Hier sind einige unserer Erkenntnisse:
Politik: Im Laufe der Woche hörten wir immer wieder, dass wichtige Mitglieder des Wirtschaftsteams von AMLO – denen die bedeutenden Auswirkungen ihrer Politik für das Land durchaus bewusst sind – in Teilen der Regierung noch immer von veralteten Ideologien ausgebremst werden. Unklar ist allerdings, wer genau die Entscheidungsträger sind, insbesondere da sich AMLO offenbar hauptsächlich durch seinen inneren Führungskreis, unter anderem seine Ehefrau, seinen Sohn und seinen Außenminister, beraten lässt. Da eine derartige Regierungsweise langfristig nicht haltbar sein kann, wird dies im kommenden Jahr möglicherweise für einige einschneidende Umbesetzungen im Kabinett von AMLO sorgen.
Das Vertrauen der Verbraucher ist ungebrochen… AMLO steht nach wie vor in hohem Ansehen bei den Wählern, die höhere Sozialausgaben von ihm erwarten. Bei guter Auftragslage erholten sich die Umsätze des Einzelhandels im Januar und Februar, wobei die verkaufsseitigen Wirtschaftsexperten des Landes ein Konsumwachstum von 1,5 bis 2 % für das Jahr 2019 prognostizierten. Die Löhne dürften daher weiter steigen und zur Stabilität des privaten Sektors beitragen.
Das Geschäftsklima befindet sich allerdings auf einem niedrigen Niveau … Für den Unternehmenssektor gibt es nach wie vor viele unbekannte Faktoren. Offenbar hat die Regierung noch mit einigen Anlaufschwierigkeiten, beispielsweise bei der zeitnahen Besetzung offener Stellen, zu kämpfen. Während unseres Aufenthalts im Land hörten wir immer wieder von Verzögerungen bei Genehmigungen für diverse Projekte und der nach wie vor ungeklärten, effektiven Finanzierung der Sozialprogramme durch die Regierung. Zudem drohen angekündigte Streiks, da gewerkschaftlich organisierte Arbeiter höhere Löhne fordern.
Positiv ist zu vermerken, dass sich die Beziehungen zwischen AMLO und dem privaten Sektor zu verbessern scheinen, was günstige Auswirkungen auf das Geschäftsklima und das Vertrauen der Unternehmen haben dürfte. Bei unseren Gesprächen hörten wir immer wieder, dass AMLOs anfängliche Angriffe auf die Banken, den Bergbausektor, die Industrie und die Medien Teil seiner Verhandlungstaktik waren – vergleichbar mit einigen von Präsident Trump eingesetzten Taktiken.
Es heißt, AMLO habe sogar wichtige Wirtschaftsführer gebeten, ihm bei der Umsetzung seiner Sozialprogramme zu helfen:
Die Banken wurden aufgefordert, ihre Präsenz in den unteren/informellen Schichten der Wirtschaft zu verstärken, um die Steuerbasis zu verbessern und die Korruption (durch eine reduzierte Bargeldnutzung innerhalb der Wirtschaft) zu bekämpfen. Die meisten Banken geben im Vergleich zu 2018 zurückhaltende Prognosen für 2019 und erwarten ein Kreditwachstum im mittleren bis oberen einstelligen Bereich. Bei einer erwarteten Inflation von 3,5 % – 4 % wird sich das voraussichtliche Kreditwachstum jedoch noch in einem akzeptablen Rahmen bewegen. Abgesehen von Bancomext, konzentrieren sich die Banken in erster Linie auf den privaten Sektor – insbesondere auf persönliche Kredite, Hypotheken und Autokredite, da 2019 wenig Bedarf für die Finanzierung von Firmenkunden bestehen dürfte. Daher ist kurzfristig von AMLO wohl keine Senkung der Bankgebühren und keine Zinsdeckelung seitens der Zentralbank zu erwarten.
Im Rahmen der Sozialprogramme von AMLO wurden die Bergbau-Unternehmen aufgefordert, in den örtlichen Kommunen mehr soziale Verantwortung zu übernehmen. Die Unternehmensführer erwarten, trotz des anfänglich großen Wirbels in dieser Frage, offenbar keine regulatorischen Änderungen für den Sektor.
Die industriellen Mischkonzerne wurden aufgefordert, in Sachen Pemex und im Kampf gegen Erdöl-Diebstahl Unterstützung zu leisten. Insgesamt sind die Erwartungen der inländischen Unternehmen in diesem Bereich gedämpft, was jedoch teilweise durch Geschäfte außerhalb von Mexiko ausgeglichen werden kann, obwohl einige Unternehmen in der Eurozone mit Gegenwind zu kämpfen haben.
Der Verbrauchersektor scheint zu den wirtschaftlichen Lichtblicken zu zählen, wobei die meisten Emittenten ein Volumenwachstum im unteren einstelligen Bereich sowie einige Preiserhöhungen aufgrund der erwähnten Inflationsrate erwarten. Für die zweite Hälfte des Jahres 2019 erwarten Anbieter preisgünstiger Verbrauchsgüter, von den Auswirkungen der Sozialprogramme und den gestiegenen Reallöhnen profitieren zu können.
Führungskräfte im TMT-Sektor erkennen eine positive Veränderung der regulatorischen Haltung, die ihnen Rückenwind geben könnte. Die Regierung unterstützt diesen Sektor und ist bestrebt, die Durchdringungsraten mit verstärkten Investitionen in die Netzwerke erhöhen.
Insgesamt scheint es AMLO zu gelingen, die Geschäftswelt zur Unterstützung seiner Pläne auf seine Seite zu ziehen. Die Unternehmen werden eine entscheidende Rolle bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der dadurch bedingten Erweiterung der Steuerbasis spielen.
Weitere Erkenntnisse:
FX: Zahlreiche Parteien ließen uns wissen, dass ihrer Ansicht nach die bevorstehende Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada (USMCA) höchstwahrscheinlich zu einer Volatilität auf dem FX-Markt führen wird. Dem kürzlichen inoffiziellen Besuch von Jared Kushner in Mexiko wird große Bedeutung beigemessen. Allgemein geht man einvernehmlich von einem Kurs des mexikanischen Pesos zwischen 19 und 21,3 (Pesos/US-Dollar) zum Ende des Jahre 2019 aus.
Währungspolitik: In der Geschäftswelt wird allgemein die Ansicht vertreten, dass die Banxico ihre Zinssätze (derzeit 8,25 %) vorläufig wohl nicht senken wird, da sie sich für eine potenzielle Volatilität Ende 2019 noch wappnen will. Der durch die Benzinpreiserhöhungen des Jahres 2017 bedingte Höhepunkt der Inflation von 2018 ist mittlerweile überschritten. In den letzten Monaten lag die Kerninflation stabil bei 3,6 %. Eine Senkung der Zinssätze um 25 – 75 Basispunkte steht für Ende 2019 zu erwarten.
Fiskalpolitik: Einigkeit scheint darüber zu bestehen, dass AMLO die erforderlichen Maßnahmen für die Beibehaltung der fiskalischen Disziplin ergreifen und versuchen wird, das anvisierte Ziel eines Primärüberschusses von 1 % zu erreichen. Doch bereits ein Überschuss von weniger als 0,5 % ließe sich als ordentliches Ergebnis dieser Regierung verbuchen, wenn gute Gründe hierfür vorliegen (sowohl Moody’s als auch S&P haben ebenfalls darauf hingewiesen). Der Wunsch nach fiskalischer Disziplin kam auch in den während unserer Reise angekündigten Stellenkürzungen als Reaktion auf niedrigere Einnahmen zum Ausdruck. Hinsichtlich der Verwendung des Stabilisierungsfonds und angesichts der Zwischenwahlen im Jahr 2021 erwarten wir, dass sich AMLO in den ersten drei Jahren seiner Regierung vermutlich auf „hochprofilierte” Projekte konzentrieren wird, auf die er dann bei seiner Wahlkampagne für 2021 zurückgreifen kann. Um das zu erreichen, wird er voraussichtlich zu seinem Versprechen stehen, Pemex aus der Krise zu führen, und die Fiskalreform daher eher früher als später in Angriff nehmen.
Für Pemex wird eine klare Strategie benötigt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass vor der Veröffentlichung des neuen Geschäftsplans im April/Mai eine Lösung möglich sein wird. Die Probleme des Unternehmens liegen ebenso wie die optimale Lösung (nämlich eine Senkung der steuerlichen Belastung für Pemex) klar auf der Hand. Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese Lösung ohne Risiko für den Staat realisiert werden soll. Die Rating-Agenturen scheinen eine flexiblere Haltung hinsichtlich einer leichten Erhöhung der Schuldenquote zur Rettung von Pemex zu vertreten. Das gilt allerdings nur, wenn ein nachhaltiger und langfristig tragbarer Geschäftsplan vorgelegt wird. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Herabstufung von Pemex ohne eine gleichzeitige Auswirkung auf den Staat erfolgen könnte. Jede Rating-Entscheidung wird unserer Ansicht nach im Tandem erfolgen.
Worauf läuft all dies hinaus? Wir glauben, dass die meisten mexikanischen Unternehmen 2019 vermutlich auf der Stelle treten werden. Die Prognosen der Unternehmen, mit denen wir während unserer Reise gesprochen haben, waren relativ zurückhaltend, allerdings auch mit einer gewissen Erwartung verbunden, dass die Geldmittel aus den Sozialprogrammen in der zweiten Jahreshälfte bei einigen Sektoren zu einem leichten Aufschwung führen könnten. Positiv ist zu vermerken, dass sich die Unternehmen nicht stärker verschulden werden und ihre Fundamentaldaten daher insgesamt stabil bleiben dürften. Bei unseren Strategien für EM-Unternehmensschuldtitel erzielen wir Gewinne durch unsere selektive Vorgehensweise bei Positionen, die in den vergangenen Monaten eine überdurchschnittliche Performance gezeigt haben und suchen nach Gelegenheiten für den Erwerb vielversprechender Positionen während der Schwächephasen des Marktes. Dies gilt insbesondere dann, wenn wir infolge der USMCA-Ratifizierung oder des Geschäftsplans von Pemex eine steigende Volatilität feststellen oder wenn die US-amerikanische Wirtschaft Anzeichen von Schwäche zeigt.
Wenn Sie noch mehr über unsere Einschätzungen zu Mexiko und Pemex erfahren möchten, können Sie sich die neueste Ausgabe unseres „Streaming Income“-Podcasts anhören, in der wir das Thema ausführlich besprechen.
Omotunde Lawal, Leiterin der Abteilung EM Corporate Debt, Barings