Bei der spanischen TV-Gesellschaft Mediaset España sind die Werbeplätze wieder ausgebucht und auch die Preise für die Einschaltungen steigen. Dass die spanischen Unternehmen wieder in Werbung investieren, steigert die Zuversicht, dass die Ausgaben sich ebenfalls positiv entwickeln. Die europäische Wirtschaft beginnt sich vielerorts zu erholen. Insbesondere dem angeschlagenen Süden des Kontinents tut der wachsende Optimismus gut. "Die Dynamik hat viele Gesichter", sagt Birgitte Olsen, Lead-Portfoliomanagerin der Entrepreneur-Strategien bei Bellevue Asset Management. Familiengeführte Unternehmen sollten von diesem Trend besonders profitieren.
Konsument im Zentrum
Im Zentrum dieser Entwicklung steht der Konsument. Mit Hilfe seiner Ausgaben sollen die Wachstumsraten wieder in die Höhe schnellen. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Die Arbeitslosigkeit in Spanien sank in den letzten zwölf Monaten von 27.4% auf 22% und damit so stark wie in den letzten sieben Jahren nicht mehr. In Italien zeigt sich ein ähnliches Bild. Ein Arbeitsplatz erhöht nicht nur das reale Einkommen, sondern wirkt sich auch positiv auf die Stimmung aus. "Das Konsumentenvertrauen kommt von einem niedrigen Niveau, wächst aber schnell", sagt Olsen. Die Konsumenten sind wieder bereit, mehr auszugeben.
Das macht sich auch bei dem Familienunternehmen Marr bemerkbar. Italiens Marktführer im Bereich Nahrungsmittelservice liefert an seine 38 000 Kunden wie Restaurants oder Hotels wieder mehr aus. Die "Just in Time-Lieferungen" gehen zurück, die Lager und Kühlschränke werden wieder gefüllt. "Die Leute gehen wieder essen, das ist in Italien ein wichtiger Indikator für die Zuversicht", sagt Olsen.
Die Fondsmanagerin erwartet, "dass dem privaten Konsum Business-Investitionen folgen". Autovermieter wie Hertz oder Avis rechnen dank der steigenden Zahlen im Tourismus mit wachsendem Geschäft und erneuern bereits ihre Flotte. In Spanien sind Autos im Schnitt neun Jahre alt. Der Autoabsatz steigt 2015 um 25%.
Insgesamt haben sich in den Krisenjahren die Voraussetzungen für Investitionen verbessert. So hat Italien etwa den Arbeitsmarkt reformiert und den Schutz der zuvor vielfach unkündbaren Arbeitnehmer gelockert. Abgewanderte Investoren werden durch die Liberalisierungen wieder angelockt. Nach und nach kommt die italienische Schuhindustrie aus den Billiglohnländern zurück. "Made in Italy rechnet sich wieder", sagt Olsen. Das Thema "Reshoring" hilft dem Arbeitsmarkt auf die Beine.
Kreditzyklus an der Wende
Positiv wirkt sich die Entspannung auf den Kreditmärkten aus. Der Zugang zu Fremdkapital war für die Kunden der Familienunternehmen allerdings schwieriger als für diese selbst. Die Kreditvergabe, die sich trotz der massiven Interventionen der Notenbanken jahrelang nicht beleben wollte, kommt jetzt endlich in Bewegung. Die Geldmenge in der Europäischen Union expandiert um 10% pro Jahr. "Das ist ein sehr gutes Niveau. Der Kreditzyklus befindet sich an der Wende", weiss Olsen.
Unmittelbar treibt die wachsende Geldmenge die Geschäfte von Prosegur an. Das auf Sicherheitsdienstleistungen wie Geldtransporte fokussierte Familienunternehmen lieferte spanischen Banken zuletzt verstärkt 500-Euro-Noten ab. Das bedeutet nicht nur wachsende Umsätze für das lokale Unternehmen, sondern zeigt auch, dass sich der iberische Immobilienmarkt, wo Bargeld noch eine Rolle spielt, wiederbelebt.
Neben den Binnenmärkten entwickeln sich auch die Auslandsgeschäfte positiv. Das Umfeld für europäische Exporteure ist derzeit ideal. Neben den billigen Rohstoffen und den niedrigen Zinsen treibt der schwache Euro bzw. der starke US-Dollar die Gewinne deutlich an. Dieser Vorteil bleibt erhalten. Ein Ende der Euro-Schwäche ist zurzeit nicht in Sicht.
Europas Konjunkturlokomotive Deutschland hat eine Währung, die gemessen an der Stärke der Volkswirtschaft viel zu niedrig bewertet ist. Geht es Deutschland gut, profitiert auch der Rest Europas.
Billiger als die USA
Ein Schnäppchen sind europäische Aktien nach den Zuwächsen nicht mehr, sie sind aber auch noch nicht zu teuer. Das geglättete Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit 22 etwas über dem (auf das Jahr 1980 zurückgehenden) historischen Durchschnitt. Von den Niveaus jenseits der 30, die vor der Jahrtausendwende und 2007 erreicht wurden, ist man jedoch noch weit entfernt. Im Vergleich zu US-Werten sind die europäischen Titel sowohl gemessen am KGV als auch am Preis-Buchwert-Verhältnis um rund 25% niedriger bewertet.
Geringere Bewertungen erfolgen entweder durch fallende Kurse oder steigende Gewinne. Die Aussichten sind besonders für Letztere gut. Anders als in den USA, wo der Return on Investment und die Margen im Schnitt bereits sehr hoch sind, ist in Europa das Potenzial nach oben noch gross. Europa hinkt bei den Margen nicht nur dem eigenen historischen Durchschnitt und den USA, sondern auch den Emerging Markets, Grossbritannien und Japan hinterher. Besserung ist aber in Sicht. Im 1. Quartal ist die Gewinndynamik bereits gestiegen. "Die Voraussetzungen für europäische Aktien sind sehr gut", sagt Olsen.
Familienunternehmen sollten von einem Aufschwung besonders stark profitieren. Olsen: "Sie haben in der Krise auch noch das wenige Fett abgebaut und sind jetzt sehr schlank aufgestellt." So schlagen bereits leichte Umsatzsteigerungen stark auf die Gewinne durch. Während das eigentümergeführte Unternehmen Mediaset España den Umsatz im 1. Quartal um 10% steigerte, schoss das EBITDA gleich um 75% in die Höhe.
An Innovationskraft haben Familienunternehmen in der Krise nicht verloren. Sie halten überdurchschnittlich lange an ihren Mitarbeitern fest und müssen jetzt keinen "Brain-Drain" kompensieren. Während viele Mitbewerber bei der Forschung und Entwicklung kräftig kürzten, blieben die Budgets bei den Familienunternehmen dank der guten Kapitalbasis auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Zukäufe von kleineren Familienunternehmen und ihrem Know-how kamen noch dazu. Finanzierungen waren bei den Familienunternehmen anders als bei Mitbewerbern auch in der Krise selten ein Problem. Mit ihren geringen Schulden, ihrer finanziellen Unabhängigkeit und soliden Bilanzen kamen ihre Kreditanfragen bei den Banken immer gut an.
Fokus auf die Kleinen
Wer in Familienunternehmen investiert, kauft vor allem Small und Mid Caps. Die kleineren Unternehmen laufen dann besonders gut, wenn die Marktteilnehmer bereit sind, Risiken einzugehen. Das war im Vorjahr nur bedingt der Fall. 2014 waren vor allem grosskapitalisierte, defensive Dividendenpapiere gefragt. Diese sogenannten "Teddy-Bär-Aktien" haben auch professionellen Investoren das Gefühl von Geborgenheit vermittelt, solange das Wirtschaftswachstum spärlich ausfiel und die Zinsen ins Bodenlose sanken. Doch die Vorzeichen haben sich inzwischen geändert und Nebenwerte sollten wieder an ihren langfristigen positiven Trend anknüpfen können. Weltweite Large Caps legten in den vergangenen zehn Jahren um 46%zu, Mid Caps um 72% und Small Caps sogar um 83%. Mit ihrer Performance stechen Familienunternehmen heraus. Der in einer Studie von UBS Global Research unlängst publizierte UBS Family-Owned Index festigte sich in dieser Zeit sogar um 345%.
Ob die Investoren bereit sind, auf den europäischen Aktienmärkten Risiken einzugehen, hängt nicht zuletzt vom Sentiment rund um Griechenland ab. Doch während der Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone in der medialen Berichterstattung einen hohen Stellenwert hat, misst Bellevue-Expertin Olsen diesem Krisenherd weniger Bedeutung zu: "Griechenland beeinflusst die europäische Wirtschaft und die Börse nicht mehr wirklich. Hellenischen Turbulenzen werden das Projekt Europa nicht gefährden", sagt Olsen.