Am kommenden Sonntag wird Indiens Premierminister Narendra Modi gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Hannover Messe eröffnen. Auch bei seinem Besuch in Deutschland – mit einem Handelsvolumen von 16,1 Milliarden Euro in 2013/2014 Indiens wichtigster Handelspartner innerhalb der EU – wird für Modi ein zentrales Thema auf der Agenda stehen: Die Umsetzung der angekündigten Reformen. Diese umfassen beispielsweise umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur des Landes, aber auch den Abbau bürokratischer Hindernisse. So soll unter anderem der Genehmigungsprozess für Auslandsinvestitionen beschleunigt werden.
Indien forciert Infrastrukturinvestments
„Der im Februar 2015 vorgelegte indische Haushalt ist ein deutlicher Verweis auf Modis Reformwillen“ kommentiert Adrian Lim, Senior Investment Manager bei Aberdeen Asset Management. „Wichtige Punkte sind zum Beispiel die Anhebung des Budgets für Infrastruktur um 25 Prozent – 39 Milliarden US Dollar werden für Straßenbau, Eisenbahnlinien, Brücken und Häfen bereitgestellt – und die Absenkung der Körperschaftssteuer von 30 Prozent auf 25 Prozent in den kommenden vier Jahren“ so Lim. Zwar musste Modi auch eine Ausweitung des Haushaltsdefizits für 2015/2016 von ursprünglich 3,6 auf 3,9 Prozent ankündigen, positive Effekte erwartet die Regierung jedoch durch Steuereinnahmen und Veräußerungen. Hilfreich wirkt sich auch der niedrige Ölpreis aus, der es der Regierung erlaubte, die teuren Treibstoffsubventionen abzuschaffen. Gestützt werden Modis Reformpläne nicht zuletzt durch das sich gut entwickelnde Wirtschaftswachstum insgesamt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gab jüngst bekannt, dass sie für Indien in 2015 eine Steigerung um 7,7 Prozent und in 2016 sogar um 8,0 Prozent erwarte. Damit würde Indien stärker wachsen als China, das laut OECD in 2015 und 2016 je circa 7,0 Prozent zulegen wird.
Unrealistische Erwartungen? "Regierungspartei BJP hat weniger Freiheiten, als viele glauben"
Allerdings sind auch kritische Stimmen zu hören, Modi würde seine angekündigten Reformen nicht schnell und drastisch genug umsetzen. „Viele Kritiker übersehen dabei zum einen, dass die Erholung in Indien vor dem Hintergrund der strukturellen und bürokratischen Herausforderungen Zeit brauchen wird“ erläutert Lim. „Zum anderen hat die Regierungspartei BJP, Bharatiya Janata Party, weniger Freiheiten, als viele glauben“ so Lim. Nach der Niederlage bei den Landtagswahlen in Delhi muss die BJP nun die lokalen Behörden auf ihre Seite bringen und verhindern, dass regionalen Interessen folgende Politiker die Reformagenda vereiteln. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die BJP keine Mehrheit im Oberhaus hinter sich hat, dieses aber große Teile des Haushalts genehmigen muss.
Am indischen Aktienmarkt haben sich die Bewertungen erhöht, gleichzeitig gibt es auf Unternehmensebene ermutigende Maßnahmen, die Gewinnmargen und die Rentabilität mittels Kostensenkungen zu steigern. Das Gewinnwachstum der Unternehmen sollte durch die Reformen unterstützt werden und somit weitere Kurssteigerungen ermöglichen. „Dies ist ein gutes Umfeld, um in Indien zu investieren – als überzeugte Stockpicker und bottom-up Analysten zählt für uns jedoch insbesondere, wie die einzelnen Unternehmen aufgestellt sind“, erläutert Hugh Young, Head of Asian Equities bei Aberdeen Asset Management. „Wir haben zwar Gewinne mitgenommen, angesichts der Qualität der Unternehmen behalten wir unsere Übergewichtung in diesem Markt jedoch bei“ so Young.
Welche Unternehmen profitieren von Modis Reformen?
Unter anderem sollten Zement-Hersteller, wie Grasim Industries, Ultratech sowie die Tochtergesellschaften von Holcim Ambuja und ACC, von den Ausgaben für staatliche Bauvorhaben im Rahmen der Infrastruktur-Reformen profitieren. Zudem dürften die geplanten sozialen Vorhaben für die ärmsten Bevölkerungsschichten und der Fokus auf einer Umkehr der abnehmenden Löhne im landwirtschaftlichen Sektor positive Auswirkungen auf die Konsumentwicklung haben. Davon würden Auto- und Konsumtitel, wie Hero MotoCorp beziehungsweise Nestlé, Hindustan Unilever und Godrej Consumer Products, profitieren.