Die Zinserhöhung der EZB um 0,5 % und die Pressekonferenz waren ein Nicht-Ereignis. In der derzeitigen angespannten Marktsituation ist dies ein Erfolg. Die Absage der am deutlichsten angekündigten 0,5 % Anhebung in der Geschichte der EZB hätte Angst seitens der Zentralbank vermittelt, ihre Durchführung bei gleichzeitiger Betonung der Solidität des europäischen Bankensektors hatte eine beruhigende Wirkung. Ein Beweis dafür ist, dass die Kurse von Staatsanleihen und Aktien des Euroraums stärker von Nachrichten über die Credit Suisse und eine andere angeschlagene US-Regionalbank beeinflusst wurden als von irgendwelchen Sprüchen aus Frankfurt. Keine Nachrichten sind gute Nachrichten.
Blickt man jedoch über den aktuellen Nebel der Bankenspannungen hinaus, kann man einen Blick in eine unangenehme Zukunft erhaschen. Der letzte Monat hat der EZB mehr Gründe geliefert, die Zinsen zu erhöhen und sie länger hoch zu halten. Die Wirtschaftstätigkeit und die Kerninflation überraschten weiterhin positiv, und die EZB hob ihre Prognose für die Kerninflation im Jahr 2023 erneut an, und zwar von 4,3 % auf 4,6 %. Auch das Wachstum wurde für dieses Jahr auf 1 % angehoben. Eine Rezession wurde vollständig ausgeschlossen.
Wer glaubt, dass sich die Bankenprobleme nicht zu etwas Schlimmerem für Europa entwickeln werden, muss sich darauf einstellen, dass die Zinssätze der EZB deutlich über dem liegen werden, was die Märkte derzeit einpreisen. Präsidentin Lagarde erklärte, dass die Projektionen vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank erstellt wurden, so dass sie mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind. Bezeichnenderweise sagte sie auch, dass, sollten sich die Basisprojektionen bewahrheiten, noch viel zu tun ist, um die Inflation wieder auf ein wünschenswertes Niveau zu bringen. Dies bedeutet, dass eine letzte Anhebung um 0,25 % wahrscheinlich nicht ausreichen wird, um das Ziel zu erreichen. Da die Märkte derzeit nur das erwarten, scheint die Zukunft entweder eine Bankenkrise oder einen grossen Schock für die EZB-Zinsen bereitzuhalten. Beides ziemlich unangenehm.
Matteo Cominetta, Head Macroeconomic Research des Barings Investment Institute