Können die Märkte von hier aus steigen?
Die weltweite Inflation scheint endlich ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Wenn es nicht zu einem weiteren unerwarteten Schock kommt, dürften die Energie-, Lebensmittel- und Rohstoffpreise im Zuge der Abkühlung der Nachfrage und der Normalisierung des Angebots allesamt sinken. Zum Glück können wir alle aufhören, über eine Rückkehr zur Volcker-Ära mit zweistelligen Arbeitslosenquoten und Hypothekarzinsen zu spekulieren.
Aber wo werden die Anleger angesichts der gesunden Aufwärtsbewegung an den Risikomärkten seit Mitte Juni die nächsten guten Nachrichten finden?
Es ist möglich, dass die drohende Energiekrise in Europa nicht ganz so schlimm ist, wie derzeit prognostiziert. Nur wenige werden mit einem schnellen Frieden in der Ukraine oder einem plötzlichen Sinneswandel im Kreml rechnen, der die Gaspipelines bedingungslos öffnet. Dennoch könnte die Kombination aus milderem Winterwetter, vernünftigen Sparmassnahmen und wachsenden Importen Europa in die Lage versetzen, einer tiefen Rezession zu entgehen.
Es ist möglich, dass es China mit dem nahenden Winter gelingt, erhebliche neue COVID-Sperren zu vermeiden, dass die durch die Dürre ausgelöste Energieknappheit ein Ende hat und dass es der Regierung gelingt, den Immobiliensektor endlich zu stabilisieren. All dies scheint heute weit hergeholt zu sein. Vielleicht bringt der bevorstehende 20. Nationale Parteitag einige neue Initiativen, die das Wachstum im nächsten Jahr ankurbeln könnten, aber auch dies bleibt mehr Hoffnung als Investitionsanalyse.
Es ist möglich, dass der US-Verbraucher wieder einmal die Erwartungen erfüllt und trotz steigender Zinssätze weiterhin Geld ausgibt. Der Immobilienmarkt hat erste Risse bekommen, und Haushalte mit geringem Einkommen haben Schwierigkeiten, ihre Kredite zu bedienen, aber die Einzelhändler melden weiterhin allgemein gute Ergebnisse, und die Löhne könnten sich als stabil erweisen, selbst wenn die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
In der Tat ist inmitten der düsteren Nachrichtenflut des Spätsommers die vielleicht plausibelste positive Überraschung, dass die gute Laune eines Weihnachtsgeschäfts, das nicht durch COVID-Varianten getrübt wird, den Märkten unerwartete Aufwärtsbewegungen bescheren könnte. Das ist zwar keine felsenfeste Prognose, aber da die Tage in der nördlichen Hemisphäre kürzer und kühler werden, weiss man nicht, wo man sonst noch hinschauen soll.
Christopher Smart, Chief Global Strategist von Barings und Leiter des Barings Investment Institute