„Er versprach uns ein „Brexit plus plus plus” und genau das hat er geliefert. Trotz aller Umfragen, trotz aller Wetten und unbeachtet der Stimmung im Markt unmittelbar vor der Wahl wird Donald Trump im Januar 2017 als US-Präsident vereidigt. Er wird auch einen republikanischen Kongress hinter sich haben, und hat dadurch viel mehr Freiraum für seine Politik als sein Vorgänger. Welche sind also die unmittelbaren Auswirkungen für die Wirtschaft, Politik und Finanzmärkte – und wie könnte es längerfristig aussehen?
Die kurzfristige Reaktion der Märkte war vorhersehbar...
Im Laufe der Wahlnacht war eine Verlagerung in sichere Häfen zu beobachten; der japanische Yen und der Goldpreis sind sprunghaft gestiegen. Gleichzeitig gab es einen Ausverkauf von Anlagen, die am ehesten mit den extremeren Ansichten Trumps im Hinblick auf Antiglobalisierung und Protektionismus in Verbindung gebracht werden, allen voran vom mexikanischen Peso. Man fragt sich, wie lang diese globale Risikoscheue anhalten könnte? Immerhin: Wenn wir uns am Brexit orientieren – und da gibt es durchaus Ähnlichkeiten sowohl beim Protestvotum als auch bei der „Umsetzung“ des Ergebnisses erst im nächsten Jahr mit der Vereidigung Trumps – könnte die Antwort lauten: „Nicht lange“.
Allerdings ist die globale Reichweite dieses „Schocks“ angesichts der Rolle der US-Wirtschaft im Gefüge der Weltwirtschaft und der Weltmärkte größer …
Daher erhoffen sich die Märkte bis zu seiner Vereidigung im Januar nächsten Jahres weitere Einzelheiten und einen einheitlicheren Tenor bei den Äußerungen von Trump, als dies bis jetzt der Fall gewesen ist. Vor allem benötigt man mehr Klarheit in drei Bereichen – Geldpolitik, Finanzpolitik and dem Außmaß einer etwaigen Deglobalisierung. Vorausgesetzt, er stellt sich dieser Herausforderung, erwarten wir eine Rückkehr zu ruhigeren Zeiten in den nächsten Tagen und Wochen.
Fangen wir mit der Geldpolitik an: Eine Präsidentschaft Trumps könnte bedeutende Auswirkungen auf die US-Zinsen haben, und das potenziell in beide Richtungen ...
Alle Wetten auf eine Zinsanhebung in den USA im Dezember sind gecancelt worden. Die US-Fed scheint ihre stimulierende Haltung beibehalten zu wollen, bis mehr Klarheit über die längerfristigen Auswirkungen einer Präsidentschaft Trumps auf die Wirtschaft und Märkte herrscht. Es bestehen jedoch Kräfte, die das Zinsniveau potenziell in die andere Richtung lenken könnten. Zum einen könnte die Kritik Trumps an den Auswirkungen der lockeren Politik der Fed darauf schließen lassen, dass er „Falken“ auf die beiden leeren Sitzen im Zinsgremium der Notenbank ernennen könnte. Ferner könnte die Vorsitzende Janet Yellen noch vor ihrem offiziellen Ausscheiden im Januar 2018 gehen oder gegangen werden.
Finanzpolitisch muss Trump ebenfalls Aufklärungsarbeit leisten...
Während des Wahlkampfes machte Trump zwei zentrale Versprechen: Steuersenkungen von bis zu 10 Billionen USD und erhöhte Infrastrukturausgaben. Bei beiden könnte er zurückrudern, obgleich ein verstärkter Fokus auf die Finanzpolitik anstatt der Geldpolitik der derzeitigen Stimmung von internationalen Institutionen und vielen Investoren entsprechen würde. Andererseits könnten die Risikoaufschläge auf US-Anlagen steigen, wenn Trump die Gelegenheit nicht nutzt, seine Wahlkampfäußerungen zur möglichen Abschreibung der US-Schulden im Ausland etwas abzumildern – vor allem, wenn Sorgen um ein politisches Eingreifen in die Arbeit der Fed hinzukommen.
Und dann ist da noch das Deglobalisierungsthema …
Strenge Einwanderungsbeschränkungen, höhere Handelszölle und eine Abkehr von Freihandelsabkommen könnten sich äußerst negativ auf das jetzige und potenziell künftige Wachstum Amerikas auswirken. Das tatsächliche Ausmaß wird jedoch davon abhängen, inwieweit die Realität der Wahlkampfrhetorik entspricht. Ein „weiches“ Trump-Szenario könnte die Einführung von Zöllen in Höhe von 10-15% auf chinesische und mexikanische Waren enthalten, gepaart mit Vergeltungszöllen auf US-Exporte in ebendiese Länder. Kombiniert man dies mit einer verstärkten Abschiebung illegaler Einwanderer und einem vorübergehenden Vertrauensschock, gehen wir von einer Verlangsamung der US-Wirtschaft infolge schwächerer Inlandsnachfrage aus. Bei einem „harten“ Trump-Szenario ergeben sich höhere Zölle mit einer größeren geografischen Reichweite nebst noch stärkeren Abschiebungsbemühungen. Durch die Kombination erhöhter Unsicherheit, wegbrechender Exporte, steigender Verbraucherpreisinflation und langsameren Bevölkerungswachstums würde sich das BIP-Wachstum in den USA noch stärker verlangsamen, als dies im „weichen“ Szenario der Fall wäre – zudem wären die Auswirkungen auf die Handelspartner Amerikas noch negativer und weiter verbreitet.
Ausgehend von den bis jetzt gewonnenen Erkenntnissen, klingt Trump versöhnlicher als dies während des Wahlkampfes der Fall war…
was uns dazu veranlasst, erst einmal in Richtung eines „weichen“ Trump-Szenarios zu tendieren, obgleich die Detaillierung und der Tonfall der Verkündungen in den nächsten Wochen ausschlaggebend sein werden. Zudem gibt es eine ganze Reihe anderer Fragen, welche die Märkte vielleicht weniger unmittelbar beschäftigen aber dennoch wichtig sind. Wie sieht es mit der Rolle der USA in der NATO (Nordatlantikpakt) und ihren Beziehungen zu vom Westen weniger begünstigten Staaten (wie Russland) aus? Wie sieht es mit der Innenpolitik des Landes aus? Was sagt dieses Ergebnis über den Zustand der beiden etablierten Parteien und die Ansichten des wählenden Volkes aus?
Und wie sieht es mit den Implikationen für die Märkte aus ...
Noch besteht Unklarheit über die Politikeinstellung von Trump und insofern herrschte selten soviel Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Geld- und Fiskalpolitik in den USA. Demnach kommt die Anhebung bestimmter Risikoaufschläge nicht überaschend. Erhöhte Sicherheit in den kommenden Wochen und Monaten werden die Märkte sicher begrüßen. Investoren dürften großes Interesse an der Beziehung zwischen Trump und der Fed haben. Die Anleger vertrauen Janet Yellen und der Institution, deren Vorsitzende sie ist. Weitere Angriffe auf die Integrität und Struktur der Fed würden den Märkten wohl nicht helfen.
Angesichts der Nachrichten des Wahltages hätten wir damit rechnen können, dass risikoreichere Anlagen global schwächer tendieren. Allerdings sind die Aussichten für zwei der wichtigsten Anlagen weltweit nuancierter. Sowohl der Dollar als auch US-Staatsanleihen werden eine Steigerung des gefühlten Risikos und die potenzielle Inflationssteigerung gegen die Aussichten niedrigen Wachstums und niedrigere Leitzinsen am kurzen Ende abwägen. Ihre jeweiligen Tendenzen werden wichtige Richtungsweiser für alle Anlagen in den kommenden Monaten sein.
Dennoch sollte man bei allen heute herrschenden Unsicherheiten nicht vergessen, dass die USA nach wie vor ein Land mit einer unantastbaren Rechtsstaatlichkeit, relativ günstigen Demographien und breiten und tiefen Kapitalpools sind. Keines dieser grundsätzlichen Merkmale hat sich infolge des Wahlergebnisses verändert. Das war unmittelbar nach der Wahl so. Und es bleibt auch in Zukunft so. Für Anleger mit langfristigem Horizont sind dies weiterhin die Treiber von Renditen.“