2015 fand die US Environmental Protection Agency (Umweltschutzbehörde) heraus, dass Volkswagen (VW) bei staatlichen Emissionstests betrogen hatte. Der tatsächliche Ausstoß von Stickstoffoxiden fiel dabei um bis zu 40 Mal höher aus als unter künstlichen Laborbedingungen. Dies zog Bußgelder, einen deutlichen Rückgang des Aktienkurses von VW und Wechsel in der Führung nach sich.
Die Ereignisse hatten Auswirkungen, die über VW hinausgingen. Dieses Beispiel an schlechter Governance wirkte sich offensichtlich negativ auf die Umwelt aus. Es veranlasste die Anleger überdies dazu, die sozialen und ökologischen Folgen der Tätigkeit europäischer Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Europa nimmt Führungsposition ein
2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen ihre Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. In diesem Rahmen wurden 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert, welche die Länder bei der Ermittlung und Behebung der dringlichsten sozialen und ökologischen Sorgenpunkte weltweit unterstützen sollen.
Europa hat diesen Aufruf zu handeln angeführt.
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg löste mit ihrem „Skolstrejk för Klimatet“ eine internationale Jugendbewegung aus. Mit ihrem Streik führten diese Schüler die größte Klimaprotestbewegung an, die die Welt je gesehen hatte. Ihre Kampagne veranlasste das Time Magazine dazu, Greta Thunberg als „Person of the Year“ zu ernennen. Präsident Trump tat dies als „so lächerlich“ ab. Dagegen fiel die Reaktion auf den Klimawandel in Europa positiver aus.
Die europäischen Regierungen und Regulierungsbehörden bilden mit ihrem Engagement, die SDGs umzusetzen, ein gutes Vorbild für den Rest der Welt. Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen stellte Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer strategischen Agenda 2019-2024. Darin enthalten sind spezifische Richtlinien in Bezug auf die Sozial- und Umweltpolitik. Am beachtenswertesten war hierbei ein „europäischer grüner Deal“, in dessen Rahmen Europa anstrebt, als erster Kontinent bis 2050 klimaneutral zu werden.
Nach den Gesetzen der Europäischen Union sind Unternehmen dazu verpflichtet, die wesentlichsten Sozial-, Umwelt- und Governance-Risiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit offenzulegen. Sie müssen überdies die Prozesse und Strategien zur Bewältigung dieser Risiken darlegen.
Diese Initiativen verändern das Verhalten der Unternehmen und tragen zur Verbesserung der Geschäftsabläufe bei.
Anerkannte Champions in Sachen Nachhaltigkeit
Die europäischen Bemühungen zur Erreichung der SDGs der Vereinten Nationen blieben nicht unbemerkt. Corporate Knights führt eine jährliche Studie durch, in der die 100 nachhaltigsten Unternehmen weltweit ermittelt werden.1 Europäische Unternehmen nahmen dabei nicht nur die ersten vier Plätze ein, sondern machen überdies beinahe die Hälfte der Liste aus. Diese Unternehmen:
- haben eine höhere Geschlechterdiversität
- weisen eine stärkere Governance auf
- verfolgen eine bessere Vergütungspolitik
- zahlen mehr Steuern
- weisen eine doppelt so hohe CO2-Produktivität auf.
Darüber hinaus geht eine Anlage in die nachhaltigsten Unternehmen nicht zwangsläufig mit Performanceverlusten einher. Von Februar 2005 bis Dezember 2018 erwirtschafteten die 100 nachhaltigsten Unternehmen weltweit einen Nettoanlageertrag von 127%. Im Vergleich dazu belief sich dieser Wert beim MSCI ACWI Index auf 118%.2
Doch Nachhaltigkeit stellt nur den Anfang dar. Einige Unternehmen blicken über die Risiken hinaus und konzentrieren sich zudem auf die potenziellen Geschäftsgelegenheiten.
Mit Anlagen Wirkung erzielen
Beim Impact Investing wird Kapital so angelegt, dass neben finanziellen Erträgen auch beabsichtigte und quantifizierbare positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt erzielt werden. Dabei gibt es nicht den einen „richtigen“ Ansatz. Gleichwohl bieten die Agenda und die SDGs der Vereinten Nationen ein allgemein anerkanntes Rahmenwerk zur Ermittlung der wesentlichsten sozialen und ökologischen Belange.
Während sich finanzielle Erträge relativ einfach bemessen lassen, sind diese Auswirkungen schwerer zu quantifizieren.
Die SDGs umfassen über 200 Leistungskennzahlen zur Beurteilung der Fortschritte eines Landes. Wir berücksichtigen diese Indikatoren bei unserer Analyse der Auswirkungen. In unserem Bericht zum Global Equity Impact Fund weisen wir beispielsweise nicht nur die Reduzierung der CO2-Emissionen aus, sondern analysieren auch die Auswirkungen auf Länderebene. Diese Kennzahlen unterstützen Anleger bei der Suche nach Unternehmen, die potenzielle Lösungen bieten.
Klare Auswirkungen
Europa umfasst in dieser Hinsicht zahlreiche Kandidaten. Die in der Region angesiedelten Unternehmen sind federführend in Sachen Wirkungsmessung. Dabei stellen die führenden Unternehmen unter Beweis, dass ihre Geschäftsstrategien nicht nur wirtschaftliche Gewinne zur Folge haben.
Der kürzlich abgehaltene UN-Klimagipfel in Madrid verdeutlichte die Herausforderung, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Die Gespräche hatten jedoch nur wenige konkrete Pläne zur Folge. Ein Unternehmen, das eine wesentliche Lösung zur Verfügung stellt, ist der dänische Windturbinenhersteller Vestas. Dessen Turbinen erzeugen während ihres Nutzungszeitraums das 30-50-Fache an Energie, die sie verbrauchen, während die Kohlendioxidemissionen pro Kilowattstunde nur bei etwa 1% des Wertes von Kohlekraftwerken liegen.3 Damit zielt das Unternehmen klar auf die Umsetzung der SDGs 7 (bezahlbare und saubere Energie) und 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) der Vereinten Nationen ab.
Wasser ist die Quelle allen Lebens. Dennoch mangelt es 785 Millionen Menschen weltweit an Zugang zu grundlegenden Trinkwasserdienstleistungen und fehlt es zwei Milliarden Menschen an angemessenen Abwassersystemen.4 Der französische Versorger Suez erbringt Wasser- und Abwasseraufbereitungsdienstleistungen auf fünf Kontinenten. Seit 1990 hat das Unternehmen in den Schwellenländern mehr als 19 Millionen Menschen mit Trinkwasser und über 9 Millionen mit Abwassersystemen versorgt. Diese Aktivitäten senken die Armut, stellen sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen zur Verfügung und tragen zum Schutz des Lebens unter Wasser bei (SDGs 1, 6 und 14).
Doch nicht alle Impact Investments zeigen so offensichtlich Wirkung wie in den Bereichen Windturbinen und Wasseraufbereitung. Vielen ist beispielsweise nicht bewusst, dass über ein Drittel des globalen Energieverbrauchs – und beinahe 40% aller CO2-Emissionen – auf den Bau und den Betrieb von Gebäuden entfällt.
Das irische Dämm- und Baustoffunternehmen Kingspan bietet diesbezüglich Produkte an, die dabei helfen, Energie zu sparen, Bauschutt zu reduzieren und den Klimawandel zu bekämpfen. Das Unternehmen stellt seinen Anlegern Kennzahlen zu seinen Auswirkungen zur Verfügung – eine Notwendigkeit für Impact-Anleger. Die durch die isolierten Wand- und Dachsysteme von Kingspan erzielten Einsparungen belaufen sich auf insgesamt 193 Millionen MWh an Energie und 38 Millionen Tonnen CO2.5
Auch andere Unternehmen passen sich an dieses neue Umfeld an, um so ihre Existenz zu sichern. Das Life-Science-Unternehmen DSM firmierte zu Beginn seiner Laufbahn noch unter dem Namen Nederlandse Staatsmijnen (oder Dutch State Mines). Es veräußerte seine Petrochemiesparte im Jahr 2002 und legte den Fokus auf seine Strategie zur Schaffung einer „gesunden und funktionierenden Gesellschaft für alle“ mit Schwerpunkt auf Ernährung.6 Darunter fällt auch das Project Clean Cow, ein Futtermittelzusatz, das die Methanemissionen von Rindern um 30% verringert. Angaben des Programmleiters zufolge hat die Verabreichung dieses Futtermittelzusatzes bei drei Kühen denselben Effekt, als wenn ein Auto von der Straße genommen würde.
Was ist mit den Erträgen?
Impact Investing ist nicht mit Philanthropie zu verwechseln. Impact Investing bietet einen „doppelten Nutzen“, wobei positive soziale und ökologische Veränderungen mit finanziellen Erträgen einhergehen.7
Für Impact-Investing-Strategien an den öffentlichen Märkten bestehen bislang noch keine ausführlichen Erfolgsbilanzen. Angaben des Global Impact Investing Network zufolge hat die Mehrheit der Impact-Fonds jedoch Finanzerträge erzielt, welche den Erwartungen entsprachen oder diese sogar übertrafen8 – obschon diese Fonds Erträge ebenso wenig garantieren wie konventionelle Fonds und die Wertentwicklung in der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf die künftige Performance zulässt.
Für globale Aktienanleger steht keine einfache Standardmessgröße für Auswirkungen zur Verfügung. Impact Investing erfordert Ressourcen zur Durchführung fundamentaler Analysen sowohl traditioneller Kennzahlen des Unternehmenserfolgs als auch ökologischer, sozialer und Governance-Risiken.
Laut UN sind zur Erreichung ihrer Agenda für nachhaltige Entwicklung jährlich Investitionen in Höhe von 5-7 Billionen USD vonnöten. Dies dürfte zahlreiche attraktive Investitionsgelegenheiten für Unternehmen bereithalten, die ihre Tätigkeit auf diese Agenda ausrichten. Anleger sollten Ausschau nach Unternehmen halten, die am besten positioniert sind, um sich diese Chancen zunutze zu machen. Europa weist in dieser Hinsicht einen wahren Schatz an Möglichkeiten auf.
Autor: Sarah Norris, Investment Director, Aberdeen Standard Investments
Quellen:
1 Website des Unternehmens (www.corporateknights.com/reports/2019-global-100/2019-global-100-results-15481153/)
2 www.corporateknights.com/reports/2019-global-100/global-100-difference-15481154/
3 Jahresbericht des Unternehmens 2018
4 Weltgesundheitsorganisation (www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/drinking-water)
5 Jahresbericht des Unternehmens 2018
6 Website des Unternehmens (www.dsm.com/corporate/about/our-purpose/heritage.html)
7 www.gresb.com/double-bottom-line/
8 www.thegiin.org/research/publication/impinv-survey-2019