine nachhaltigere und weniger volatile Konjunktur zu schaffen. Dies sollte theoretisch zu einer geringeren Volatilität der Unternehmensgewinne führen, was sich sodann in weniger volatilen Aktienpreisen widerspiegeln sollte. Darüber hinaus weist die Gesamtleistungsbilanz der EM - mit oder ohne China - einen Überschuss auf und ist weniger abhängig von ausländischen Kapitalflüssen, was wiederum eine Ursache für Volatilität sein kann.

MICHAEL: Die Leistungsbilanz zahlreicher EM-Länder hat sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert, und die meisten Gefährdungen sind in dieser Anlageklasse weiterhin relativ isolierte Fälle, in diesem Jahr zum Beispiel in der Türkei und Argentinien. Phasen der Volatilität sind meistens kurzfristiger Art, und für uns als aktive Manager ist das eine sehr gute Gelegenheit, uns unsere Modelle anzusehen und zu prüfen, wo wir von einzelnen Unternehmen überzeugt sind, und die Portfoliopositionen entsprechend anzupassen.

WILLIAM: Als aktive Manager haben wir keine Angst vor Volatilität, denn sie schafft Investmentchancen, und als langfristige Investoren blicken wir über den aktuellen Wirbel hinaus. Dass wir über unsere Kapitalkosten alle Risiken erfassen, hilft bei der Feststellung, welche Unternehmen in Phasen der Marktvolatilität unterbewertet werden. Wir versuchen nicht, vorherzusehen, was auf den Märkten passieren wird - wir halten uns an unseren Anlageprozess. Wenn ein Unternehmen, von dem wir glauben, dass es aus fundamentaler Sicht attraktiv ist, unterbewertet wird, werden wir unsere Beteiligung ausbauen und unserer Erfahrung nach über einen aussagekräftigen Zeitraum betrachtet reich für diese Vorgehensweise belohnt werden.

MICHAEL: Es ist ganz entscheidend, sich an den Anlageprozess zu halten - unabhängig vom Grad der Volatilität. Unser Prozess hat sich über viele Jahre als solide und reproduzierbar erwiesen, und solange wir weiterhin daran festhalten, sollten wir unseren Kunden gute Dienste erweisen können.

Die Anleiherenditen steigen in den USA. Ist das ein Grund zu größerer Besorgnis für die EM?

WILLIAM: Nicht unbedingt. Das Entscheidende ist, dass man feststellt, was den Anstieg der US-Zinssätze antreibt. Wenn es das Wachstum ist, ist das im Grunde positiv für die EM. Wenn es an einem Inflationsschub liegt, können wir nicht leugnen, dass das kurzfristig nicht besonders gut für die EM-Eigenkapitalanlagen wäre. Nach unseren bisherigen Beobachtungen liegt dieser Antrieb zu einem großen Teil in der Normalisierung der Geldpolitik, was das solide Wachstum der US-Wirtschaft widerspiegelt. Das Wichtigste ist, dass die Anpassung schrittweise erfolgt.

Wie wird sich ein gesteigerter Protektionismus auf die EM auswirken?

WILLIAM: Sehr kurzfristig führt das Risiko eines stärkeren Protektionismus zu größerer Unsicherheit, so dass die Investoren einen höheren Eigenkapitalrisikoaufschlag verlangen. Das ist die Reaktion, die wir bisher beobachtet haben, und das ist auch logisch und normal. Im Laufe der Zeit werden wir bewerten müssen, ob die derzeitigen protektionistischen Maßnahmen vorübergehender oder eher dauerhafter Art sind. Das kann kurzfristig zu einem etwas langsameren globalen Handelswachstum führen, aber mittelfristig ist es wahrscheinlicher, dass es eine Rückkehr auf ein normaleres Niveau gibt. Als Bottom-up-Investoren werden wir unsere Kräfte weiterhin darauf konzentrieren, sicherzustellen, dass keines unserer Unternehmen einem hohen protektionistischen Risiko ausgesetzt ist.

MICHAEL: Wenn wir immer wieder auf die Ebene der Unternehmensgewinne zurückgehen, entfernen wir uns von dem Wirbel, aber es ist auch wichtig, dafür zu sorgen, dass wir die Risiken verstehen.

Was sind die Schlüsselthemen für Investitionen in die EM in den nächsten Jahren? Welche Wachstumschancen gibt es?

WILLIAM: Das Mittelschichtssegment der EM ist ganz klar entscheidend, aber man muss sich das sehr viel genauer ansehen und auch die demographische Entwicklung verstehen, um herauszufinden, was diese Gruppe in der Zukunft konsumieren will. Wir sehen große Chancen in Bereichen wie den Finanzdienstleistungen, insbesondere bei Renten, Lebensversicherungen und anspruchsvolleren Sparanlagen, was Chancen im Versicherungs- und Bankensektor schafft. Wir sehen auch Chancen bei der privaten medizinischen Versorgung, der privaten Ausbildung und im gesamten Technologiebereich mit Hardware, Software, sozialen Medien und E-Commerce.

MICHAEL: Wir lassen auch die Chancen in den klassischen Wirtschaftsbereichen nicht Außer Acht; so gibt es zum Beispiel einige unglaublich gut geführte Unternehmen im Ressourcen-Sektor, die selbst mit konservativen Annahmen zu den Ressourcenpreisen einen beeindruckenden Cashflow generieren.

WILLIAM: Als Bottom-up-Manager wollen wir keinen engen Fokus haben. Wir wollen einen Überblick über das gesamte Anlageuniversum haben, um die attraktivsten Chancen zu ermitteln und ein solides und diversifiziertes Investmentportfolio aufzubauen.

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
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