Für die Aktie von BB Biotechs Portfoliogesellschaft Alnylam war es der grösste Kurssprung seit dem Börsengang im Juni 2004. Der Börsenwert schnellte um 60% nach oben auf eine neue Rekordmarke als Reaktion auf die Bekanntgabe von vielversprechenden klinischen Resultaten. Dabei handelt es sich um eine zulassungsrelevante Studie mit dem Wirkstoff Patisiran für die Behandlung von Patienten, die an ATTR Amyloidose mit Kardiomyopathie leiden. Bei dieser seltenen genetischen Erkrankung führt die Ansammlung von sich krankhaft veränderten Amyloidproteinen zu irreparablen Schäden in Organen und Geweben wie im Herz und im Nervensystem. Die Lebenserwartung eines Patienten vom Zeitpunkt der Diagnose liegt im Schnitt bei unter fünf Jahren.
Alnylam plant, nach der Präsentation der detaillierten Daten auf einer Fachkonferenz im September den Zulassungsantrag bis zum Jahresende in dieser Indikation einzureichen.
Die Euphorie der Finanzmärkte nährt sich aus der Erwartung, dass Patisiran in dieser Indikation jährliche Spitzenumsätze im Milliardenbereich erzielen kann. Patisiran ist seit vier Jahren unter dem Produktnamen Onpattro bereits zur Behandlung von ATTR Amyloidose mit Polyneuropathie zugelassen. 2021 erzielte das Unternehmen damit einen Jahresumsatz von USD 475 Mio. Während an dieser Krankheit weltweit 50 000 Menschen leiden, könnte Onpattro als Therapie gegen ATTR Amyloidose mit Kardiomyopathie für 300 000 Patienten in Frage kommen.
Kommerzieller Durchbruch erfolgt
Aktuell gilt Alnylam innerhalb der Biotechbranche als einer der aussichtsreichsten Übernahmekandidaten. Die Gesellschaft hat vier zugelassene Produkte auf dem Markt und wird bis 2023 wichtige klinische Daten bei fünf klinischen Kandidaten präsentieren, darunter Phase-III-Daten für Fitusiran. Dieses Präparat wird zusammen mit dem Pharmakonzern Sanofi zur Behandlung von Hämophilie entwickelt. Der aus Käufersicht grösste Wert ergibt sich jedoch daraus, dass Alnylam Vorreiter und führendes Unternehmen in der sogenannten Small Interfering RNA (siRNA)-Technologie ist. Bei diesem therapeutischen Ansatz werden doppelsträngige RNA-Moleküle benutzt, um die Funktion von spezifischen Proteinen stillzulegen, die als Auslöser von bestimmten Krankheiten identifiziert wurden. Vereinfacht ausgedrückt wird die Boten-RNA (mRNA), also die genetische Vorstufe, die krankheitsauslösende Proteine codiert, wirksam abgeschaltet und so die Herstellung dieser Proteine verhindert.
Die RNAi (RNA-Interferenz) ist ein natürlicher zellulärer Prozess der Genabschaltung. siRNA ist ein Teilbereich davon. Bei der Antisense-Technologie wiederum werden einzelsträngige kurzkettige Nukleinsäuren, sogenannte Antisense-Oligonukleotide, verwendet, um krankheitsrelevante Proteine zu identifizieren und auszuschalten. Zu den Pionieren zählt hier die US-Biotechfirma Ionis Pharma, die seit Jahren eine der Kernbeteiligungen im Portfolio von BB Biotech ist. Beim Einsatz der sogenannten Boten-RNA, kurz mRNA, geht es im Gegensatz darum, gewisse Proteine gezielt zu produzieren. Den grossen kommerziellen Durchbruch schaffte die mRNA-Technologie mit der Entwicklung und Marktzulassung von COVID-19-Impfstoffen im Zeitraum von weniger als einem Jahr. Hierbei wird das Immunsystem darauf trainiert, virale Proteine zu erkennen und körpereigene Schutzmassnahmen einzuleiten. Die zwei von Moderna und Pfizer/Biontech entwickelten COVID-19-Vakzine haben sich als die führenden Impfstoffe bei der Eindämmung der Coronapandemie etabliert.
RNA-Technologie tritt in eine neue Phase
BB Biotech hat bereits frühzeitig das medizinische Potenzial der RNA-Technologien erkannt. Insgesamt vier Firmen mit RNA-Fokus, darunter unsere Kernbeteiligungen Moderna und Ionis, stellen aktuell rund 25% unseres Beteiligungsportfolios. Die teils zweistelligen Kursgewinne dieser Firmen als Reaktion auf den Durchbruch bei Alnylam verhalfen auch der Aktie von BB Biotech zu einem Kursgewinn von 10% in diesem Zeitraum. Neben Alnylam verzeichnete unsere Beteiligung Wave Life Sciences Kursgewinne von 50%. Auslöser war die Ankündigung, im nächsten Jahr mit den klinischen Studien für einen Wirkstoff im Verfahren der Genomeditierung zu beginnen.
Auf Sicht der nächsten Jahre erwarten wir bei den RNA-basierten Arzneien den Übergang in eine neue Marktphase. Immer vorausgesetzt, dass sich die Erfolge in klinischen Spätphasen fortsetzen, wird sich das Einsatzspektrum auf Krankheiten erweitern, von denen eine grössere Patientenzahl betroffen ist. Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, Krebs oder Organfibrosen. Im Erfolgsfall erzielen innovative Produkte Milliardeneinnahmen.