Eine reformwillige Regierung
Finanzminister El-Garhy äusserte sich offen zur wirtschaftlichen Lage seines Landes: Die aktuellen Schwierigkeiten sind das Ergebnis jahrelanger Reformverzögerungen und einer seit Ausbruch der Revolution im Jahre 2011 kurzsichtigen Politik. Der Minister wies mehrmals darauf hin, dass Präsident Sisi um diese Probleme weiss und gewillt ist, ein umfassendes Reformprogramm zu implementieren ungeachtet der politischen Herausforderungen, die mit entsprechenden Massnahmen verbunden sind.
Beachtliche Fortschritte wurden im Energiebereich erzielt. So wurden Subventionen kontinuierlich gekürzt, und neue Projekte zur Gasförde-rung und Stromerzeugung dürften 2017/2018 Früchte tragen. Auch an der Infrastrukturfront tut sich einiges. Es wurden bereits 5000 km neue Strassen gebaut, der Bau weiterer 7000 km ist geplant. Auf fiskalpolitischer Seite ist die Verabschiedung des neuen Mehrwertsteuergesetzes mit Verbesserungen bei der Steuererhebung zu erwähnen, das mehr Geld in die Staatskassen spült, während das neue Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstes den Anstieg der Personalaufwendungen begrenzt. Die Regierung möchte die Privatwirtschaft stärker in Entwicklung des Industriesektors einbeziehen mit dem Ziel, Importe zu ersetzen und Exporte anzukurbeln. China, Russland und Indien zeigen Interesse an der Industriezone, die im Bereich des Suez-Kanals entsteht.
Als Gründe für die zögerliche Umsetzung einiger Reformen und Gesetze führt der Minister folgende Faktoren auf: die starke Fluktuation an Ministern, die Angst vor politischer Instabilität und Wahlen, die ablehnende Haltung einiger früherer Regierungsmitglieder gegenüber Veränderungen und der Wunsch nach parlamentarischer Zustimmung für neue Gesetze anstelle von Präsidentendekreten. Es besteht Handlungsbedarf, denn je mehr Zeit verstreicht, desto schwieriger wird die Lage. Das gilt vor allem an der Devisenfront, die unter dem derzeitigen Status quo leidet, worüber sich Ägyptens Notenbank durchaus im Klaren ist. Abschliessend äusserte der Minister seine Zuversicht, dass das IWF-Programm gebilligt wird, da das Land Erfolge bei der Zusage zusätzlicher Kredite weiterer Geber vorweisen kann.
Wirtschaft passt sich an den Schwarzmarkt-Wechselkurs an
Unternehmen aus allen Sektoren teilten mit, dass sie ihren Bedarf an US-Devisen über den Schwarzmarkt decken können. Das ist beeindruckend, wenn man berücksichtigt, dass Ezz Steel beispielsweise für den Import von Eisenerz monatlich auf bis zu USD 110 Mio. angewiesen ist. Das offizielle Bankensystem hingegen kann keine USD-Liquidität mehr bereitstellen. Gesundheits- und Lebensmittel- Unternehmen, denen die Zentralbank des Landes bisher bevorzugten Zugang zu US-Devisen eingeräumt hatte, beschaffen sich den Greenback inzwischen auch auf dem Schwarzmarkt. Die Führung der Commercial International Bank bestätigte, dass ihr Ankaufvolumen für USD von zuvor USD 20 Mio. pro Tag auf derzeit weniger als USD 1 Mio. gesunken sei, da Halter von US-Dollar ihre Devisen lieber auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Denn dort erhalten sie mehr als EGP 13 pro USD gegenüber dem offiziellen Wechselkurs von 8.78:1.
Der Mangel an US-Devisen ist weniger akut als offizielle Daten zeigen, da die Liquidität aus dem offiziellen Bankensektor in den Schwarzmarkt gewandert ist. Dies stellt Unternehmen dennoch vor logistische und organisatorische Herausforderungen. So liefern die Schwarzmarkthändler die US-Devisen in Geldsäcken an eine Bankfiliale, wo die Geldscheine von der Bank und Mitarbeitern des jeweiligen Unternehmens überprüft werden. Anschliessend erhält der Händler den Gegenwert in EGP. Dieser Prozess ist selbstverständlich ineffizient und für die Unternehmen mit zusätzlichen Risiken und Kosten verbunden.
Der Schwarzmarkt dient als bestmögliche verfügbare Orientierungshilfe bei der Einführung eines freien Devisenmarktes und sein Wechselkurs ist ein guter Indikator für einen freien offiziellen Wechselkurs. Allerdings scheint der Schwarzmarkt von einem Kartell aus 8 bis 9 grossen Händlern dominiert zu werden, die die Kurse bestimmen. Unternehmenslenker glauben, dass ein offizieller freier Wechselkurs 1-2 EGP pro USD unter dem Schwarzmarktkurs liegen würde angesichts der Kartellstruktur, einer höheren Transaktionseffizienz und der Tatsache, dass die Wechselkursgeschäfte mit US-Devisen immer noch über offizielle Kanäle abgewickelt werden. Die Managementteams sahen in einer Freigabe des offiziellen Wechselkurses ausnahmslos Vorteile.
Abschliessend lässt sich feststellen, dass der offizielle Wechselkurs für die Realwirtschaft zunehmend an Bedeutung verliert. Unternehmen haben ihre Preise und Betriebsabläufe in unterschiedlichem Masse an den variablen Schwarzmarkt-Wechselkurs angepasst. Dieser Anpassungsprozess treibt die Inflation in die Höhe, wie jüngste Daten zeigen. Der Schwarzmarktkurs bestimmt das makro-ökonomische Umfeld und löst die erforderlichen Anpassungen aus, während der offizielle, an den USD gebundene Wechselkurs nur noch eine Nebenrolle spielt. Der Realwirtschaft entstehen einerseits Mehrkosten, um diesen Status quo beizubehalten, und andererseits zunehmende Kosten in Bezug auf ausländische Finanzflüsse und Investitionsströme. Abgesehen von einem verletzten öffentlichen Ego hat das Land im Falle der Freigabe des Wechselkurses allem Anschein nach nicht viel zu verlieren. Es kann also nur gewinnen.
Unternehmen streben Importsubstitution und Exporte an
Konsumtitel werden durch das derzeitige inflationäre Umfeld am stärksten belastet. Die Preise für Rohstoffimporte steigen – zumal US-Devisen inzwischen auf dem Schwarzmarkt beschafft werden – und Unternehmen können diese Preiserhöhungen nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben, zumindest nicht ohne beachtliche Volumenverluste. Um Margenrückgänge und ihre Devisenrisiken zu reduzieren, setzen Unternehmen zunehmend auf die Beschaffung lokaler Rohstoffe, wie z.B. das Molkereiunternehmen Juhayna, das mehr heimische Milch verarbeitet, und den Ausbau ihrer Exporte, wie etwa Edita mit seinem vorsichtigen Versuch, auf dem saudischen Snack-Markt Fuss zu fassen.
Den Immobilienmarkt kennzeichnet nach wie vor eine starke Nachfrage, aber Immobilienunternehmen entwickeln wieder einmal Krisenpläne, um auf Erschwinglichkeitsprobleme vorbereitet zu sein, die mit steigender Inflation unausweichlich auftauchen. Neben der Umgestaltung und Grössenanpassung von Wohneinheiten ermöglichen Umsatzbeteiligungsvereinbarungen mit Grundstückseignern niedrigere Preise und die Beibehaltung der Margen. Die Talaat Moustafa Group, die in grossem Umfang Immobilien für Menschen mit mittlerem Einkommen entwickelt, wurde von der saudischen Regierung gebeten, ein Wohnungsbauprojekt auf Basis der angefallenen Kosten zuzüglich einer Marge zu entwickeln, da dem Königreich das erforderliche Know-how in diesem Segment fehlt.
El Sewedy Electric profitiert weiterhin von einem sehr günstigen Umfeld, da es seine Aufträge in USD fakturiert. Das Unternehmen gewinnt in der Region an Einfluss und wurde von Siemens für die Umsetzung eines Projektes in Bahrain ins Boot geholt. Das fertiggestellte Eisenschwamm-Werk von Ezz Steel leidet nach wie vor unter der andauernden Gasknappheit, dürfte aber Tritt fassen, sobald der Wechselkurs sinkt und die Regierung Importbeschränkungen verhängt.
Ein Balanceakt für Anleger
Ägypten stellte uns in den letzten Jahren immer wieder vor ein Dilemma: Ein einerseits attraktiver und zugänglicher Aktienmarkt mit interessanten Bottom-up-Chancen, der andererseits jedoch beträchtlicher makroökonomischer Anpassungen bedarf. Das ständige Zaudern der zuständigen Behörden hat zweifelsohne dazu geführt, dass die makroökonomischen Probleme gewachsen sind und mehr Risiken bereithalten. Rational betrachtet gibt es keine Alternativen zu Reformen, aber gelegentlich führen Politiker ein Land auf den Weg der Unvernunft. Unsere Positionen in Ägypten haben wir in letzter Zeit schrittweise reduziert. Einen Wiedereinstieg können wir uns nach Implementierung erforderlicher Reformen, vor allem an der Devisenfront, vorstellen. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Reformen dürfte der Wirtschaft und den Finanzmärkten des Landes den Weg für einen mehrjährigen Bullenzyklus ebnen, woraufhin wir unser Engagement in dem Land wieder deutlich aufstocken würden.