Angesichts der globalen experimentellen Geldpolitik sollte es nicht erstaunen, dass die Nerven in dieser Frage blank liegen. Monetisierung (USA), Abenomics (Japan), unsichere Einheitswährung (EU) – fast in allen entwickelten Volkswirtschaften wackelt das Vertrauen der Bürger in ihre Valuta. Selbst in der grundsoliden Schweiz hat die Nationalbank ihre Patina verloren. Kritische Stimmen vergleichen sie mit einem Hedge Fund und rührige Internet-Aktivisten fordern ihre Abschaffung (übrigens: die entsprechende Website zeigt Thomas Jordan mit einer roten Krawatte). Die SNB verzocke mit einer aufgeblasenen Bilanz das Volksvermögen. Der letztjährige Verlust von rund 12 Milliarden CHF gebe nur einen Vorgeschmack. Das Eigenkapital der SNB sei in akuter Gefahr und damit die Stabilität der Schweiz. Wirklich?
Zuerst der grobe Rahmen: Die SNB hat eine Bilanzsumme von rund 500 Milliarden Franken. Davon etwa 40 Milliarden CHF in Gold und 450 Milliarden Devisenreserven. Auf der Passivseite stehen Banknoten und diverse Verbindlichkeiten von 450 Milliarden und knapp 50 Milliarden an Eigenkapital (inklusive diverser Reserven). Eine Aufwertung des CHF um 11% würde demnach ceteris paribus das Eigenkapital ausradieren. Es ist darum nicht völlig absurd, angesichts dieser konzentrierten Währungsrisiken die Kapitaldecke als eher dünn zu bezeichnen. Die Debatte entbehrt trotzdem nicht einer gewissen Ironie, tönte es doch vor nicht allzu langer Zeit genau umgekehrt. 1999 hatte die SNB einen Goldbestand von rund 2600 Tonnen. Die unheilige Allianz von Rot (damals ohne Krawatte) und SVP hielten dies für völlig übertrieben, prognostizierte einen weiteren Rückgang des Goldpreises von damals 13 000 CHF pro kg und verknurrte die Nationalbank dazu, ihre Goldreserven zu halbieren. In den folgenden Jahren wurde das Tafelgold versilbert und als jährlicher Zustupf an Bund und Kantone verteilt. Hier ein Link auf die damalige Debatte. Machen wir nun eine kleine Milchbüchlein-Rechnung: Hätte die SNB die 1300 Tonnen Gold nicht verkauft (und den Erlös verteilt), dann wären diese heute rund 50 Milliarden Franken wert und das Eigenkapital entsprechend doppelt so hoch. Alleine mit dem Aufwertungsgewinn auf heute rund 36 500 CHF pro kg seit damals hätte man zweimal die Neat bauen oder 250 Gripen-Flugzeuge kaufen können.
Fundamentaler ist jedoch die Teilfrage, wie schlimm es denn wäre, wenn die SNB ihr Eigenkapital verliert. Versuchen wir eine Antwort anhand eines aktuellen Hypes – des Bitcoins. Der Preis dieser Internetwährung ist Ende 2013 explodiert und es gibt nun tatsächlich Enthusiasten, die im Bitcoin einen Anwärter für die Funktion der künftigen globalen Reservewährung sehen. Relevant für unsere Frage ist die Tatsache, dass hinter dem Bitcoin nicht nur kein Eigenkapital sondern überhaupt keine Reserven stehen. Bitcoins werden nämlich geschaffen, indem ein grosses Netzwerk von Computern höchst aufwendige, stromverzehrende und an sich vollkommen sinnlose Rechenaufgaben löst. Auf der Aktivseite der Bitcoin-Zentralbank steht folglich nichts ausser eine grosse Menge CO2 in der Erdatmosphäre. Es ist somit sinnlos, in der Preisentwicklung der letzten drei Monate eine spekulative Blase zu sehen, denn aus einer rein buchhalterischen Sicht ist bereits ein Rappen pro Bitcoin ein zu hoher Preis für heisse Luft. Dass der Bitcoin offensichtlich einen Wert hat liegt daran, dass gewisse wirtschaftliche Akteure das selbsterfüllende Vertrauen haben, dass der Bitcoin einen Wert habe. Dieses Vertrauen ist die Essenz jeder Fiat-Währung. Um eine echte Währung zu sein, müsste der Bitcoin aber zudem die drei Funktionen von Geld wahrnehmen. Hier liegt der Bitcoin gegenüber dem Franken meilenweit im Rückstand. Erstens ist der Bitcoin kein allgemein anerkanntes Zahlungsmittel. Bei meinem Dorfbeck erhalte ich für meinen Fünfer ein Weggli, aber wenn ich vorschlage, von meiner elektronischen Börse auf dem Smartphone den Betrag per Bitcoin zu begleichen, bleibt mein Frühstück in der metabolischen Balance. Die wenigen Läden, welche Bitcoins heute akzeptieren, machen dies mehr als Marketing-Gag. Zweitens ist der Bitcoin kein Wertaufbewahrungsmittel, denn wer würde schon sein Vermögen in ein so volatiles Konstrukt parkieren. Und drittens erfüllen Bitcoins nicht die Funktion als Rechnungseinheit – oder kennen Sie ein Unternehmen, das seine Buchhaltung in Bitcoins führt? Schlussfolgerung: Der Franken bleibt auch dann der Platzhirsch, wenn die Nationalbank einen riesigen Verlust auf der Bilanz einfahren sollte. Und solange das selbst-erfüllende Vertrauen in die Währung hält, gibt es auch keinen Grund zur Panik.