„Das Modell, das der neue Finanzminister heute skizziert hat, ist im Prinzip gut. Er hat wichtige Themen angesprochen, wie die Notwendigkeit, das Wachstum zu bremsen, die Bedeutung der Finanzstabilität und die Unabhängigkeit der Zentralbank. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass er nicht die Art von Details geliefert hat, die die Märkte beruhigen werden. Die Ankündigung der US-Behörden, die Zölle auf türkische Stahl- und Aluminiumausfuhren in die USA zu verdoppeln, hat zudem gerade Öl ins Feuer gegossen.
Es gibt einige positive Aspekte in diesem Plan, aber wir müssen jetzt wirklich Taten von der Türkei sehen. Die Situation ist nicht ausweglos. Die kurzfristige Lösung ist einfach: Die Zinssätze aggressiv erhöhen und die Kreditvergabe einschränken, um die Wirtschaft abzukühlen und die Inflation in Schach zu halten. Es muss eine klare Botschaft an die Investoren gesendet werden, dass das Problem verstanden und entschieden angegangen wird.
Der größte Teil des wirtschaftlichen Schmerzes, den die Türkei erleidet, ist selbstverschuldet. Die Türkei hat immer wieder bewiesen, dass sie ohne weitere Verschuldung kein hohes Wachstum aufrechterhalten kann – und das alles bei geringen inländischen Ersparnisse und einer Verschuldung in US-Dollar, die mit einem inhärenten Währungsrisiko behaftet ist. Kein Wunder also, dass die geld- und kreditpolitischen Impulse nach dem gescheiterten Staatsstreich im Jahr 2016 zu einer raschen Ausweitung des Leistungsbilanzdefizits, einer außer Kontrolle geratenen Inflation und das Land an den Rand einer Währungskrise geführt haben.
Die Behörden werden früher oder später die Zinsen erhöhen müssen – sie haben eigentlich keine andere Wahl. Aber die Situation ist derart außer Kontrolle geraten, dass sie viel weiter gehen müssen als noch vor drei Wochen. Trotz all dem ist die Türkei immer noch ein Land mit großem Potenzial. Die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit ist angemessen diversifiziert und verfügt über eine solide Exportbasis. Aber jetzt geht es um Glaubwürdigkeit, und der einzige Weg, die Situation kurzfristig wiederherzustellen, ist zu handeln.“
Viktor Szabo, Senior Investment Manager, Aberdeen Standard Investments