Viele Investoren erwarten mit Höchstspannung den kommenden Sonntag. Um 12 Uhr veröffentlicht die EZB die Ergebnisse zur Überprüfung der Bilanzen und des Stresstests, der die Bilanzen von rund 130 Finanzinstituten in der Eurozone auf ihre Widerstandskraft in Extremsituationen (Rezession, fallende Häuserpreise, Staatsschuldenkrise, etc.) prüft. Besteht eine Bank den Stresstest nicht, muss sie innerhalb von zwei Wochen erklären, wie sie bis Mitte 2015 zu neuem Kapital kommt. Ziel dieser Übung ist es, dass noch unentdeckte Risiken zum Vorschein kommen, bevor die EZB im November die Kontrolle der größten Institute der Euro-Zone übernimmt.
Naturgemäss analysieren oder spekulieren nun die Investoren und Medien, welche Banken sich noch zusätzliches Kapital verschaffen müssen und ob die Finanzmärkte noch bereit sind Banken Kapital zur Verfügung zu stellen, die durch den Stresstest gefallen sind. Wie stark die möglichen Turbulenzen an den Finanzmärkten tatsächlich werden, hängt davon ab, ob es negative Überraschungen geben wird. Böse Überraschungen kann es auch dann geben, wenn Unternehmen den Stresstest zwar bestehen, aber deutlich schlechter als erwartet. Im Stresstest müssen die Geldhäuser eine Kapitalquote von mindestens 5,5 Prozent erreichen.
Trotz aller noch bestehender Unsicherheiten stelle ich hier die Behauptung auf, dass der Stresstest abgesehen von einer erhöhten Nervosität in den ersten Tagen nach dem Stresstest bei wenigen Einzeltiteln nicht wirklich spannend sein kann.
Warum?
Weil die EZB gleichzeitig zwei diametral entgegengesetzte Erwartungen erfüllen muss: Zum einen soll der Stresstest glaubwürdig sein, was impliziert, dass einige Institute durchfallen werden. Andererseits darf er nicht zu extrem ausfallen, da niemandem gedient ist, wenn an den Finanzmärkten Panik entsteht. Letzteres ist wohl der relevante Punkt für Investoren.
Aus meiner Sicht ist es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass Banken, die bisher als solide finanziert gelten, den Stresstest nicht bestehen. Böse Überraschungen sind damit nicht zu erwarten. Welche Banken Probleme beim Stresstest haben könnten, dürfte weitgehend bekannt sein. Zu den üblichen Verdächtigen, die beim Stresstest durchfallen können, gehören zum Beispiel die deutsche Mittelstandsbank IKB, die HSH Nordbank oder das italienische Bankinstitut Monte dei Paschi di Siena sowie die griechischen Banken. Auf der Kippe ist die Situation bei der Commerzbank. Der Grossteil der Banken dürfte den Stresstest aber souverän passieren. Hinzu kommt dass der Stichtag für den Stresstest der 31.12.2013 ist und seither viele Banken bereits Massnahmen zur Verbesserung der Eigenkapitalbasis umgesetzt haben.
Für die Aktienkursentwicklung der europäischen Banken über die nächsten 12 Monate wird die Wirtschaftsentwicklung und die potentiellen Strafzahlungen bei den Investmentbanken wichtiger sein als die Ergebnisse des Stresstests der am Sonntag veröffentlicht wird, da es hier noch zu Überraschungen kommen kann, die bisher nicht im Aktienkurs reflektiert sind.
Nachdem ich mich nun hier mit der Aussage exponiert habe, dass der Stresstest kein überraschendes Ergebnis bringen kann, und damit eher langweilig sein wird, steigt nun bei mir die Spannung, ob ich Recht behalten werde.