Chirurgische Eingriffe gehören heute zum Standardangebot eines Krankenhauses. Dennoch lösen sie oftmals nicht nur Probleme, sondern generieren auch Folgekosten: Ein Viertel der Patienten leidet nach stationären Eingriffen an Komplikationen, und sogar die Hälfte der Komplikationen in Industrieländern stehen in Zusammenhang mit chirurgischen Eingriffen und generieren hohe Folgekosten von jährlich über USD 30 Mrd.
Hier liegt einer der grossen Vorteile der digitalen Chirurgie. Sie hat neben der Qualitäts- und Effizienzverbesserung auch das Ziel, den Zugang zu Operationen zu verbessern. Heute werden pro Jahr 140 Millionen benötigte Operationen nicht durchgeführt, was zu 19 Millionen vermeidbaren Todesfällen führt. Wir schätzen, dass der Umsatz der robotergestützten Chirurgie und Diagnostik um 17% pro Jahr (2019 bis 2025) auf USD 14 Mrd. in 2025 wächst.
Digitale Chirurgie auf dem Vormarsch
Seit den 80er Jahren hat die laparoskopische Chirurgie kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. 30 bis 35% aller Eingriffe werden aktuell mit minimalinvasiven Verfahren durchgeführt. Mit Erfolg: Der Eingriff ist mit weniger Komplikationen verbunden, da die Kamera das Operationsgebiet vergrössert und damit eine höhere Präzision möglich ist. Die Patienten weisen weniger lange Hautschnitte auf, was eine schnellere Erholung zur Folge hat und auch aus ästhetischer Sicht wesentliche Vorteile mit sich bringt. Letztendlich führt dies zu kürzeren Spitalaufenthalten und zu tieferen Kosten für das Gesundheitssystem. Jedoch gehen wir davon aus, dass diese Technologie aus verschiedenen Gründen über die Zeit an ihre Grenzen stossen wird.
Einen Schritt weiter geht hier die robotergestützte Chirurgie, die heute bei vielen Eingriffen bereits Realität ist. Basistechnologien wie Robotik, Big-Data-Analyse wie auch digitale Visualisierung und Bildgebung sind dabei, in einzelnen Bereichen der Chirurgie eine Schlüsselrolle zu übernehmen, und zielen insbesondere auf die offene Chirurgie mit ihren Komplikationsrisiken für die Patienten während und nach dem Eingriff ab. In den USA, so haben Branchenanalysen ergeben, eignen sich 41 der 56 Millionen chirurgischen Eingriffe, die jährlich durchgeführt werden, für robotergestützte Operationen.
Bildgebende Technologien ermöglichen bei robotergestützten chirurgischen Eingriffen eine dreidimensionale Sicht auf das Operationsgebiet. Die Roboterarme zeichnen sich durch eine präzise Operationstechnik in schwer zugänglichen Körperregionen aus. Dabei können sie flexibler agieren als die menschliche Hand. Dem Chirurgen kommt die Aufgabe zu, jeden einzelnen Schritt von einer Konsole aus zu steuern. Das System selbst führt dabei keine selbstständigen Bewegungen aus. Dank der erweiterten Visualisierungen, zum Beispiel in der bildgebenden Navigation, und der Integration von klinischen Daten in die Echtzeitanalyse lässt sich die Behandlungsqualität kontinuierlich steigern.
Das Einsatzgebiet erweitert sich
Für einige Einsatzgebiete wie gynäkologische oder urologische Eingriffe ist die robotergestützte Chirurgie heute schon das Standardverfahren. Mit global 5500 installierten Systemen, über 1.2 Mio. Eingriffen jährlich und rund 21 000 Publikationen in wissenschaftlich referierten Zeitschriften sind die Systeme Da Vinci Xi und Da Vinci SP von Intuitive Surgical hier unangefochtene Qualitätsführer. Als Konkurrenzprodukte werden Hugo von Medtronic und Verb von Johnson & Johnson innerhalb der nächsten drei Jahre den Markt betreten.
Deutlich diversifizierter ist der Markt in der Hartgewebechirurgie mit der Orthopädie. Mit seiner präoperativen Planung per 3-D-Technologie und der Echtzeit-Visualisierung hat Stryker mit Mako das aktuell am weitesten verbreitete Robotersystem für Hüft- und Knieersatz auf dem Markt. Der Mazor X Stealth von Medtronic gilt wiederum als Qualitätsführer bei Operationen an der Wirbelsäule. Beide Systeme haben mit dem Rosa-Knee-System von Zimmer Biomet und dem ExcelsiusGPS Spine von Globus Medical die ersten ernsthaften Verfolger im Rennen.
Dagegen befindet sich die endoluminale Diagnostik noch im Anfangsstadium. Das neuste Einsatzgebiet ist die Lungenbiopsie. Angesichts einer durchschnittlichen Fünfjahres-Überlebensrate von 18% ist der medizinische Bedarf hoch, Lungenkrebs frühzeitig zu diagnostizieren. Die diagnostische Erfolgsquote mit herkömmlichen Verfahren wie der Bronchoskopie ist unterschiedlich. Abhängig von der physischen Verfassung der Patienten können die meist hochinvasiven Methoden tödlich enden. Robotergestützte Lungenbiopsien demonstrieren höhere Erfolgsquoten mit einem tieferen Invasivitätsgrad. Mit Ion von Intuitive Surgical und Monarch von Johnson & Johnson dominieren zwei Systeme diesen Markt.
Höhere Marktdurchdringung durch neue Marktteilnehmer
Für eine breitere globale Präsenz in den Operationssälen müssen die Kosten für Systeme und Instrumente sinken. Die Marktdurchdringung durch neue Akteure könnte entscheidend sein, sollte es etablierten Medizintechnikkonzernen wie Medtronic, Johnson & Johnson, Stryker und Zimmer Biomet in Zukunft mit neuen Produkten gelingen, Marktanteile zu gewinnen.
Aktuelle Marktschätzungen gehen davon aus, dass das globale Umsatzvolumen für robotergestützte Weichteilchirurgie und Orthopädie zwischen 2019 und 2025 von USD 5.2 Mrd. auf mehr als USD 14 Mrd. zulegen kann. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von im Schnitt 16%. In den USA, dem grössten Markt, wird sich im selben Zeitraum die Marktdurchdringung von 4% auf 14% erhöhen. Obwohl neue Anbieter in den nächsten Jahren hinzustossen werden, bleibt Intuitive Surgical die unangefochtene Nummer eins. Von einer deutlich niedrigeren Basis, und zwar vom Faktor Null auf USD 1 Mrd., wird sich die endoluminale Diagnostik entwickeln.
Zugang zur digitalen Chirurgie für Investoren
In den beiden Fondsprodukten von Bellevue Asset Management zählt die robotergestützte Chirurgie neben Diabetes und den strukturellen Herzerkrankungen zu den drei grossen Themengebieten. Per August 2020 setzte sich im BB Adamant Medtech & Services 19% des Fondsvermögens aus Unternehmen zusammen, die in der robotergestützten Chirurgie tätig sind. Der Fonds besteht zu 88% aus Large Caps. Diese Anlagestrategie sorgt dafür, dass die Liquidität auch in schwierigen Marktphasen erhalten bleibt.
Dagegen setzt der BB Adamant Digital Health zu 65% auf Small und Mid Caps. Mit 29% ist das durchschnittliche jährliche Umsatzwachstum aller Beteiligungen um mehr als das Dreifache höher als beim BB Adamant Medtech & Services. Etwas höher ist auch die Volatilität dieses Fondsprodukts. Um die Risiken in schwächeren Marktphasen einzugrenzen, ist die finanzielle Stabilität ein Schlüsselkriterium für Investments. 56% aller Portfoliofirmen sind profitabel und weitere 37% aller Firmen sind bis zum erwarteten Break-even durchfinanziert.
Stefan Blum, Portfoliomanager Medtech & Services, Bellevue Asset Management