Blutgerinnungsstörungen: Der Stoff für Milliardenumsätze

Wie neue marktreife therapeutische Ansätze wieder Bewegung in den Markt für Blutgerinnungsmittel und Medikamente zur Behandlung von erblich bedingten Bluterkrankungen bringen. Bellevue Asset Management | 13.07.2017 14:05 Uhr
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Erworbene oder erblich bedingte Gerinnungsstörungen verursachen Schlaganfälle, Erkrankungen der Herzkranzgefässe, Vorhofflimmern und Lungenembolien. Häufigste Ursachen für Blutungen sind gene­tische Defekte und Störungen im Autoimmunsystem. Die grösste Gefahr geht von Thrombosen aus. Allein in den USA und in Europa ster­ben jährlich 800 000 Menschen an Embolien. In der Summe sind das mehr Todesfälle als durch Aids, Autounfälle und Prostata- und Brust­krebs zusammen.

Neue Generation von Blutverdünnern

Aus kommerzieller Sicht bilden die Blutverdünner den global grössten Markt. Der Umsatz mit Markenprodukten belief sich 2015 auf USD 15 Mrd. und soll bis 2019 auf USD 20 Mrd. steigen. Obwohl sie noch längst nicht ausgedient haben, befindet sich die erste Gene­ration der Blutverdünner Heparin und Warfarin inzwischen auf dem Rückzug. Der Patentablauf von früheren Milliardenprodukten wie Plavix und Lovenox von Sanofi hat Raum geschaffen für eine Vielzahl generischer Substanzen. Neue treibende Kraft ist eine Generation von Antikoagulantien, die nicht mehr injiziert werden müssen, sondern als Tablette verabreicht werden. Umsatzbezogener Spitzen­reiter ist das 2008 in der EU und 2011 in den USA zugelassene Xarelto. Das von den Pharmakonzernen Bayer und Johnson & Johnson ver­kaufte Produkt erzielte 2016 einen Umsatz von USD 5.5 Mrd. An zwei­ter Stelle folgt Eliquis von Pfizer und Bristol-Myers Squibb.

Mit der 2003 gegründeten US-Firma Portola steht hier seit Kurzem ein Neuling aus der Biotech-Branche im Rampenlicht. Der Aktienkurs der seit 2013 an der Börse notierten Gesellschaft verdoppelte sich im zweiten Quartal 2017, nachdem sich die Zulassungschancen für zwei Produkte verbesserten. Die erste Zulassung (Betrixaban) durch die FDA ist bereits früher als erwartet erfolgt und hatte einen entspre­chenden kurstreibenden Effekt. Die nächsten Meilensteine sind die Einführung von Betrixaban in den USA sowie die europäische Zulas­sung zur Vorbeugung von venösem Thromboembolismus, welche im ersten Quartal 2018 erfolgen könnte. Darüber hinaus will Portola in Kürze für AdexXa, ein breit anwendbares Gegenmittel für Faktor- Xa-Inhibitoren, den Zulassungsantrag einreichen.

Lukrativer Hämophiliemarkt

Bei den erblich bedingten Bluterkrankungen haben zuletzt vor allem neue Therapieansätze gegen Hämophilie A und Hämophilie B erheb­liche Fortschritte erzielt. Nach Schätzungen sind von Hämophilie A weltweit rund 440 000 Personen, von Hämophilie B knapp 70 000 Menschen betroffen. Abgesehen davon, dass bei Hämophilie bis dato keine Heilungschancen bestehen, sind für die Behandlung regelmässige Infusionen nötig, verbunden mit der Infek­tionsgefahr durch Plasmaprodukte.

Zu den neuen Behandlungsmethoden zählen modifizierte und künstliche Gerinnungsfaktoren, bispezifische Antikörper sowie Gentherapien, die über den Ersatz der Gerinnungsfaktoren VIII und IX eine vollständige dauerhafte Heilung anstreben. Während sich die Gentherapien als Behandlungsoption für die schwersten Formen von Hämophilie noch im klinischen Anfangsstadium befinden, könnte mit Emicizumab von Hoffmann-La Roche aus der Schweiz und Chugai aus Japan 2018 ein bifunktionaler Antikörper zugelassen werden. Das Produkt muss nur einmal wöchentlich subkutan verab­reicht werden und simuliert als erstes Medikament den Gerinnungs­faktor VIII. Einen ganz anderen Ansatz verfolgt die Biotech-Firma Alnylam mit Fitusiran. Auf der Grundlage der firmeneigenen Anti­sense-Technologie, bei der die Übertragung bestimmter genetischer Informationen zwischen Molekülen abgeschaltet wird, blockiert Fitusiran den natürlichen Gerinnungshemmer Anti-Thrombin. Der Vorteil dieses Verfahrens: es ist für alle Firmen der Hämophilie an­wendbar und muss nur einmal monatlich verabreicht werden. Alnylam beabsichtigt, in den nächsten Monaten mit der ersten Stu­die für die klinische Endphase III zu beginnen.

Bei den Arzneien gegen Hämophilie A teilen sich Shire mit Advate, Bayer mit Kogenate, Pfizer mit Xynthia, Swedish Orphan Biovitrum mit Eloctate und CSL mit Helixate den Markt auf. Obwohl aktuell noch kein Preisdruck zu erkennen ist, sehen wir es als wahrscheinlich an, dass die Medikamente in dieser Indikation wegen der Wettbe­werbsintensität des Marktes in Zukunft auf dem Radar von Ver-sicherern erscheinen werden. Ganz anders ist das Bild bei Hämophi­lie B. Mit einem Volumen von rund USD 1 Mrd. und einem bislang auf zwei Produkte konzentrierten Monopol handelt es sich hier um einen Markt, der über eine hohe Preissetzungsmacht verfügt. Ein weiterer Nischenmarkt in der Hämophilie ist die Von-Willebrand-Krankheit, kurz vWK. Zwei neue Produkte, Vonvendi von Shire und CSL-650 von CSL, haben das Potenzial, die Jahresumsätze für vWK-Behandlungen, welche sich bei USD 350 Mio. eingependelt hatten, wieder nach oben zu treiben.

Angesichts dieser klinischen Durchbrüche ist auch die Anlagestrategie unserer Fondsportfolios „bluthaltig“. Firmen mit Präparaten zur Blutbildung und gegen Bluterkrankungen sind mit einem Anteil von 15% bis über 30% vertreten. Wie in anderen Krankheitsfeldern konzentrieren wir uns dabei auf Kandidaten, die vom Wirkprofil und Umsatzpotenzial her die Voraussetzungen für eine marktführende Position mitbringen.

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