„Zum ersten Mal in der Geschichte wurden die Olympischen Spiele und die Paralympics nicht abgesagt, sondern verschoben. In diesem Jahr war es eine vom Coronavirus ausgelöste Pandemie, die die sportlichen Pläne durchkreuzte. Tokio verschob daraufhin die Spiele auf Juli/August 2021. Immer noch trägt das Mega-Event den Namen „Tokio 2020“ und wird nun als ein „Leuchtturm der Hoffnung für die Welt in diesen unruhigen Zeiten“ hochstilisiert. Aber ohne einen wirksamen Impfstoff lässt sich den Spielen im nächsten Jahr kaum mit Zuversicht entgegensehen.
Unverändert richtet das Lungenvirus verheerenden Schaden in den Volkswirtschaften rund um den Globus an. Auch Japan erlebt gegenwärtig einen starken Wiederanstieg der Infektionszahlen. Ermutigend ist, dass Japans Regierung nicht zu extremen Ausgangssperren greifen musste. Dies ist auch ein Grund, warum sich die wirtschaftlichen Folgen verglichen mit anderen Ländern stark in Grenzen halten.
Tatsache ist, Japan hat einen Plan. Statt Menschen stichprobenartig zu testen, konzentriert man sich im Land der aufgehenden Sonne auf eine strikte Kontaktverfolgung, um potenzielle Super-Spreader aufzuspüren und zu isolieren. Denn Lockdowns scheinen die Ausbreitung dieses neuartigen Virus nur vorübergehend einzudämmen.
Um den Auswirkungen der Corona-Krise entgegenzuwirken, hat die Regierung Konjunktur- und Hilfspakete in Höhe von 1 Billion US-Dollar aufgelegt. Das entspricht fast 20% der Wirtschaftsleistung des Landes. Zugleich hat sie eine neue Wachstumsstrategie vorgestellt, mit der der bargeldlose Zahlungsverkehr, die Digitalisierung und diverse Arbeitsformen zusätzlichen Schub bekommen sollen.
Dank seiner schrumpfenden Bevölkerung profitiert es von einer niedrigen Arbeitslosigkeit. Und seine Arbeitsmarktprogramme schützen die Menschen besser vor Einkommensverlusten. Die größere Arbeitsplatzsicherheit in Japan kann in einer Weise, auf die nur wenige Länder zählen können, die Verbraucherausgaben nachhaltig stützen.
Darüber hinaus sind Japans Firmen aufgrund der Erfahrungen aus der Schuldenkrise der 1990er Jahre, als die Banken die Kreditvergabe einschränkten und den Unternehmen das Betriebskapital knapp wurde, im Vergleich ziemlich kapitalkräftig: 55% der Nicht-Finanzunternehmen verfügen über eine Netto-Cash-Position, während es in den USA nur 14% sind.
Auch sinkt die Verschuldung der japanischen Unternehmen seit sechs Jahren in Folge. Dadurch sind sie besser in der Lage, nicht nur der Konjunkturabkühlung infolge des Coronavirus standzuhalten, sondern auch Wachstumsinitiativen umzusetzen – auch wenn die kurzfristigen Gewinnaussichten eher diffus sind.
Parallel zu ihren Erholungsplänen für die Zeit nach Corona bessern japanische Firmen ihre Bilanz in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG) auf. Wir sehen positive Veränderungen bei Kapitaleffizienz und Unternehmensführung.
Noch schwanken die Märkte zwischen der Vorbereitung auf eine nachhaltige Erholung und dem Wappnen gegen die nächste Welle der Pandemie. Anleger, die bereit sind, den damit verbundenen Schwankungen zu trotzen, können Unternehmen aufspüren, die längerfristig wachsen können, indem sie aus sich heraus schlanker und produktiver werden.
Japan ist nach wie vor die Heimat zahlreicher Unternehmen von Weltrang. Viele sind in ihren Branchen weltweit führend, haben solide Geschäftsmodelle und sind in Bereichen mit strukturellem Wachstum tätig - sei es in der Robotik, bei Basiskonsumgütern oder Innovationen im Gesundheitswesen.
Unabhängig von der Corona-Pandemie und ganz gleich, ob Japan durch das Nachholen der Olympischen Spiele im nächsten Jahr einen Boom im Tourismus erlebt: Seine Qualitätsfirmen können ihren Aktionären auch weiterhin Wachstum bieten.“
Kwok Chern-Yeh, Deputy Head of Equities, Asia Pacific, und Head of Investment Management, Japan bei Aberdeen Standard Investments