Diejenigen von uns, die ein Ende der Krise und einen Neustart im kommenden Jahr herbeigesehnt hatten, könnten enttäuscht werden, weil sich die Unsicherheiten 2021 fortsetzen werden.
So wird Covid-19 uns noch viele Monate in Atem halten und dunkle Wolken werden weiterhin ihre Schatten auf die Weltwirtschaft werfen und ihr Wachstum bremsen. Die US-Präsidentschaftswahl hat einen Sieger hervorgebracht – Joe Biden. Aber Präsident Donald Trump stellt die Rechtmäßigkeit der Wahl in Frage, ohne Beweise dafür zu liefern. Seine langwährende Weigerung, die Wahlniederlage anzuerkennen, hat einen reibungslosen Machtwechsel erschwert.
Ungeachtet dieser Unsicherheiten haben wir vier große Themen ermittelt, die Anleger im Auge haben sollten, weil mit ihnen sowohl Chancen als auch Risiken verbunden sind:
Chinas Eigenständigkeit
Chinas Wunsch nach Autarkie wächst angesichts der externen Herausforderungen, denen es sich 2020 stellen musste. Wie verwundbar das Land ist, wurde durch mehrere Entwicklungen deutlich: Neben den Versorgungsengpässen in der Anfangsphase der Pandemie waren dies der Handelskrieg mit den USA und Huaweis Schwierigkeiten beim Zugang zur globalen Halbleiter-Lieferkette, die weitgehend auf US-Technologien angewiesen ist.
Chinas Streben nach Eigenständigkeit konzentriert sich auf drei Bereiche: die Ausweitung des Binnenverbrauchs, die Ansiedlung neuer Technologien, insbesondere der fortschrittlichen Halbleitertechnologie für 5G-Mobilfunknetze, und die Energiewende.
Seine Ausrichtung auf Binnenkonsum und Dienstleistungen begann vor einigen Jahren. Aber erst in diesem Jahr trat die Bedeutung des Binnenverbrauchs für die chinesische Wirtschaft deutlich zutage, als die Auslandsnachfrage während der globalen Pandemie weniger verlässlich wurde.
Die Einzelhandelsumsätze, ein Maß für den Binnenkonsum, sind noch nicht auf das Niveau vor der Pandemie zurückgekehrt, obwohl sie sich von dem starken Rückgang wieder erholt haben. Wie auch in anderen Teilen der Welt nehmen die Online-Umsätze in China weiter zu, selbst jetzt, da das Land das Schlimmste der Pandemie überstanden hat.
Zu den großen Zielen Chinas gehört auch, seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Das Land ist zwar ein Ölproduzent, zugleich aber auch der größte Ölimporteur der Welt. Das macht das Reich der Mitte anfällig für Lieferunterbrechungen aus dem Ausland. Deshalb hat China bei Forschung und Investitionen in nachhaltige Energie und andere grüne Technologien eine Führungsrolle übernommen.
Going Green
In vielen Ländern der Welt wachsen die Umweltsorgen. Sie könnten zu konkreten Maßnahmen führen, die Volkswirtschaften auf nachhaltigere Entwicklungspfade lenken.
So kündigte etwa Chinas Präsident Xi Jinping im September an, dass sein Land bis 2060 CO2-neutral sein will. Um dies zu erreichen, sind Investitionen in Höhe von schätzungsweise 15 Billionen US-Dollar erforderlich1. Eine neue Regierung in den USA könnte im nächsten Jahr ein Paket von 2 Billionen US-Dollar für umweltfreundliche Investitionen schnüren2.
Daraus entstehen langfristige Anlagechancen entlang der Lieferkette für erneuerbare Energien wie Windkraft und Solarenergie, aber auch bei Elektrofahrzeugen. Viele Unternehmen innerhalb dieser Wertschöpfungskette sind in China ansässig.
Zum Beispiel haben chinesische Windturbinenhersteller einen Anteil von etwa 26% am Weltmarkt; auf Chinas Batteriehersteller entfällt ein Anteil von 78% an den weltweiten Produktionskapazitäten, und das Land produziert 91% der Silizium-Wafer für die Nutzung von Solarenergie3. China verringert derweil sein Energieversorgungsrisiko, da es im eigenen Land über eine geschlossene Lieferkette für erneuerbare Energien verfügt.
„Going Green“ bedeutet für China, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, wobei die Senkung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe vor allem im Verkehrs- und Energiesektor erfolgt. Das Land ist sehr stark in der Entwicklung und Herstellung von Elektrofahrzeugen (seine Lösung für den Verkehr) sowie bei erneuerbaren Energien (seine Lösung für die Stromerzeugung). In diesen beiden Sektoren ist das Riesenreich weltweit wettbewerbsfähig und autark.
Coronavirus
Die Pandemie hat die Märkte rund um den Globus nach wie vor fest im Griff und das wird auch im nächsten Jahr so sein. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags lösten zweite Covid-19-Wellen in den Industrieländern neuerliche Schwankungen an den Aktienmärkten aus. In einigen Fällen – wie z.B. in England, Frankreich und Spanien – haben die Regierungen mit neuen landesweiten Lockdowns oder Ausgangssperren reagiert.
In Asien ist die Lage ermutigender. China, Südkorea, Taiwan, Hongkong, Australien und Neuseeland, die zusammen mehr als 85% des Referenzindex MSCI AC Asia Pacific ex Japan Index ausmachen4, dürften aufgrund ihrer wirksamen Reaktion auf die Pandemie besser durch die Krise kommen als viele andere Volkswirtschaften.
Etliche asiatische Volkswirtschaften waren bei der Bekämpfung des Coronavirus in der Anfangsphase erfolgreicher und in vielen dieser Länder werden nun die Einschränkungen gelockert. Wirtschaftliche Risiken sehen wir jedoch für Länder wie Indien und Indonesien.
Auch müssen wir wachsam bleiben für einen neuerlichen Anstieg der Infektionsraten in Ländern, die die Ausbreitung der Pandemie scheinbar unter Kontrolle haben. Eine dauerhafte Lösung für dieses Virus und das wirtschaftliche Chaos, das es verursacht, wird es erst geben, wenn ein sicherer Impfstoff verfügbar ist und eingesetzt wird.
Staatliche Unterstützung
Die politischen Entscheidungsträger Asiens haben viel getan, um ihre Wirtschaft anzukurbeln. Dazu haben sie sowohl geld- als auch fiskalpolitische Instrumente genutzt. Gleichzeitig haben sie dabei Augenmaß bewiesen. Beispielsweise haben sich die Zentralbanken mit Zinssenkungen zurückgehalten, so dass sie bei Bedarf Spielraum für weitere Zinslockerungen haben.
Asiens Zentralbanken haben ferner im Rahmen ihrer unkonventionellen Stimuluspolitik, häufig als quantitative Lockerung (QE) bezeichnet, Anleihen gekauft. QE-Programme waren während der globalen Finanzkrise vor einem Jahrzehnt eine überaus wichtige Maßnahme. Heute sind viele Länder in der Lage, diese Art von Stimuli auszuweiten.
Anleger sollten auch bedenken, dass die Finanzlage der asiatischen Länder heute tendenziell wesentlich solider ist und sie besser regiert werden als in früheren Krisen. Die meisten Länder der Region haben gegenwärtig stärkere Leistungsbilanzen und eine geringere Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP. Auch die Bilanzen von Banken und Unternehmen sind krisenfester.
Außerhalb Asiens trug die in Tempo und Ausmaß beispiellose staatliche Unterstützung dazu bei, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Lockdowns zu mildern. Menschen, deren Existenzgrundlage bedroht ist, bietet sie ein Auffangnetz. Dieses Maß an Unterstützung kann jedoch nicht von Dauer sein. Daher besteht die Gefahr, dass Volkswirtschaften und Märkte unter Druck geraten, wenn die Hilfsmaßnahmen schließlich auslaufen.
Fazit
Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und der wirtschaftlichen Aktivität haben in diesem Jahr tiefe Spuren bei den Gewinnen asiatischer Unternehmen hinterlassen. Wir hoffen zwar auf eine Wiederbelebung des Gewinnwachstums im kommenden Jahr, doch dies hängt davon ab, ob es der Welt gelingt, das Virus zu besiegen.
Asien ist nach wie vor eine der wachstumsstärksten Regionen und profitiert von strukturellen Wachstumstrends, die sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen werden.
Zudem bleibt Asien die Heimat einer Vielzahl von Qualitätsunternehmen, die klare Gewinntreiber, robuste Bilanzen und solide Barbestände vorweisen können. Asien ist nach wie vor eine der wachstumsstärksten Regionen und profitiert von strukturellen Wachstumstrends, die sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen werden.
Anleger sollten daher die sechs Anlagethemen, die Asien zu etwas Besonderem machen, im Auge behalten:
- Streben nach besserem Leben - Steigender Wohlstand heizt die Nachfrage nach Premium-Produkten und Dienstleistungen wie Bildung, Vermögensverwaltung sowie Qualitäts-Lebensmitteln und -Getränken an.
- Digitale Zukunft - Die zunehmende Verbreitung von Technologie sorgt für einen günstigen Ausblick für Anlagen in den Segmenten Gaming, Internet, Fintech und Technologiedienste wie der Cloud.
- Infrastruktur Asiens - Die Urbanisierung und ein Infrastruktur-Boom dürften Immobilienentwicklern und Baustoffherstellern (z.B. Zementproduzenten) zugutekommen.
- Tech Enablers - Die Lieferketten im asiatischen Technologiesektor sind gut aufgestellt, um sich das strukturelle Wachstum durch die Einführung von 5G-Netzen, Big Data und digitale Interkonnektivität zunutze zu machen.
- Gesundheit und Wellness - Asien beheimatet eine Vielzahl von Unternehmen, die in der Biotechnologie und Medizintechnik führend sind. Sie sind in den Bereichen Auftragsforschung, Atem- und Schlafmedizin, Impfstoffe, Pharmazeutika und diagnostische Produkte tätig.
- Going Green - Asiatische Unternehmen sind bei diesem Megatrend die treibende Kraft. „Netzparität“ wird auf Jahrzehnte hinaus eine starke Nachfrage nach erneuerbaren Energien und Batterien sicherstellen. Auch dem Umweltschutz und der Abfallwirtschaft stehen eine glänzende Zukunft bevor.
1 Aberdeen Standard Investments Research Institute, APAC Matters: red to green, R. Gilhooly, S. Kochugovindan & Y. Dunga, 5 Oktober 2020
2 Website der BBC, Biden sets out $2tn plan for carbon-free electricity by 2035, 14. Juli 2020
3 Sanford C. Bernstein, Bernstein Hydrogen: Making money in fuel cells - lessons from solar, wind and batteries, Oktober 2020
4 Bloomberg, MSCI, 17. November 2020