Research-Studie: Streik und Konjunktur - harmlos oder brandgefährlich?
‡Normalerweise bleiben Streiks für die Konjunktur unter der Wahrnehmungsschwelle. Hierfür sind Ausweichmechanismen, Nachholeffekte und die meistens begrenzte Bedeutung von Streiks verantwortlich.
‡Der neuerliche, lange Bahnstreik wird allerdings die Produktionstätigkeit zumindest temporär beeinträchtigen, denn effiziente Produktionsketten können durch den Ausfall von Basis-Infrastrukturleistungen gestört werden und flächendeckende Wirkungen entfalten. Sollte der Streik etwa in die Verlängerung gehen, sind Abwärtsrevisionen bei der deutschen Konjunkturprognose für das zweite Quartal im Bereich von einem oder zwei Zehntel Prozentpunkten wahrscheinlich.
‡An den Finanzmärkten kann ein solches Streikereignis mit fortlaufender Dauer zu einer vorübergehenden Belastung werden. Solche „schlechte Stimmung“ an den Aktienmärkten würde jedoch nur kurz die Börse beeinflussen, da hier die wesentlichen Treiber in der europäischen Konjunkturentwicklung liegen.
‡Während die kurzfristigen Folgen gesamtwirtschaftlich wenig durchschlagen, weil Produktionsausfälle in Teilen nachgeholt werden, könnte der Standort Deutschland auf längere Sicht Schaden nehmen, wenn ein stärker konfliktorientierter Kurs der Tarifvertragsparteien Schule machen und das erprobte Konsensmodell unter den Tarifparteien erodieren sollte. Angesichts einer guten gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und relativ geringer Arbeitslosenzahlen ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch andere Gewerkschaften einen aggressiveren Kurs an den Tag legen, um ihre Mitglieder stärker an dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum zu beteiligen. Sollte ein verstärkter Wettbewerb von Gewerkschaften zu einer stärker konfliktären Wahrnehmung der Arbeitnehmerrechte führen, könnten dauerhaft stärkere Lohnsteigerungen die Folge sein. Das würde den Konsum in Deutschland für die kommenden Jahre weiter beflügeln. Langfristig würde sich jedoch die Standortqualität Deutschlands verschlechtern.