Nachhaltigkeit hält weiterhin Einzug in die globale Kapitalanlage. Nach Zahlen der Global Sustainable Investment Alliance ist das nachhaltig investierte Vermögen weltweit von Anfang 2016 bis Anfang 2018 auf US-Dollar-Basis um 34 Prozent gestiegen. „Der allgemeine Trend zu nachhaltigen Anlagen hat einen selbstverstärkenden Nebeneffekt: Traditionelle Anlagen werden tendenziell entsprechend weniger nachgefragt, was auf den Preis drückt. In der Folge ist seit einiger Zeit bei diversifizierten nachhaltigen Anlagen bei nahezu unverändertem Risiko eine etwas bessere Performance zu beobachten“, sagt Karsten Güttler.
Institutionelle Investoren nutzen ESG als Risikomanagement-Tool
Treiber der Entwicklung sind die institutionellen Investoren, die etwa 80 Prozent der globalen Vermögenswerte kontrollieren. Solche Großinvestoren wie Versicherungen oder Pensionskassen agieren langfristig und treffen ihre Entscheidungen auf Basis von Rendite- und Risikoaspekten sowie regulatorischen Vorgaben. Weltweit beziehen bereits 78 Prozent der institutionellen Investoren Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien (ESG- Kriterien) in ihren Anlageprozess ein, wie eine Umfrage von UBS AM und Responsible Investor zeigt. „Bei Privatanlegern ist das Thema Nachhaltigkeit gerade erst dabei, bedeutsam zu werden“, so Güttler. Sie sind näher am Puls der öffentlichen Meinung und handeln entsprechend. Mit nachhaltiger Geldanlage wollen sie vor allem ihre Werte und individuellen Überzeugungen auch im finanziellen Bereich abbilden.
Die unterschiedliche Motivation schlägt sich auch im Investitionsverhalten nieder. „Privatinvestoren wollen vor allem ihre persönlichen Präferenzen umsetzen und neigen zu thematischen oder multi-thematischen Ansätzen. Viele institutionelle Investoren hingegen ergänzen ihre klassischen finanziellen Faktoren im Bewertungsprozess um ESG-Kriterien und nutzen diese letztlich als zusätzliches, langfristig orientiertes Risikomanagement-Tool“, erklärt Güttler.
ESG ist ein Rahmenwerk für die Analyse, SDGs dienen eher der Kommunikation
Zwar gibt es nach wie vor keine einheitliche Definition von Nachhaltigkeit. Die drei Bereiche E, S und G haben sich jedoch etabliert und bilden ein Analyse-Rahmenwerk, um Nachhaltigkeit bewertbar zu machen. Dieses Rahmenwerk wird sehr unterschiedlich angewendet. „Ein Beispiel ist die bei institutionellen Investoren verbreitete Integration von ESG-Kriterien in der Investmentanalyse. Ein Ansatz, der in absoluten Zahlen künftig am stärksten wachsen dürfte“, blickt Güttler voraus.
Beim prozentualen Wachstum hingegen dürfte das Impact Investing mit auf den Spitzenplätzen liegen. Bei diesem wirkungsorientierten Ansatz wird versucht, innerhalb des ESG-Rahmenwerks neben der finanziellen Performance ein bestimmtes gesellschaftliches Ziel explizit messbar zu erreichen, etwa eine sichere Ernährung oder Bildung. Das Kapital folgt dieser Zielsetzung und wird gezielt in Anlagen investiert, die dem gewählten Parameter entsprechen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Messung der gesellschaftlichen Wirkung der nachhaltigen Investments zunehmend an Bedeutung. Um diese für Investoren möglichst anschaulich aufzubereiten, nutzen immer mehr Investmenthäuser die von den Vereinten Nationen entwickelten 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung. „Diese Sustainability Development Goals, kurz SDGs, eignen sich hervorragend als ein Kommunikations-Rahmenwerk, das dabei hilft, die Wirkung von nachhaltigem Investieren greifbarer darzustellen“, meint Güttler und ergänzt: „Als Grundlage und zur Steuerung einer konkreten Anlagestrategie eignen sie sich im Gegensatz zum ESG-Rahmenwerk jedoch mit wenigen Ausnahmen eher nicht.“
Nachhaltige Geldanlage wird professioneller und einfacher
Zusammengefasst sieht Güttler drei große Trends in der nachhaltigen Kapitalanlage. Der erste ist die Professionalisierung. „Mittlerweile enthalten nahezu alle Ausschreibungen im institutionellen Bereich umfangreiche Fragen zur Nachhaltigkeit. Dabei geht es insbesondere um die Prozesse und Ressourcen des Asset Managers, um die Einbindung von Nachhaltigkeit in den Investmentprozess zu erreichen, aber auch um die eigenen, proprietären Ressourcen für die ESG-Analyse“ erklärt Güttler. Auch im Privatanlegerbereich steigen die Ansprüche. Im Rahmen des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ist zukünftig die Einbindung der Nachhaltigkeitspräferenzen in den Beratungsprozess festgeschrieben. Private Anleger müssen künftig nicht nur unter anderem zu ihrer Risikotoleranz befragt werden, sondern auch, ob sie eine nachhaltige Anlage bevorzugen.
„Weiterhin dürfte systematisches Nachhaltigkeits-Reporting zum Standard werden. Hier werden insbesondere die SDGs, Ausschlüsse, ESG-Ratings und der klimaorientierte CO2-Fußabdruck eine Rolle spielen“, prognostiziert Güttler.
Als zweite große Entwicklung erwartet er einen Trend zur Simplifizierung; die Verwendung einer einheitlichen Terminologie. Hilfestellung dürfte hier unter anderem die Taxonomie leisten, die im Rahmen des EU-Aktionsplans erstellt wird.
Zu guter Letzt hält Güttler eine Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsmethodik für erforderlich, um Portfolios vollumfänglich aus Nachhaltigkeitssicht bewerten zu können. „Bislang ist vor allem der Aktienbereich gut abgedeckt, ebenso Unternehmensanleihen. Die Analyse von Staaten als Anleiheemittenten ist aber noch verbesserungsbedürftig“, schränkt Güttler ein. Für andere Anlageklassen wie Immobilien und Infrastruktur sieht er erste gute Ansätze. Für Rohstoffe und Derivate muss noch eine Methodik entwickelt werden.