Die Amerikaner gehen am 4. November zu den Wahlurnen. Die Halbzeitwahlen werden die Regierungsarbeit in den kommenden zwei Jahren bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen 2016 beeinflussen. Alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 33 der 100 Sitze im Senat stehen zur Wahl. Während die Republikaner sehr wahrscheinlich die Kontrolle im Repräsentantenhaus behalten, gilt der Ausgang im Senat alles andere als sicher. Die Demokraten haben aktuell eine Mehrheit von 53 zu 45 Sitzen, und es gibt zwei unabhängige Kandidaten, die zwar mit keiner der beiden großen politischen Parteien in Verbindung stehen, jedoch bei Gesetzen mit Schlüsselfunktion immer die Demokraten unterstützen. Um die Kontrolle im Senat zu sichern, müssen die Republikaner sechs Sitze mehr haben als bisher. Ein Wahlergebnis von 50 zu 50 Sitzen der beiden Parteien würde keine Mehrheit für die Republikaner bringen. Denn Vize-Präsident Joe Biden, seines Zeichens Demokrat, hat als Präsident des Senats bei Bedarf das Recht, mit seiner Stimme eine Pattsituation für oder gegen einen vorgelegten Gesetzesentwurf zu entscheiden.
Politikexperten sind sich im Allgemeinen einig, dass die Republikaner eine gute Chance haben, die Kontrolle über den Senat zu gewinnen. Doch selbst wenn dieser Fall eintreten sollte, wird es sich vieler Umfragen zufolge dabei nicht um eine vetosichere Mehrheit handeln, die groß genug ist, um den Senatspräsidenten zu überstimmen. Allerdings könnten die Republikaner in Washington dann immer noch den Ton für politische Diskussionen in den kommenden zwei Jahren angeben, indem sie mehr Vorschläge aus ihren verschiedenen Gremien vor den Senat zur Abstimmung bringen.
Wenn die Republikaner die Kontrolle über beide Kammern im Kongress gewinnen, wird dieses Ergebnis ganz erhebliche Konsequenzen darauf haben, ob der Präsident seine Agenda verfolgen und die Republikaner befähigen kann, verschiedene kontroverse Gesetzesvorschläge zurückzuweisen. Dies wird die hitzigen und lautstarken Diskussionen auf beiden Seiten hochschaukeln. Wenn die Republikaner eine ausreichend große Mehrheit verfehlen, um das Veto des Präsidenten zu überstimmen, werden die Diskussionen auf dem aktuellen Niveau weitergehen, allerdings ergänzt um aggressives Feilschen und kleine Kompromisse. Und genau in diesen Wortgefechten werden sich die Rahmenbedingungen für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 zeigen.
Für die verschiedenen Wirtschaftssektoren und deren operatives Umfeld hat das Auswirkungen. Ein Sektor, der sensibel auf die politische Kulisse reagiert, ist der Bereich Gesundheit. Die Republikaner mögen im allgemeinen den Affordable Care Act, also das Gesetz zur Krankenversicherung, auch „Obama-Care“ genannt, nicht. Zahlreiche republikanische Kandidaten für den Senat haben dafür plädiert, eines der am kontroversesten diskutierten Elemente außer Kraft zu setzen: eine Steuer auf Erträge aus Medizinprodukten, die eingeführt wurde, um einen Teil der Zusatzkosten aufzufangen, die der Regierung durch die Implementierung entstehen. Ein von den Republikanern kontrollierter Kongress wird sich für die Aufhebung einsetzen, wovon wiederum die Hersteller von Medizinprodukten profitieren könnten, etwa Baxter International. Weitere Änderungen zur Kürzung des Leistungsumfangs der Krankenversicherung könnten sich negativ auf Anbieter von Diagnosedienstleistungen wie Quest Diagnostics oder Medikamentenanbieter wie CVS Health auswirken. Die Krankenversicherung könnte sich auch mit anderen Veränderungen konfrontiert sehen, möglicherweise bei der Bezuschussung von Beiträgen, was andere Unternehmen im Gesundheitssektor beeinflussen könnte.
Die Republikaner werden wahrscheinlich mehr darauf beschränkt sein, das Gesetz zur Krankenversicherung verbal zunichtezumachen, als es tatsächlich zu verändern. Aber wenn sie im Senat die Mehrheit gewinnen, wird das Gerangel um inhaltliche Positionen die Hintergrundmusik spielen für maßgebliche Veränderungen in den kommenden Jahren.
Paul Atkinson, Head of North American Equities, Aberdeen Asset Management