Zunächst die schlechten Nachrichten: Sowohl globale Aktien als auch globale Staats- und Unternehmensanleihen mussten in den ersten drei Quartalen 2022 herbe Verluste einstecken. Die negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen, die über die vergangenen 25 Jahre weitgehend bestanden und die Portfoliokonstruktion vereinfacht hat, ist nicht mehr gegeben. Das hat auch Auswirkungen auf die traditionellen 60-40-Portfolios, die zu 60 Prozent aus US-Aktien und zu 40 Prozent aus US-Staatsanleihen bestehen. „Bis Mitte Oktober haben diese Portfolios in diesem Jahr knapp 20 Prozent verloren. Nur in drei Kalenderjahren war die Performance bislang schlechter – und die liegen alle über mehr als 80 Jahre zurück“, sagt Evan Brown, Leiter Multi-Asset Strategy bei UBS Asset Management (UBS-AM).
Verbesserte Bewertungen treiben Renditeerwartungen in die Höhe
Und nun zu den guten Nachrichten: „Wir sind der Ansicht, dass Inflation, Wachstum und geopolitische Faktoren, die 2022 für Unruhe an den Märkten gesorgt haben, das Belohnungspotenzial für mittel- und langfristige Investoren, die bereit sind diese Risiken zu tragen, erhöht haben“, so Brown. Klaus Zentner, Head Asset Management Austria bei UBS-AM, ergänzt: „Die nächsten Schritte der Zentralbanken werden darüber entscheiden, wie hoch die Inflation tatsächlich in den nächsten Jahren sein wird, oder aber ob es gelingt, sie wieder bei einem Wert von 2 bis 3 Prozent einzupendeln. Jetzt ist das Sentiment gefragt, wenn die richtige Geschwindigkeit gewählt wird, die Zinsen weiter anzuheben.“ Das Investmentumfeld ist jetzt deutlich besser als vor 12 bis 15 Monaten. Die Renditeerwartungen für die künftigen Jahre sind gestiegen. „In unserem Basisszenario erwarten wir für globale 60-40-Portfolios für die kommenden fünf Jahre jährliche Renditen von 7,2 Prozent und inflationsbereinigt von 4,4 Prozent. Im Juli 2021 lagen unsere Fünf-Jahres-Annahmen nur bei 3,3 Prozent und 1,2 Prozent realer Rendite“, sagt Brown.
So hoch wie jetzt waren die Erwartungen seit dem vierten Quartal 2018 nicht mehr. Haupttreiber sind die verbesserten Bewertungen der Wertpapiere. Diese sind bei Aktien, aber noch offensichtlicher bei Papieren mit Zinskupon, also Staats- und Unternehmensanleihen zu beobachten. Bessere Bewertungen sorgen bei gleichbleibender Einschätzung der künftigen Wirtschaftsaktivität automatisch für höhere Erwartungswerte.
„Auch für Deutschland haben die Wirtschaftsweisen jüngst eine bessere Prognose abgegeben, als die momentane Situation auf den Märkten vermuten lässt. Der Aktiensektor ist in seiner guten Bewertungsphase, gerade in den Bereichen Healthcare und Consumer Staples, aber hier zählt aktive Selektion. Zudem sehen wir für 2023 die Rückkehr für Fixed Income. Diese Anlageklasse wird seit mehr als zehn Jahren wieder an Fahrt gewinnen, vorausgesetzt es erfolgt ein aktives Durationsmanagement“, sagt Klaus Zentner.
Kurzfristig hohe Unsicherheiten
Allerdings sind die kurzfristigen gesamtwirtschaftlichen Aussichten mit hoher Unsicherheit belastet. „Auf Zwei-Jahres-Sicht sehen wir daher eine breite Spanne möglicher Ergebnisse“, räumt Brown ein. Bei überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum und mäßiger Inflation (Goldilocks-Szenario) oder erhöhter Inflation (Reflations-Szenario) könnten die realen Renditen für globale 60-40-Portfolios im hohen einstelligen Bereich liegen. Bei einer tiefen Rezession oder Stagflation hingegen dürften sie negativ ausfallen.