„Christine Lagarde ist eine ausgezeichnete Wahl als Präsidentin der EZB. Sie bringt umfangreiche Erfahrungen sowohl als Finanzministerin als auch als Leiterin des IWF in die Funktion ein. Und obwohl sie keine formell ausgebildete Ökonomin ist, wird sie bei ihrer Arbeit von den Mitarbeitern der EZB kompetent unterstützt.
Ihre früheren geldpolitischen Äußerungen deuten darauf hin, dass sie zu einer gemäßigten Richtung tendiert. Sie hat sich für die quantitative Lockerung ausgesprochen, die die EZB kürzlich wieder aufgenommen hat. Und der IWF hat unter ihrer Leitung die negativen Zinssätze weitgehend unterstützt, obwohl er sich der Gefahr einer finanziellen Destabilisierung bewusst war, die übermäßig negative Zinssätze ebenfalls mit sich bringen können.
Die anhaltende Verlangsamung des Wirtschaftswachstums im Euroraum und der völlige Mangel an zugrunde liegendem Inflationsdruck führen dazu, dass Lagarde während ihrer Amtszeit wahrscheinlich weitere Zinssenkungen in die Wege leiten wird. Die Kosten für die Kreditaufnahme noch weiter zu senken, wäre letztlich hilfreich, um die Wirtschaftstätigkeit zu unterstützen. Aber angesichts der bereits derart niedrigen Zinsen kann die Geldpolitik die Wirtschaft des Euroraums nicht allein aus dem Sumpf ziehen.
Stattdessen ist es für den gemeinsamen Währungsraum viel wichtiger, dass die Regierungen fiskalische Impulse setzen, tiefgreifende Strukturreformen durchführen und die Agenda der europäischen Integration vorantreiben. Jeder weiß das, und der scheidende EZB-Präsident Mario Draghi hat Jahre damit verbracht, die Botschaft endlos zu wiederholen, weitgehend ohne Erfolg.
Der Wirkungskraft von Christine Lagarde steht eine riesige Barriere im Weg - die nationalen Regierungen. Aber wenn jemand die Regierungen der Eurozone zum Handeln bewegen kann, dann ist es Lagarde. Sie verfügt über einzigartige Erfahrungen sowohl in der Steuerung der nationalen Finanzpolitik in Frankreich als auch in der Beratung von Regierungen im Bereich Finanzpolitik auf der ganzen Welt. Sie ist der perfekte politische Akteur, wie ihn die Wirtschaft der Eurozone braucht. Jetzt müssen nur noch die nationalen Regierungen mitspielen. Bonne Chance, Mme. Lagarde.”
Paul Diggle, Senior Economist, Aberdeen Standard Investments