Auswirkungen der Geldpolitik auf Schwellenländeranleihen

Die Zinserwartungen haben sich im ersten Quartal 2019 sowohl in den Schwellenländern als auch in den Industrieländern wesentlich verändert. Was bedeutet dies für die Schwellenländeranleihen? Eine Betrachtung von Ricardo Adrogué, Leiter Emerging Marktes Debt bei Barings: Barings | 26.03.2019 10:27 Uhr
Dr. Ricardo Adrogué, Leiter Emerging Markets Debt, Barings / © Barings
Dr. Ricardo Adrogué, Leiter Emerging Markets Debt, Barings / © Barings
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Das sich ändernde Verhalten der Zentralbanken und die Auswirkungen auf die Liquidität 

Während die Notenbanker in den USA den größten Teil des Jahres 2018 damit verbrachten, die Zinssätze in die Höhe zu schrauben und ihre Kollegen in Europa begannen, die Lockerungsmaßnahmen zu reduzieren, zeigt sich 2019 ein ganz anderes Bild. Die US-Notenbank Federal Reserve und die Europäische Zentralbank haben den Pausenknopf gedrückt – und verhalten sich nun wesentlich vorsichtiger - und China, ohnehin eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften, hat ebenfalls Maßnahmen ergriffen, um die monetären Bedingungen zu lockern und das Wachstum voranzutreiben.  

Dies sollte eigentlich eine gute Nachricht für Anleger in Schwellenländeranleihen sein, oder nicht? Ja und nein. Vor einem Jahr beschäftigten wir uns mit der Frage, ob die monetären Bedingungen wirklich so entspannt waren, wie die Anleger dachten, und wiesen darauf hin, dass sich zwar die Zentralbanken durchaus im Lockerungsmodus befanden, bei den Geschäftsbanken jedoch genau das Gegenteil der Fall war: sie hatten strengere Kreditstandards eingeführt und tatsächlich liquide Mittel aus dem System abgezogen. 

Als sich daher die Anleger Sorgen zu machen begannen, dass die Beseitigung der geldpolitischen „Bowle“ in den kommenden Jahren einen erheblichen Gegenwind für die Anleihen der Schwellenländer darstellen würde, stellten wir die Hypothese auf, dass 1) die geldpolitischen Bedingungen tatsächlich zu keinem Zeitpunkt so entspannt waren, wie die meisten angenommen hatten, und dass 2) die Geschäftsbanken wahrscheinlich nach den zehn Jahren, in denen sie ihre in der Finanzkrise geschlagenen Wunden geleckt hatten, ihre Vitalität wiederentdecken und als Ausgleich für die Straffungen in der Politik der Zentralbanken dienen würden.  

Tatsächlich ist in gewisser Hinsicht genau das Gegenteil eingetreten - als die Zentralbanken dieses Jahr wieder in den Lockerungsmodus zurückfielen, verhielten sich die Geschäftsbanken wesentlich weniger aggressiv als erwartet. Tatsächlich stiegen – den von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zur Verfügung gestellten Daten zufolge – die globalen grenzüberschreitenden Bankforderungen weltweit im dritten Quartal 2018 kaum an. (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Stand 30. September 2018) Das Wachstum dieser Forderungen erreichte Ende 2017 einen Stand von 10%, sank jedoch abrupt im Laufe des Jahres 2018. Ironischerweise hat dies praktisch zu den gleichen Liquiditätsbedingungen geführt, die wir vor einem Jahr prognostiziert haben - aber der Weg dorthin war ein anderer als der, den wir vorhergesehen hatten. 

Die sich allmählich ausbreitenden Auswirkungen dieser Geldpolitik sind überall in den Schwellenländern spürbar. 

Was bedeutet das für die Märkte in den Schwellenländern? 

Generell haben sich die Schwellenländer in Zeiten höheren globalen Wachstums und niedrigerer Zinsen gut entwickelt. Anleger fragen sich daher vielleicht, ob die etwas zurückhaltendere Haltung der Zentralbanken in den Industrieländern den Anstoß für ein „Goldilocks“-Szenario für die Schwellenländer bedeuten könnte. Aus unserer Sicht könnte das durchaus so sein - aber ganz so einfach wird es möglicherweise nicht werden. Obwohl diese Maßnahmen nicht unbedingt für Rückenwind sorgen, werden sie auf jeden Fall bis zu einem gewissen Grad den Gegenwind abschwächen - was für die Schwellenländer ein starkes Positivum darstellt. 

Da der IWF für die nächsten zwei Jahre ein positives Wirtschaftswachstum in der Welt prognostiziert – für das Jahr 2019 von 2% in den Industrieländern und von 4,5% in den Schwellenländern - scheint es, als würde das wirtschaftliche Umfeld der Märkte in den Schwellenländern die Hausse unterstützen. 

Trotzdem befinden wir uns immer noch in einer sehr unsicheren Zeit - und es gibt verbleibende Risiken in Bezug auf Handelsgeschäfte, Zinsbewegungen, Währungsschwankungen und vieles mehr. 

Nicht alle EM-Assets sind gleich  

Trotz des positiven Umfelds gibt es Bereiche in Schwellenländern, die weiterhin Anlass zu Besorgnis geben. So erscheinen derzeit zum Beispiel auf lokale Währungen lautende Anlagen im Vergleich zu den auf Hartwährungen lautenden Unternehmens- und Staatsanleihen nur mäßig attraktiv. Das liegt zum Teil daran, dass die aufstrebenden Märkte oder zumindest ihre Zentralbanker Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden sind. In den letzten zehn Jahren haben die Entscheidungsträger aus den Schwellenländern immer mehr gelernt, ihre lokalen Währungen als „Stoßdämpfer“ zu verwenden, indem sie sie absichtlich schwächten - oder ihnen zumindest auf dem offenen Markt keine Unterstützung zukommen ließen. 

Darüber hinaus haben sich die Inflationsraten in den Schwellenmärkten allmählich von der Währungsabwertung losgelöst und sind in Märkten wie Indonesien, Malaysia und Chile niedrig geblieben. Ohne diese Korrelation und ohne rasante Inflation besteht für die Zentralbanken weniger Bedarf, die lokalen Währungen zu stützen. Dies führt dazu, dass die Exporte des Landes auf dem Weltmarkt zu attraktiveren Preisen angeboten werden können und somit das Wirtschaftswachstum stärken. Es bedeutet aber auch, dass Investoren in Lokalwährungsanleihen sich nicht den Rückenwind einer möglichen Währungsaufwertung zunutze machen können. 

Umgekehrt halten wir Hartwährungsanleihen im aktuellen Umfeld für attraktiv, da sie von den niedrigeren Zinserwartungen und einem nach wie vor starken Wirtschaftswachstum profitieren, jedoch ein geringeres Währungsrisiko mit sich bringen. Allerdings müssen Anleger auch bei harten Devisenanleihen selektiv vorgehen. Insbesondere sollten Anleger auf das Laufzeitrisiko achten. Während sich die Marktstimmung in diesem Jahr hinsichtlich der Zinserwartungen deutlich verschlechtert hat, glauben wir, dass wir möglicherweise kurz vor einem Wendepunkt stehen. Wenn die Anleger beginnen, ihren Berechnungen auch nur geringfügig höhere Zinssätze zugrunde zu legen, könnten Anlagen mit einer kürzeren Laufzeit - insbesondere Unternehmensanleihen - 2019 tatsächlich die attraktivste Möglichkeit in den Schwellenländern darstellen.  

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass es angesichts der derzeitigen Situation für die Märkte in den Schwellenländern, die sich seit 2018 deutlich verbessert hat, viel Grund zu Optimismus gibt. Allerdings bleiben eine sorgfältige Auswahl der Wertpapiere, ein aktives Management und die Risikominderung von größter Bedeutung. 

Dr. Ricardo Adrogué, Leiter Emerging Marktes Debt, Barings

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