Goldgräberstimmung in der Diagnostik - eine Übersicht

Das Geschäft mit Gentests explodiert. Das Marktpotenzial ist groß. Experten überbieten sich mit ihren Prognosen: "Doch trotz aller Euphorie ist Vorsicht angebracht. Nur wenige Unternehmen sind im Kampf um Marktanteile richtig aufgestellt – Selektion ist angesagt. Einige Aktien haben stark korrigiert und bieten gute Einstiegskurse", erklären die Bellevue Fondsmanager Stefan Blum und Marcel Fritsch. Bellevue Asset Management | 07.12.2015 06:00 Uhr
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Stefan Blum
Stefan Blum
Der Einzug der Gensequenzierung in die klinische Diagnostik (Dx) lässt die Fantasie von Analysten aufblühen: Isaac Ro, Finanzanalyst bei Goldman Sachs, gehört noch zu den konservativen Experten. Für die Gensequenzierung und Bluttests, die invasive Gewebebiopsien ersetzen, rechnet er bereits in zehn Jahren mit einem US-Marktpotenzial von USD 14 Mrd. Manche Analysten prognostizieren sogar USD 20 Mrd.
Trotz aller Euphorie ist Vorsicht angebracht. Die Investitionsrisiken sind genauso gross wie das Marktpotenzial. Die Marktdurchdringung könnte länger dauern als gedacht. Durch die hohen Erwartungen sind Aktien der potenziellen Diagnostikanbieter und Zulieferer bereits hoch bewertet. Da einschneidende Neuerungen oft mehrere Anläufe bis zum Marktdurchbruch benötigen, ist das Risiko für Enttäuschungen gegeben. Anleger sollten bei der Wahl der Investments daher selektiv vorgehen. Die grössten Aussichten auf Erfolg haben finanzstarke, klinisch bestens vernetzte Unternehmen, deren Anwendungen technisch und kommerziell am einfachsten umzusetzen sind.

Mehrere Ansätze für Diagnostiktests

Die Chancen für Diagnostiktests sind besonders dort aussichtsreich, wo die bestehenden Testverfahren ungenügend sind und die Probengewinnung für Patienten hohe Risiken birgt. Das gilt etwa für die Früherkennung von Trisomie-21. Sequenzierbasierte nichtinvasive pränatale Tests (NIPT) dürften als standardisierte Testkits auf den Markt kommen und die invasive Fruchtwasseruntersuchung selbst im Normalrisikosegment komplett verdrängen. Grosses Potenzial bergen zudem Tests, die im Blutkreislauf DNA-Fragmente von absterbenden Krebszellen nachweisen. Die Tests übernehmen bei personalisierten Krebstherapien die Steuerung für die Medikamentenabgabe und verbessern den Behandlungserfolg entscheidend.

Aus Investorensicht stellt sich eine Frage, ob es einen anderen Gewinner geben kann als Illumina. Im Researchbereich hat der US-Konzern Marktanteile von über 80%. Zudem hat Illumina neben der Qualitäts- auch die Kostenführerschaft inne und ist damit im Rennen um sequenzierbasierte klinische Diagnostikanwendungen klar in der Pole Position. Wie wichtig die Kostenführerschaft ist, zeigt sich bei den NIPT-Tests, wo Marktanteile bereits über den Testpreis gewonnen werden. Bei Onkologietests wird der Testaufwand um ein Vielfaches höher sein. Neben dem Liquid-Biopsy-Bluttest wird auch krankes und gesundes Gewebe der Patienten sequenziert werden müssen, und dies 10- bis 100mal intensiver als bei konventionellen Anwendungen. Mit einem ausschliesslich sequenzierbasierten Forschungsbudget von fast USD 400 Mio. kann Illumina auch mit den Branchengrössen im Diagnostikbereich locker mithalten.

Roche Dx ist der Weltmarktführer

Der wichtigste Rivale ist Roche Diagnostics (Roche Dx). Der globale Diagnostikmarktführer versucht Illuminas Siegeszug zu durchkreuzen. Roche Dx hat das Marktpotenzial erkannt und investiert nach der gescheiterten Übernahme von Illumina einen Grossteil des jährlichen Forschungsbudgets von rund USD 1.1 Mrd. in den Aufbau einer sequenzierbasierten Diagnostik-Geschäftseinheit.

Marcel Fritsch
Marcel Fritsch
Rund USD 2 Mrd. wurden in Akquisitionen, Beteiligungen und Vertriebsrechte investiert und so ein Portfolio entlang der Wertschöpfungskette aufgebaut. Die prominentesten Aktivitäten sind die genia Sequenzierungstechnologie, exklusive Vertriebsrechte für Pacific Biosciences-Sequenziertechnologie in der Humandiagnostik sowie die Mehrheitsbeteiligung an Foundation Medicine, einem führenden Labordienstleister der personalisierten Behandlung von Krebspatienten. Die Roche-Gruppe ist der globale Marktführer bei Krebsmedikamenten und dadurch bestens mit den Anwendern vernetzt: Das erleichtert sowohl den Vertrieb als auch die Umsetzung der klinischen Studien. Die sequenzierbasierten Onkologietests werden die volle Kostenrückerstattung nur erhalten, wenn in langjährigen klinischen Studien nachgewiesen werden kann, dass die Tests bessere Behandlungsentscheide ermöglichen und den Behandlungserfolg steigern. Aber die Zeit drängt und Roche Dx hatte in der Vergangenheit Mühe, die Entwicklungszeiten einzuhalten. Roche Dx muss schnellstens ein integriertes sequenzierbasiertes Diagnostikangebot für den Onkologiebereich anbieten. Ansonsten wird sich Illumina wie bereits im Researchbereich als Goldstandard etablieren.

Qiagen könnte ein Übernahmekandidat werden

Als dritte Macht im Diagnostik-Geschäft wird Qiagen gehandelt. Die Komplettlösung mit Namen GeneReader NGS System wurde im November an einer Fachmesse vorgestellt. Sie soll durch einen hohen Automatisierungsgrad und Benutzerfreundlichkeit glänzen. Zur Zulassungsstrategie wurden keine Angaben gemacht und trotz integriertem Workflow ist das System keine Lösung für den Massenmarkt. Hinzu kommen das Technologierisiko, die fehlende kritische Grösse im Gensequenzierbereich sowie ein limitiertes Forschungsbudget. Andererseits wird Qiagen als Übernahmekandidat gesehen, was nicht überrascht, scheinen doch Siemens und Abbott Diagnostics die Entwicklung in der Gensequenzierung zu verschlafen und einen Substanzzufluss in der traditionellen Molekulardiagnostik gebrauchen zu können.

Gibt es im Diagnostika-Markt noch weitere Player?

Thermo Fisher Scientific hat mit seinen Ion-Sequenzierern ein Produktportfolio, das sich dank schnellen Testzeiten und geringen Probemengen besonders eignet für die klinische Diagnostik, und das Unternehmen verfügt über die kritische Grösse, um dieses Geschäftsfeld erfolgreich entwickeln zu können. Ein attraktives Risiko-/Renditeverhältnis versprechen die grossen US-Diagnostiklabordienstleister wie LabCorp und Quest Diagnostics. Sie decken mit den Standarddiagnostiktests ihre Fixkosten ab und erwirtschaften mit den komplexen molekularen Tests den Ertrag. Durch den erwarteten Boom der sequenzierbasierten Diagnostiktests dürften diese Unternehmen ein überproportionales Gewinnwachstum realisieren. Gleichzeitig vermeidet der Investor das Technologierisiko: Die Firmen wählen einfach die beste Lösung zum günstigsten Preis.

Die Zukunft der Diagnostik hat erst begonnen

Bei gesunden Menschen sollen neben dem individuellen Genprofil auch andere Diagnostikverfahren angewendet und das eigene Verhalten und Umwelteinflüsse kontinuierlich gemessen werden. Das Privatunternehmen Human Longevity, gegründet von Genpionier Craig Venter, weitet die Gensequenzierung auch auf im Körper lebende Mikroorganismen und den Metabolismus aus. In Kombination mit bildgebenden Verfahren wie Ganzkörper-MRI, tragbaren Überwachungsgeräten und Gesundheitschecks sollen wichtige zusätzliche Daten gesammelt werden, die es ermöglichen sollen mehr über die Ursachen und Auslöser von Krankheiten zu erfahren.

Das ruft auch Alphabet auf die Bühne, die Muttergesellschaft von Google investiert seit Jahren in Gentechnik. Die Verbreitung der Gensequenzierung, die Erhebung von Vitaldaten über tragbare Geräte wie Fitnessbänder oder die iWatch spielen Google in die Hände. Der Konzern versucht aus dem Datenmeer die richtigen Schlüsse über die Auslöser von Krankheiten zu ziehen.

Das Privatunternehmen Adaptive Biotechnologies will die Reaktion des Immunsystems auf Angriffe von Krebszellen überwachen. Ziel ist es, Krebs von einer tödlichen in eine behandelbare chronische Krankheit zu wandeln. Zunehmend eingesetzt werden Big-Data-Anwendungen – also die Verarbeitung riesiger Datenmengen.

Stefan Blum, Portfolio Manager
Marcel Fritsch, Portfolio Manager
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