Immer wieder kommt es zu Verstößen bei Unternehmen oder Ungleichbehandlungen verschiedener Anspruchsgruppen, zum Beispiel der Aktionäre eines börsennotierten Unternehmens. Exemplarisch steht dafür der "Fall Sika". Die Sika-Eigentümerfamilie sollte im Dezember 2014 für den Verkauf ihres Aktienpakets an die Saint-Gobain-Gruppe eine Übernahmeprämie von rund 80 Prozent erhalten. Die übrigen Aktionäre, darunter Kleinaktionäre und Pensionskassen, erhielten kein Angebot und gingen entsprechend leer aus. Obwohl Letztere im Besitz von 84 Prozent der ausstehenden Sika-Aktien waren.
"Doch es war die Familie, die die Mehrheit der Stimmrechte auf sich vereinte. Zwar war die Aktienstruktur von Sika im Prinzip jedem bekannt, doch welches Risiko die Struktur für die Rendite einer Investition beinhalten kann, war wohl von vielen verdrängt worden. Mit der Ungleichbehandlung der Aktionäre ist Sika allerdings kein Einzelfall. Auch Schindler, VW oder Ford kennen keine Einheitsaktie, bei der das Prinzip 'one share – one vote' gilt. Doch gerade hinsichtlich einer guten Corporate Governance sind solche Ungleichbehandlungen zu vermeiden, um die Interessen und Rechte verschiedener Anspruchsgruppen zu wahren", sagt Rocchino Contangelo, mitverantwortlicher Portfolio Manager der nachhaltigen Swisscanto-Fonds.
Corporate Governance ist wichtiger Teil der ESG-Analyse
Nicht zuletzt durch den "Fall Sika" rückte in jüngerer Vergangenheit das breit gefächerte Thema der guten Corporate Governance von Firmen und Institutionen wieder verstärkt ins Rampenlicht. "Auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsanalyse der Zürcher Kantonalbank (ZKB) für die nachhaltigen Swisscanto-Fonds sowie bei der fundamentalen Unternehmensanalyse im Asset Management werden neben sozialen und ökologischen Faktoren zahlreiche Kriterien der Corporate Governance analysiert", so Contangelo, der auch zuständig ist für das fundamentale Aktien-Research im Asset Management der ZKB.
Der Fokus liegt dabei auf der Struktur der Führungsorgane und der Ausschüsse (Unabhängigkeit des Verwaltungsrats vom Management, Integrität, Sitzungsverhalten), Aspekten der Entlohnung (Vergütungsbericht, Mitbestimmung der Aktionäre, Zielvereinbarungen, Branchenvergleich), den Aktionärsrechten (Aktionärsstruktur, Mitbestimmungsmöglichkeit) und auf der Methode der Buchführung und möglichen Indizien für Irregularitäten.Denn gemäß den Ausführungen von M.C. Atacik und M. Jarvis (2006) in "Better corporate governance: More value for everyone" hat sich empirisch gezeigt, dass eine als gut bewertete Corporate Governance bei einer börsennotierten Gesellschaft zu einer tendenziell höheren Unternehmensbewertung führt und dass die Kapitalkosten für das Unternehmen selbst sinken.
"Das Konzept der guten Corporate Governance ist somit nicht nur ein rein theoretisches Konstrukt, sondern eine Grundbedingung für die optimale Finanzierung eines Unternehmens. Neben diesen finanzmarkttechnischen Aspekten hat eine gute Unternehmensführung auch einen positiven Einfluss auf das Unternehmen, sei es intern durch motivierte, verantwortungsbewusste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder extern durch den fairen Umgang mit Kunden und Zulieferern beispielsweise. Aus unserer Sicht ist eine gute Corporate Governance die Grundlage für eine nachhaltige wirtschaftliche Unternehmensentwicklung", meint Contangelo abschließend.