Asien hat ein hartes Jahr hinter sich. Das Wachstum ist schleppend undnachlassende heimische Nachfrage, Überkapazitäten und gefallene Rohstoffpreise haben zu Desinflation – d.h. zur Verlangsamung des Preisanstiegs – geführt. Aktien und Währungen wurden deutlich abgestraft.
Angesichts der Fragilität der entwickelten Märkte wiegen diese Nachrichten über die Schwächen der Region besonders schwer. In Japan hat sich die Wirkung früherer Konjunkturprogramme abgenutzt und in der Eurozone versucht man, der schlimmsten Flüchtlingskrise seit dem zweiten Weltkrieg Herr zu werden und scheint dabei regelmäßig an die Grenzen des europäischen Zusammenhalts zu stoßen.
Die kurzfristigen Aussichten sind unklar, denn vieles scheint von den Entwicklungen in Washington und Peking abzuhängen. Normalerweise richten sich die Entscheidungen der Zentralbanken nach nationalen Belangen. Heutzutage sind sich die Entscheidungsträger aber darüber im Klaren, wie sehr die modernen Volkswirtschaften miteinander verflochten sind.
Die US Federal Reserve betrachtet die Entwicklungen in China mit Besorgnis. Trotz Anzeichen einer Erholung der heimischen Wirtschaft hat die Federal Reserve die beschlossene Erhöhung der Zinssätze im September nicht umgesetzt, sondern mit Blick auf die potenziellen Auswirkungen, die China als zweitgrößte Volkswirtschaft auf das globale Wachstum haben könnte, weiter hinausgeschoben.
In Peking versuchen die Behörden, den Glauben an eine kontrollierte Konjunkturverlangsamung aufrechtzuerhalten. Sollte es ihnen nicht gelingen, Chinas Wirtschaft einen Gang herunterzuschalten oder die Bevölkerung dies zumindest glauben zu machen, könnte es hässlich werden und für die ganze Region sehr unangenehme Folgen haben.
Wir sind übrigens für eine schnellstmögliche Zinsanhebung in den USA, denn die von Zentralbanken gesetzten Anreize sind die größten Verzerrungsfaktoren auf den heutigen Finanzmärkten. Die mit dem fortgesetzten „Werden sie nun oder werden sie nicht“- Zinsdrama einhergehende Unsicherheit hat in Asien zu unnötigen Turbulenzen geführt und steht der nachhaltigen Erholung der Region im Weg.
Die jüngsten Nachrichten aus China waren nicht gerade positiv, sie sollten aber im Kontext gesehen werden. Durch die Fixierung auf Industrieproduktionsdaten wird oft übersehen, dass der Dienstleistungssektor mittlerweile den größeren Beitrag zum chinesischen BIP leistet. Und selbst nun da China sich auf dem Weg der Restrukturierung befindet und sich stärker auf den heimischen Konsum ausrichtet, zeigen die Einkaufsmanagerindizes des nicht-produzierenden Gewerbes Expansion an.
Unseres Erachtens wächst die Wirtschaft um rund 5 bis 6 %. Damit läge das Wachstum zwar unter den offiziellen Zahlen der Regierung, wäre aber immer noch hoch genug, um die etablierten Industrienationen zu beschämen. Und wir glauben auch nicht, dass Chinas Entscheidungsträger - wie so oft behauptet wird - den roten Knopf gedrückt haben, denn der seit Mitte August schwächere Renminbi ist als ein weiterer Schritt hin zur Liberalisierung der Währung zu sehen und nicht als Abwertung, mit der die Exporte wettbewerbsfähiger gemacht werden sollten.
Bei der Frage danach, was all dies für Asien bedeutet, zeigt sich ein gemischtes Bild. Wenn die Federal Reserve die Zinsen vor Ende dieses Jahres anheben würde und damit eine Quelle der Unsicherheit wegfiele, würde wahrscheinlich zunächst mehr Kapital aus der Region abfließen. Dann aber würden die Anleger die Dinge wieder rationaler betrachten und erkennen, dass spätere Zinsanhebungen eher selten erfolgen und nur geringfügig ausfallen werden.
Chinas nachlassende Konjunktur wird uns noch geraume Zeit beschäftigen. Problematisch wird es für asiatische Volkswirtschaften wie z.B. Malaysia und Indonesien, die als Rohstoffexporteure auf die chinesische Nachfrage angewiesen sind. Darüber hinaus wird auch die Anzahl an chinesischen Touristen und das Investitionsvolumen Chinas im Ausland zurückgehen und die chinesische Inlandsnachfrage wird ebenfalls moderater ausfallen.
Die Auswirkungen auf die Region wären aber noch um vieles stärker, wenn die asiatischen Volkswirtschaften heute generell nicht viel robuster wären als noch vor wenigen Jahren. Die meisten größeren Volkswirtschaften der Region verzeichnen Leistungsbilanzüberschüsse und halten beträchtliche Devisenreserven. Und diejenigen, die in 2013 besonders hart vom Taper Tantrum getroffen wurden, haben inzwischen Maßnahmen ergriffen und ihre Schwachstellen abgedichtet. Asien kann den Turbulenzen heute daher sehr viel besser standhalten als früher.
Selbst China, dessen Staatsverschuldung und unproduktive staatliche Betriebe die Alarmglocken läuten ließen, verfügt über die nötige Finanzkraft, um eine harte Landung abzuwenden. Dieses Land, das Devisenreserven im Wert von 3,5 Billionen USD hält, mag es langsamer angehen lassen, von einem Crash ist es aber meilenweit entfernt.
Nach einem harten Jahr scheint Asien im Vergleich zu Europa und den USA günstig bewertet zu sein. Es könnte für asiatische Aktien nächstes Jahr sogar zu einem Rebound kommen, denn wir haben den Eindruck, dass das spekulative Geld größtenteils schon aus den Märkten abgezogen wurde und die Aktienkurse bei der Korrektur meist über das Ziel hinausgeschossen sind.
Unser konträrer Marktinstinkt sagt uns, dass es noch viel mehr Anlagemöglichkeiten geben wird, insbesondere während der wohl noch einige Zeit anhaltenden Turbulenzen. Einige unserer erfahrenen Fondsmanager wissen, dass auf jede ‚Krise‘ in dieser Region bislang eine lange Wachstumsphase folgte. Asiens verheißungsvoller Glanz ist daher keineswegs verblasst.
Hugh Young, Managing Director Asien, Aberdeen Asset Management