„Anleger müssen sich in dieser Woche auf eine eher langweilige Ratssitzung der Europäischen Zentralbank einstellen. Schuld daran ist der Euro, der seit April kontinuierlich steigt. Erwartet wird, dass die EZB ihr Kaufprogramm reduziert. Was nicht passieren wird. Die Bank wird ihre Inflationsprognosen senken, mehr nicht.
Vielleicht wird Mario Draghi versuchen, den Anstieg des Euro verbal zu bremsen – aufhalten kann er ihn nicht. Die Märkte wissen, dass die EZB ihre Wertpapierkäufe nur sehr langsam drosseln wird. Vor allem dürften die Leitzinsen auch danach auf ihrem jetzigen Niveau verharren und den Euro stützen. In der Steuerung von Wechselkursen sind Wörter ein stumpfes Instrument, und Mario Draghi weiß das.
Trotzdem gibt es gute Gründe, den Euro für überteuert zu halten. Die Erwartungen an Trumps politische Agenda sind mittlerweile so niedrig, dass jeder noch so kleine Erfolg den Dollar auf Kosten des Euro stärken dürfte. Eine Aufwertung des Dollar wäre auch denkbar, wenn der Markt mit seiner Wachstumsprognose falsch liegen sollte: Bisher gehen Anleger davon, dass sich das schwache Wachstum der ersten sechs Monate bis ins zweite Halbjahr des kommenden Jahres fortsetzen wird.
Gleichzeitig unterschätzen sie deutlich die politischen Risiken in Europa. Macron mag den Vormarsch der Populisten gestoppt haben, ob er allerdings seine Reformagenda umsetzen kann, ist noch lange nicht sicher. Seine Zustimmungswerte fallen indessen in Rekordgeschwindigkeit.
Und Italien, das europäische Dauersorgenkind, hinkt dem Rest des Kontinents weiter hinterher. In den Gesprächen um mögliche Neuwahlen geht es vor allem um die Frage, ob die Populisten der Fünf-Sterne-Bewegung gewinnen – und ob Silvio Berlusconi zurückkehrt. Einig sind sich hingegen alle Seiten in ihrer Abneigung gegenüber dem Euro. Das alles verheißt nichts Gutes für Italien, Europa und die gemeinsame Währung. Zu viele der italienischen Banken stehen am Abgrund, und die Wirtschaft muss noch immer tiefgreifend reformiert werden, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Geboten wäre eine stabile, kluge und progressive Regierung, die sich dieser Reformen annimmt. Danach sieht es allerdings im Moment nicht aus.“
Patrick O’Donnell, Senior Investment Manager, Aberdeen Standard Investments