Anleihen mit Nachhaltigkeitsbezug: eine neue Plattform für „Greenwashing“?

Ethische Anlagen sind gefragter denn je. Das verwaltete Vermögen in allen Anlagestrategien, die auf klar definierten Grundsätzen für die Bereiche Umwelt, Soziales und Governance (ESG) basieren, ist im letzten Jahr stärker gestiegen als in den zehn Jahren zuvor (1). abrdn | 22.06.2021 16:00 Uhr
© Foto von Anna Shvets von Pexels
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Viele von Ihnen werden mit dem Markt für grüne Anleihen, der heute ein Volumen von 1 Bio. USD hat, vertraut sein, jedoch werden nun zunehmend auch andere Schuldpapiere begeben, bei deren Entwicklung ESG-Erwägungen im Vordergrund standen.

Zum Beispiel wurden im Jahr 2020 neue soziale Anleihen für 165 Mrd. USD begeben, verglichen mit 18 Mrd. USD im Jahr 2019. Anleihen mit Nachhaltigkeitsbezug erreichten im Jahr 2020 ein Emissionsvolumen von 75 Mrd. USD nach 43 Mrd. USD im Jahr zuvor. Laut Daten von Bloomberg wird sich der Absatz beider Arten von Instrumenten in diesem Jahr voraussichtlich mehr als verdoppeln.2

Ein großer Teil dieser Aktivität ist der Kombination aus regulatorischen Druck, wachsendem Bewusstsein der Unternehmen und stärkerer Anlegernachfrage zuzurechnen. An Beliebtheit hat dieses Anlagethema zudem durch das zunehmende Bewusstsein für soziale Probleme gewonnen, die sich während der Pandemie verschlimmert haben.

Das atemberaubende Tempo dieses Wachstums begeistert uns zwar, stimmt uns aber auch besorgt. Wenn sich die Märkte so schnell so stark entwickeln, lauern zwangsläufig auch Gefahren. Wir sehen zum Beispiel ein Risiko, dass Geld in Anlagen fließt, die den Ansprüchen in Sachen ESG letzten Endes nicht gerecht werden können.

Anleihen mit Nachhaltigkeitsbezug

Betrachten wir einmal die wachsende Beliebtheit von Anleihen mit Nachhaltigkeitsbezug (SLBs). Bei SLBs können Kreditnehmer ein Nachhaltigkeitsziel festlegen. Zugleich verpflichten sie sich, eine Strafe zu zahlen, wenn sie das Ziel verfehlen.

Damit ziehen sie Anleger an, weil die Emittenten an bestimmte Ergebnisse gebunden sind anstatt an ein einfaches Ausgabenziel. In der Theorie bringt dies die Interessen der Kreditnehmer besser mit denen der Anleger in Einklang, die eine klarere Vorstellung von den positiven Effekten haben wollen, die sie mit ihrem Kapital bewirken können.

Bank of America erwartet, dass das Emissionsvolumen von SLBs weltweit bis Ende dieses Jahres rund 100 Mrd. USD erreichen wird.3 Ein außerordentlich hoher Wert, wenn man bedenkt, dass es diesen Markt erst seit 2019 gibt und im ersten Quartal dieses Jahres SLBs für gerade einmal 9,5 Mrd. USD begeben wurden.

Hierbei handelt es sich zwar um weltweite Daten, jedoch haben wir in Asien ein ebenso dynamisches Wachstum des SLB-Emissionsvolumens beobachtet. Vor allem aber dürften die Märkte in Europa ein fruchtbarer Boden sein, ist die Region doch traditionell ein Vorreiter bei Entwicklungen im Bereich der verantwortungsbewussten Anlagen.

Wo ist das Problem?

Bei Finanzinstrumenten, die mit einem ESG-Label vermarktet werden, spielen häufig Meinungen von externen Anbietern wie ESG-Ratingagenturen, zum Beispiel Sustainalytics oder Vigeo Eiris, eine Rolle. Damit soll die Ausrichtung an einem anerkannten Rahmen sichergestellt werden – für SLBs wären dies zum Beispiel die Leitlinien der International Capital Market Association für SLBs. Dieser Rahmen hat fünf Kernkomponenten:

  • Auswahl von Key Performance Indicators (KPIs)
  • Festlegung von Nachhaltigkeitsleistungszielen (SPTs)
  • Anleihemerkmale
  • Berichterstattung
  • Verifizierung

Der Rahmen legt fest, dass die SPTs „ambitioniert“ sein und „über einen ‚Business as Usual‘-Ansatz hinausgehen“ sollten. Zudem soll eine „aussagekräftige Variation“ der Merkmale im Vergleich zu den ursprünglichen Bedingungen gegeben sein.

Leider sind diese Anforderungen qualitativer Art. Bislang haben jene externen Meinungsanbieter keine quantifizierbaren Anforderungen formulieren können. Insbesondere der Punkt der „aussagekräftigen Variation“ ist problematisch.

Zum Beispiel sehen alle auf US-Dollar lautenden SLBs, die im ersten Quartal begeben wurden, mit Ausnahme eines Titels, eine Strafe von weniger als 10% des ursprünglichen Kupons vor. Beinahe jede zweite dieser SLBs weist eine Variation von unter 5% im Vergleich zum ursprünglichen Kupon auf.4

In einigen Fällen gilt die Kuponvariation, auch als „Step-up“ bezeichnet, nur für das letzte Jahr der Laufzeit der SLB, so dass die Auswirkungen der potenziellen finanziellen Kosten auf den Zeitwert noch weniger ins Gewicht fallen.

Insbesondere gibt es aber auch noch Titel, bei denen die Messung der KPIs und die finanziellen Kosten in Zeiträume fallen, in denen die Anleihen kündbar sind. Dies verschafft dem Emittenten die Möglichkeit, die Anleihen vorzeitig zurückzunehmen und so die Zahlung einer Strafe zu umgehen.5

Fallbeispiele:

  • Eine fünfjährige Anleihe aus Asien, deren KPIs lediglich die Installation bestimmter Anlagen und Einrichtungen zu Gesamtkosten von 1 Mio. USD (bei jährlichen Investitionsausgaben in Höhe von bis zu 200 Mio. USD) verlangen. Die Strafe für das Verfehlen dieser Zielvorgabe besteht in einer Erhöhung der Zinssatzes um 25 Basispunkte für die 15 Monate vor der Fälligkeit – wobei die Anleihen in diesem Zeitraum kündbar sind.
  • Eine Anleihe aus den USA mit 8,5 Jahren Laufzeit, bei der sich der Kupon um 12,5 Basispunkte erhöht, falls der Emittent die Emissionsminderungsziele nicht erfüllt. Dieser „Step-up“ gilt jedoch erst ab dem fünften Jahr – wenn die Anleihe zum Nennwert kündbar wird.
  • Eine zehnjährige Anleihe aus Asien mit KPIs, die auf dem Erreichen von Emissionsminderungszielen basieren. Der Kupon würde sich zwar um beachtliche 75 Basispunkte erhöhen, jedoch erfolgt die KPI-Bewertung erst neun Jahre nach der Emission der Anleihen. Das bedeutet, dass die wirtschaftlichen Kosten für den Emittenten zu vernachlässigen wären, sollte das Ziel nicht erreicht werden.

Wie sollten sich die Anleger verhalten?

Greenwashing bedeutet, dass ein Unternehmen sein Umweltengagement bewusst übertrieben positiv darstellt. Dies ist ein Risiko am SLB-Markt, wo wir eine sehr stark variierende Qualität der Anleihen beobachten. Daher ist die Bottom-up-Beurteilung der Emittenten und der spezifischen Merkmale der einzelnen SLBs überaus wichtig.

Die Anleger müssen kritischer und bei der Due Diligence sehr viel anspruchsvoller sein und darüber hinaus deutlich ansprechen, wenn sie auf irgendetwas stoßen, auf das dringend reagiert werden muss.

Die Anleger müssen kritischer und bei der Due Diligence sehr viel anspruchsvoller sein und darüber hinaus deutlich ansprechen, wenn sie auf irgendetwas stoßen, auf das dringend reagiert werden muss.

Sie müssen sich fragen, ob ein Emittent wesentliche Veränderungen umsetzt, um sein Unternehmen und sein Geschäft zu verändern. Profitiert er davon, dass Anlagen und Einrichtungen veralten und stillgelegt werden und allein dies ihm bereits hilft, die KPIs zu erreichen? Sind die Kosten für das Verfehlen von SPTs erheblich oder zu vernachlässigen oder können sie sogar ganz umgangen werden?

Die Anleger können die Emittenten auch dazu drängen, die Qualität von SLB-Emissionen zu verbessern, indem sie fordern:

  • Dass die KPIs an mehreren Terminen beurteilt werden, die sich über den größten Teil der Anleihenlaufzeit, wenn nicht sogar über die gesamte Anleihenlaufzeit erstrecken;
  • Eine stärkere Nutzung von Meilensteinen, um Fortschritte bei der Erfüllung der KPIs im Laufe der Zeit zu verfolgen;
  • Finanzielle Strafen, die einen höheren Prozentanteil der ursprünglichen Kreditkosten ausmachen;
  • Kündigungsbestimmungen, die es dem Emittenten nicht ermöglichen, die Kosten zu umgehen, die ihm entstehen, falls er die KPIs nicht erfüllt.

Ein guter ESG-Anleihenanleger zu sein bedeutet mehr, als einfach nur zu lesen, was geschrieben steht. Die harte Arbeit, die mit einem aktiven Anlageansatz zwangsläufig einhergeht, ist durch nichts zu ersetzen.

Aberdeen Standard Investments, MSCI ESG Research LLC/Lipper, EPFR, BofA Global Research, April 2021

Bloomberg, April 2021

BofA Securities, ESG in Fixed Income Quarterly, April 2021

Aberdeen Standard Investments, April 2021

Aberdeen Standard Investments, April 2021

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