„Es gibt eine Reihe von Schlüsselfaktoren, die den asiatischen Aktienmarkt aktuell antreiben. Zum einen haben, nach den Wiedereröffnungsinitiativen der westlichen Länder, im ersten Quartal dieses Jahres auch mehrere Volkswirtschaften in Asien ihre Grenzen wieder geöffnet – und infolgedessen begannen sich die inländischen Aktivitäten und die Zahl der internationalen Reisenden zu erholen. Andererseits setzt China, Asiens größtes Touristen- Herkunftsland, weiterhin auf eine “Null-Toleranz“-Politik bei COVID-19, was die ohnehin schon fragile globale Lieferkette weiter beeinträchtigen dürfte. Letztendlich wird die Pandemie allmählich abflauen, da mRNA-Impfstoffe und orale Medikamente in China in ausreichendem Maße eingeführt werden, doch das wird noch einige Zeit dauern. Wir gehen davon aus, dass die unterschiedlichen Ansätze zur Bewältigung von COVID-19 in den kommenden Monaten zu einem differenzierenden Faktor für das Wirtschaftswachstum in der Region werden.
Überdies wird erwartet, dass die Politik der wichtigsten Zentralbanken in diesem Jahr divergieren wird, wobei die US-Notenbank (Fed) eine restriktive Haltung einnimmt und die People's Bank of China zurückhaltend bleibt. Während die Aussichten für einen starken US-Dollar den Aktien der Schwellenländer viel Gegenwind beschert, könnten die restriktivere Politik Chinas und die besseren Leistungsbilanzsalden der asiatischen Länder dazu beitragen, einen Teil der negativen Auswirkungen abzufedern. In der Zwischenzeit hat der Krieg in der Ukraine die Rohstoffpreise, zusätzlich zur weltweiten Erholung von der Pandemie, weiter in die Höhe getrieben. Das Ausbleiben einer klaren diplomatischen Lösung könnte zu längeren Unterbrechungen der vorgelagerten Rohstoffversorgung und zu Problemen in der gesamten globalen Lieferkette führen.
Ein zuversichtlicher Ausblick
Insgesamt bleiben wir für asiatische Aktien zuversichtlich und erwarten, dass die Renditen von einem ordentlichen Wachstum der Unternehmensgewinne angetrieben werden – wenn auch langsamer als im Jahr 2021, insbesondere nach der Bewertungskorrektur im vergangenen Jahr. In China führen die regulatorischen Maßnahmen seit Ende 2020 sowie die jüngsten Lockdowns zu weiteren unterstützenden Maßnahmen in diesem Jahr: Insbesondere werden geldpolitische Maßnahmen wie die Senkung des Mindestreservesatzes und/oder Zinssenkungen sowie fiskalpolitische Maßnahmen wie die Lockerung des Immobilienmarktes und der Infrastrukturausgaben allgemein erwartet, damit China sein BIP-Wachstumsziel von rund 5,5 Prozent für 2022 erreichen kann. Unseres Erachtens
sind die chinesischen Aktienmärkte derzeit attraktiv bewertet, vorausgesetzt, es gibt konkrete Katalysatoren für die breitere wirtschaftliche Erholung. In Korea sind der neu gewählte Präsident Yoon Suk-yeol und seine Regierung für ihre “wachstumsfreundliche“ Haltung bekannt. Wir glauben, dass seine Wahl zu einer Lockerung der Vorschriften für den Immobilien-, Internet- und des Finanzsektor sowie zu einer unternehmensfreundlichen Politik führen könnte.
Auch andernorts könnte das Wirtschaftswachstum der ASEAN-Staaten im Jahr 2022 andere Weltregionen übertreffen - vor allem angesichts der Tatsache, dass sie ihre Grenzen wieder öffnen. Gleichzeitig sind eine Reihe von ASEAN-Ländern, die von Natur aus über wichtige Rohstoffe verfügen, gut positioniert, um dem jahrzehntelangen Megatrend, dem Übergang zur Kohlenstoffneutralität, zu begegnen. Die voraussichtlich langanhaltende Nachfrage nach Rohstoffen wie Nickel und Kupfer bietet diesen Ländern längerfristig strukturelle Wachstumschancen.
Wo überzeugende Chancen liegen
Die Eskalation in Osteuropa und die Maßnahmen gegen COVID-19 in den großen Städten in China haben in letzter Zeit die Schlagzeilen beherrscht, ebenso wie der starke Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise aufgrund von Unterbrechungen der Lieferkette, was die ohnehin schon schlechte Inflationssituation noch verschlimmert – insbesondere für die entwickelten Märkte, die stärker unter Druck geraten sind.
Einige asiatische Volkswirtschaften, insbesondere in der ASEAN-Region, werden diesem Inflationsdruck wahrscheinlich besser standhalten können. Rohstoffexportierende Länder wie Indonesien und Malaysia etwa sind in der Lage, den Inflationsdruck durch Subventionen abzumildern. Gleichzeitig wird in einer Reihe von ASEAN-Volkswirtschaften die Wiedereröffnung fortgesetzt, so dass die Arbeitsbedingungen nicht so angespannt sind wie anderswo. Während die Auswirkungen der Inflation auf die Nachfrage beobachtet werden müssen, gehen wir davon aus, dass die mittel- bis längerfristigen Aussichten für asiatische Aktien attraktiv bleiben, da die Region durch strukturelles Wachstumspotenzial und demografische Vorteile unterstützt wird.
Vor dem aktuellen Hintergrund sehen wir weiterhin Chancen bei asiatischen Unternehmen, die von langfristigen Wachstumsthemen wie der technologischen Allgegenwart (Digitalisierung und Konnektivität), dem sich wandelnden Lebensstil und gesellschaftlichen Werten (Nachhaltigkeit, Konsumtrends der Millennials/Gen Z, Gesund Leben) und der De-Globalisierung (Diversifizierung der Lieferkette und Re-Shoring) profitieren. Wir glauben, dass die jüngsten Aktienkurskorrekturen bei einigen Unternehmen die Bewertungen attraktiver gemacht und somit Möglichkeiten geschaffen haben, um Positionen in starken Unternehmen zu attraktiven Preisen aufzubauen.
Grundsätzlich bleibt unsere Growth-at-a-Reasonable-Price (GARP) Anlagephilosophie gültig. Auf der Ebene der Aktienauswahl hilft uns dieser Ansatz, eine Überzahlung für das Wachstum eines Unternehmens zu vermeiden, während er auf der Ebene der Portfoliokonstruktion dazu beiträgt, das Engagement in unbeabsichtigten Stilen oder Risiken zu begrenzen.“
SooHai Lim, Head of Asia ex-China Equities beim Investmentmanager Barings