Die ersten Zweifel kamen zunächst von akademischer Seite:
- Wirtschafts-Nobelpreisträger Professor Eugene Fama von der University of Chicago führte in den 1960ern das Konzept der ‚effizienten Markthypothese‘ (EMH) ein, nach dem die Finanzmärkte „informationseffizient“ sind und die Preise der gehandelten Vermögensgegenstände alle verfügbaren Informationen bereits berücksichtigen. Da der Markt effizient ist, kann man keine versteckten Werte heben und aktives Management kann den Markt auch vor Abzug von Gebühren nicht schlagen.
- Professor William Sharpe von der Stanford University, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften aus dem Jahr 1990, entwickelte die sogenannte ‚Arithmetik des aktiven Anlegens‘. Davon ausgehend, dass alle Teilnehmer eines Marktes aktive oder passive Anleger sind, wies er nach, dass die durchschnittliche Rendite aktiver Anleger vor Gebühren der Marktrendite entsprechen muss. Die These von Sharpe wurde dann 2010 von Fama und Kenneth French in einer Studie empirisch belegt. Auf Basis von Daten aus den USA zeigten die beiden Autoren, dass das Alpha – oder der Grad der Standardabweichung – eines wertgewichteten Portfolios aktiver Fonds tatsächlich nahe bei Null lag.
- Diese und viele andere Studien zeigen, dass ein durchschnittlicher aktiver Manager normalerweise eine niedrigere kostenadjustierte Rendite generiert als sein passiver Gegenspieler und legten den Grundstein für den Aufstieg der ETFs. Selbst so berühmte aktive Anleger wie Warren Buffett sind Verfechter der ETF. In einem 2013 verfassten Brief an die Aktionäre von Berkshire Hathaway schrieb er: „Legen Sie 10% der Liquidität in kurzfristigen Staatsanleihen an und 90% in einen sehr kostengünstigen S&P 500 Indexfonds und ich glaube, die langfristigen Ergebnisse dieser Anlagestrategie werden besser sein als die der meisten Anleger, die teure Manager beschäftigen. Ob es sich bei den Anlegern um Pensionsfonds, Institutionen oder Privatanleger handelt, macht keinen Unterschied.“
Ist das Schicksal der aktiven Investmentmanager damit schon besiegelt?
Aktives Anlegen ist ein “Nullsummenspiel” - wenn die aktiven Anleger gegeneinander wetten, können die Gewinne der einen nur die Verluste der anderen sein. Doch obwohl der durchschnittliche Manager vor Abzug von Gebühren nur die Marktrendite erzielen kann, zeigt die Verteilung der aktiven Fondsrenditen eine breite Streuung und ist selten nahe bei Null.
Studien haben gezeigt, dass einige Manager in Deutschland, den USA, dem Vereinigten Königreich, Australien, und in anderen Ländern der Welt, die Performance ihrer Peers und des Marktes regelmäßig übertreffen. Ist diese Outperformance nun Glückssache oder durch Kompetenz und Geschick bedingt? Fama und French stellten 2010 fest, dass ein kleiner Prozentsatz der Manager in den jeweiligen Märkten dauerhaft kostendeckende Renditen erwirtschaftet. Diese Performance lässt sich nicht allein mit Glück erklären und die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es herausragende Manager gibt, die den Markt regelmäßig schlagen. Sie weisen aber auch darauf hin, dass diese besseren Manager ‘in der Masse der Manager mit unzureichenden Fähigkeiten untergehen’.
Es gibt also zumindest einige Beweise dafür, dass aktives Management erfolgreich sein kann. Der Abgesang auf die aktiven Manager mag daher vielleicht doch ein wenig verfrüht sein. Tatsächlich halten viele Anleger an der Prämisse fest, dass aktives Management sich auszahlt und es nur darauf ankommt, die wirklich guten Anlagemanager zu finden und auszuwählen. Dementsprechend wichtig ist es für die Anleger, zu verstehen, welche Faktoren einem erfolgreichen aktiven Management zugrunde liegen, um dann die Manager auszuwählen, die die bessere Performance erzielen können.
Bedingungen für erfolgreiches aktives Management
Erfolgreiches aktives Investment-Management basiert auf drei Hauptkomponenten:
- Aktiver Anteil – der Grad, um den ein Portfolio von seiner Benchmark abweicht, je größer die Differenz, desto größer der aktive Anteil. Der aktive Anteil ist ein Maßstab dafür, wie sehr der Manager seinen eigenen Überzeugungen folgt.
- Alpha-Potenzial – ist abhängig vom Variationsgrad der Aktienrenditen. Das Alpha-Potenzial ist ein Gradmesser für die Möglichkeiten eines Managers, Überrenditen zu erzielen.
- Titelauswahl – hier zeigt sich das Geschick des Portfoliomanagers, die Wertpapiere mit der besten Performance auszuwählen. Die Titelauswahl ist Gradmesser für Kompetenz und Geschick des Anlagemanagers.
Aktiver Anteil
Ein Investment-Portfolio kann seine Benchmark nur schlagen, wenn es von ihr abweicht. Der aktive Anteil ist der Grad, zu dem ein Portfolio von seiner Benchmark abweicht, und je größer die Abweichung, desto größer, so sagt man, ist dann auch der aktiv gemanagte Teil. Der aktive Teil ist ein Indikator dafür, wie stark aktive Manager in ihren Anlageentscheidungen eigenen Überzeugungen folgen.
Eine Messung des aktiven Anteils eines Portfolios kann Anlegern in mindestens zweierlei Hinsicht nutzen:
- Anhand des aktiven Portfolioanteils können Anleger „Closet Index Tracker-Portfolios“ – Portfolios, die zwar Gebühren für aktives Management erheben, aber nur dem Namen nach „aktiv“ sind und wenig mehr als eine passive Rendite erzielen - erkennen. Diese in einer aktiven Verpackung daherkommenden passiven Portfolios sind einer der Gründe, warum die Performance vieler ‚aktiver‘ Portfolios zu wünschen übrig lässt. Anleger wären besser beraten, sich für ein wirklich aktiv gemanagtes Portfolio zu entscheiden oder ein passives Portfolio mit entsprechend niedrigeren Gebühren zu wählen.
- Der aktive Anteil kann ein Indikator für die zukünftige Performance sein. Portfolios lassen sich nach ihrem aktiven Anteil und ihrem Tracking Error kategorisieren (siehe Grafik 1).
Jüngere Studien zeigen auch eine starke Korrelation zwischen Portfolios, die einen hohen aktiven Anteil und einen niedrigen Tracking Error haben, und jenen, die ihre Benchmark-Indizes nach Abzug von Gebühren dauerhaft schlagen. In der 2009 veröffentlichten Studie „How Active is Your Portfolio Manager? A New Measure That Predicts Performance” (Wie aktiv ist Ihr Portfolio-Manager? Ein neuer Maßstab für zukünftige Performance) untersuchten Martijn Cremers, Professor für Finanzen an der University of Notre Dame, und Portfolio-Manager Antti Petajisto, wie sich die Abweichung von der Benchmark auf die Investment-Performance auswirkt. Ihre Studie zeigte, dass die Performance von US-Publikumsfonds, deren Portfolios einen hohen aktiven Anteil (d.h. eine hohe Abweichung von der Benchmark) aufwiesen, die Performance von Portfolios mit einem niedrigen aktiven Anteil (die die Benchmark spiegeln) im Zeitraum zwischen 1990 und 2003 pro Jahr um ca. 2,5 Prozentpunkte übertraf. In späteren Studien variierten die Ergebnisse stärker, was auch daran liegen mag, dass der aktive Anteil nur eines von vielen Puzzleteilchen ist, die aktives Management determinieren. Die Forschung macht aber deutlich, dass es zumindest ein notwendiger Faktor ist.
Alpha-Potenzial
Einfach ausgedrückt, gibt es auf manchen Märkten mehr Möglichkeiten aktive Renditen zu generieren als auf anderen.
Man stelle sich vor, alle Wertpapiere eines bestimmten Marktes würden exakt die gleiche Rendite bieten. In einem solchen Szenario wäre es Anlegern unmöglich, den Markt zu schlagen oder positives Alpha zu generieren – auf Geschick und Risikobereitschaft käme es letzten Endes nicht an. Anders ist es, wenn ein spezifischer Markt oder Sektor eine signifikante Variation bei den Renditen aufweist. Hier bieten sich dem Portfoliomanager viel mehr Möglichkeiten, Mehrwert zu generieren. In einer Studie aus dem Jahr 2010 formulierten Larry Groman und Kollegen dies folgendermaßen:
“Letztendlich muss es beim aktiven Portfoliomanagement über die Bandbreite an Instrumenten eine gewisse Renditeverteilung geben, damit es möglich ist, ein Ranking ihrer erwarteten Renditen zu erstellen”.
Während der globalen Finanzkrise zum Beispiel fielen US-Technologieaktien insgesamt als Gruppe und auch die Erholung erfolgte im Gleichlauf. Bei den abgestürzten Finanztiteln aus den USA zeigte sich eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Welche der beiden Gruppen ist aus der Perspektive eines aktiven Managers wohl am ehesten geeignet, Alpha zu generieren?
Der Grad der Variation bei den Aktienrenditen innerhalb eines Marktes oder Sektors kann als Indikator dafür genutzt werden, wie groß die Möglichkeiten sind, höhere Renditen zu erzielen oder wie hoch das Alpha-Potenzial ist. Seit Harindra de Silva, Steven Sapra und StevenThorley 2001 ihre Studie „Return Dispersion and Active Management“ (Renditeverteilung und aktives Management) herausgaben, hat die Idee, dass die Volatilität innerhalb eines Sektors ein Maßstab für potenzielles Alpha ist, immer mehr Anerkennung gefunden. Die Volatilität innerhalb eines Sektors bemisst, ob die Entwicklung von Titeln gemeinsam oder unterschiedlich verläuft. Wenn die Volatilitätsektor weit steigt, steigen auch die Chancen, besser oder schlechter als der Markt abzuschneiden.
Auf dem australischen Aktienmarkt weist das Segment für Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung (Small Caps) ein größeres Alpha-Potenzial auf als das Large-Cap-Segment (siehe Grafik 2), und dieses Muster zeigt sich auch auf dem Markt in den USA und in anderen Ländern. Dies könnte erklären, warum Asset Manager mit Small-Cap-Produkten üblicherweise höhere Überrenditen generieren als mit Investments in größeren Unternehmen.
Während der aktive Anteil eines Portfolios also ein Anzeichen dafür ist, wie stark das Portfolio von den Überzeugungen des Managers geprägt ist, steht das Alpha-Potenzial eines Marktes für die Bandbreite an Möglichkeiten, in der die Überzeugungen des Managers ihren Ausdruck finden können.
Titelselektion
Natürlich ist es mit Potenzial und Überzeugung allein nicht getan - um erfolgreich zu sein, muss der Manager auch tatsächlich das nötige Know-how und Geschick unter Beweis stellen und die besonders erfolgversprechenden Aktien erkennen und auswählen. Andernfalls kann bei einem hohen Einsatz auf wenig erfolgreiche Titel bei starken Ausschlägen in der Performance das genaue Gegenteil eintreten.
Unter den drei Erfolgsfaktoren wird der Titelauswahl die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Man hat sehr viel Arbeit in die Entwicklung von Methoden investiert, mit denen sich das Geschick von Managern bei der Auswahl quantifizieren lässt. Gary Brinson und Nimrod Fachler definierten in ihrer Studie zum Thema Rendite-Attribution aus dem Jahr 1985 ein Paradigma an dem Aktienmanager noch heute gemessen werden.
Es gibt unter Managern viele Diskussionen und unterschiedliche Meinungen darüber, was einen geschickten „Stock Picker“ ausmacht, und ob es nun seine Fähigkeit ist, fundamentale Ansätze bei der Bewertung zu nutzen, auf das positive Momentum zu setzen oder konträre Strategien zu verfolgen. Aber zweifelsfrei sollte die Titelselektion bei den für die Beurteilung von Managern verwendeten Methoden immer eine Schlüsselrolle spielen.
Chemische Reaktion
Wie bei einer chemischen Reaktion müssen immer eine Reihe von Stoffen und Faktoren zusammentreffen, damit das Experiment funktioniert. Aktives Management kann nur erfolgreich sein, wenn die Faktoren aktiver Anteil, Alpha-Potenzial und Titelauswahl miteinander agieren. Fehlt einer dieser Faktoren im Zusammenspiel, wird das aktive Management scheitern. Denn:
- ein geschickter Manager, der in einem diversen Markt agiert, wird nicht besser sein als der Markt, wenn er keine aktiven Engagements eingeht (Mangel an Überzeugung).
- ein geschickter Manager, der große aktive Engagements eingeht, wird nicht besser abschneiden als der Markt, wenn alle Wertpapiere die gleiche Performance aufweisen (Mangel an Möglichkeiten).
- ein Manager, der in einem diversen Markt agiert und große aktive Engagements eingeht, kann den Markt vielleicht outperformen, kann aber auch scheitern, wenn er nicht in der Lage ist, Qualitätsunternehmen auszuwählen oder keine Prozesse hat, die dies ermöglichen (Mangel an Geschick).
Alle drei Faktoren müssen gegeben sein, und auch wenn es viele Studien gibt, die sich mit den einzelnen Faktoren individuell beschäftigen, ist die Zahl derer, die das Zusammenwirken dieser drei Faktoren untersuchen, begrenzt. Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu erforschen.
Erfolgreiches aktives Management ist kluges aktives Management
Aktive Manager sehen sich also einigen Herausforderungen gegenüber. Das passive Anlagesegment und die Zahl der ETFs wachsen und der aufsichtsrechtliche Druck, Gebühren zu senken, steigt. Angesichts des Nullsummenspiels, das der Mathematik des Investierens zugrunde liegt, ist es für Anleger alles andere als einfach, die dauerhaft erfolgreichen Manager zu erkennen.
Die Idee aktives Management einfach komplett über Bord zu werfen, ist daher verführerisch. Aktives Management kann jedoch nachweislich funktionieren und nach Abzug von Gebühren positive Renditen erzielen.
Was können Anleger tun, um von der Erkenntnis, dass es für eine erfolgreiche Anlage aller drei Faktoren - aktiver Anteil, Alpha-Potenzial und Titelauswahl – bedarf, zu profitieren?
Zunächst einmal ist sicherzustellen, dass alle drei Aspekte bei der Entscheidung für oder gegen aktive Anlagestrategien berücksichtigt werden. Denn es macht natürlich wenig Sinn, einen aktiven Manager zu engagieren, wenn es keine erfahrenen und erfolgreichen Manager gibt oder die Möglichkeiten, Alpha zu generieren, kaum gegeben oder viel geringer sind als in anderen Märkten.
Zweitens wird in der Praxis meist der größte Wert auf die Managerauswahl gelegt. Allerdings sollte man nie vergessen, dass mit Kompetenz und Geschick des aktiven Managers nur eine von drei Grundvoraussetzungen erfüllt ist und die beiden anderen Kriterien nicht in den Hintergrund geraten sollten.
Und schließlich sollten Anleger sich stärker mit dem Faktor „Alpha-Potenzial“ beschäftigen. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, kompetente und geschickte Manager zu identifizieren, sondern auch darin, sicherzustellen, dass sie da zum Einsatz kommen, wo es ausreichend Möglichkeiten gibt, Renditen zu erwirtschaften, die aktive Gebühren rechtfertigen. Auch hier macht es schlicht keinen Sinn, einen aktiven Manager zu bezahlen, wenn ihm dann mangels Potenzial die Hände gebunden sind und er seine Fähigkeiten nicht zum Tragen bringen kann.
Denn erfolgreiches aktives Management ist letztlich die Verbindung von Geschick, Überzeugung und gegebenen Möglichkeiten. Aber nur bei klugem aktivem Management zahlt sich das Dreigestirn aus.
Andrew Kophamel, Leiter der Performance - Asia Pacific Aberdeen Asset Management