Covid und die Auswirkungen auf die grüne Agenda

Wir haben bereits festgestellt, dass die Covid-Krise eine positive Wirkung auf einige wichtige Umweltfragen hat. Die Frage ist nun, ob sie generell langfristige Effekte auf die grüne Agenda haben kann. Stephanie Kelly beleuchtet, welche Länder gut aufgestellt sein dürften, um klimapolitische Belange auch inmitten der globalen Pandemie voranzubringen, und für welche Länder die grüne Agenda noch keine Priorität hat. abrdn | 15.12.2020 09:15 Uhr
Stephanie Kelly, Senior Political Economist, Aberdeen Standard Investments / © Aberdeen Standard Investments
Stephanie Kelly, Senior Political Economist, Aberdeen Standard Investments / © Aberdeen Standard Investments
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In der ersten Jahreshälfte wirkte sich die Covid-Krise massiv (und positiv) auf die Treibhausgasemissionen aus, da sich ganze Volkswirtschaften im Lockdown befanden und der Reiseverkehr zum Erliegen kam. Mancher hofft, dass diese Zeit viele Menschen zu einem umweltfreundlicheren, nachhaltigeren Leben inspiriert. Doch in Wirklichkeit wird die staatliche Politik maßgeblich bestimmen, wie sich diese Krise auf die grüne Agenda auswirken wird. Und bislang fällt die Reaktion weltweit ganz unterschiedlich aus.

Für einige Länder steht der Klimaschutz trotz der globalen Pandemie weiterhin ganz weit oben

Europa zeichnet sich dabei durch klare, entschiedene Klimaschutzzusagen aus. Die Emissionsminderungsziele, die bis 2030 erreicht werden sollen, sind anspruchsvoller als irgendwo sonst in der Welt, und die Region beabsichtigt offenbar auch nicht, diese angesichts der Krise aufzuweichen. Tatsächlich profitiert die grüne Agenda sehr stark von der Vorgabe, dass wenigstens 30% des Wiederaufbaufonds der EU in den Klimaschutz und die Emissionsminderung fließen sollen.

Außerdem verleihen einzelne Länder ihrem Bekenntnis zum Umweltschutz mit eigenen fiskalpolitischen Impulsen noch mehr Nachdruck. In Deutschland sind vom angekündigten 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket 50 Milliarden Euro für die Emissionsminderung sowie für die Forschung und Entwicklung in emissionsarmen Branchen, zum Beispiel Elektrofahrzeuge und Wasserstoffantriebe, vorgesehen. Frankreich will aus seinem Wiederaufbauprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro seinerseits 20 Milliarden Euro für Investitionen in den Klimaschutz verwenden, unter anderem um die Nutzung von E-Bikes und die Renovierung älterer Gebäude zu fördern.

Angelsächsische Länder weniger vielversprechend

Diese Maßnahmen stehen in krassem Gegensatz zum Vorgehen Großbritanniens, das keine Zusagen macht. Großbritannien hat in den letzten zehn Jahren große Fortschritte zu mehr Umweltfreundlichkeit erzielt, zum Teil dank seiner Zugehörigkeit zur EU, die Anreize zur Emissionsminderung lieferte. Die britische Regierung steht vor der Herausforderung, die Emissionen auch ohne die strikten Vorgaben durch die europäischen Regelungen weiterhin dynamisch zu reduzieren. Dabei muss sie unter anderem gewährleisten, dass bei der geplanten Erhöhung der Ausgaben für öffentliche Investitionen weiterhin die langfristigen Umweltziele berücksichtigt werden.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, stimmt es bedenklich, dass der Klimawandel und der Klimaschutz im politischen Diskurs vorübergehend in den Hintergrund gerückt sind. Das Konjunkturpaket der britischen Regierung enthält zum Beispiel – anders als die Pakete der europäischen Nachbarn – keine nennenswerte Komponente, bei der es um den Klimaschutz geht.

Auch Australien droht die Chancen verstreichen zu lassen, die sich bei einer stärkeren Schwerpunktsetzung auf grünes Wachstum ergeben würden. Bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels hinkt das Land hinterher, seit die konservative Koalition im Jahr 2013 die Regierungsgeschäfte übernahm. Auch bleibt Australien zwischen seiner von fossilen Brennstoffen geprägten wirtschaftlichen Vergangenheit und seiner wirtschaftlichen Zukunft im Zeichen der erneuerbaren Energien gefangen. Vor allem aber deutet kaum etwas darauf hin, dass die Regierung Investitionen in die grüne Infrastruktur zu einem Kernpunkt ihrer Strategie für die Erholung von der Krise machen wird.

In Kanada sind die Corona-Hilfen ein Segen für die Wirtschaft, unter anderem für Öl- und Gasunternehmen. Die Mittel, die sie erhalten haben, sind streng genommen zwar mit Klimaschutzanforderungen verbunden, doch wie diese angewendet werden, ist unklar. Langfristig wird sich durch die Pandemie an Kanadas grüner Agenda wohl nichts Wesentliches ändern, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Politik bleibt ein wichtiges Hemmnis für den Klimaschutz

Besonders deutlich zeigt sich dies in den USA, wo rechts gerichtete Wähler weniger geneigt sind, den Klimawandel als ein drängendes Problem (oder überhaupt als ein Problem) anzusehen. Für links gerichtete Wähler sind die Umwelt und deren Schutz ein zentraler Aspekt ihrer politischen Agenda.

Schon vor der Pandemie war die Umweltpolitik für die republikanische Regierung nicht von zentraler Bedeutung und auch die bislang verabschiedeten Konjunkturpakete haben keine klare Umweltkomponente. Daher wird weniger die Pandemie als vielmehr die US-Wahl im November ein wichtiger treibender Faktor für die Umweltpolitik sein. Nach dem Wahlsieg von Joe Biden dürften die Aussichten für die Umweltschutzpolitik viel positiver sein.

In Japan ist der Klimawandel aus Wählersicht allgemein kein so wichtiges Thema. Dies spiegelt sich auch in der wenig ehrgeizigen Klimaschutzpolitik und der Fortsetzung der Kohleförderung durch die regierenden Liberaldemokraten wider. Von seinem 2,2 Billionen USD schweren Konjunkturpaket zweigt Japan nur 74 Millionen USD für die Förderung von erneuerbaren Energien in Fabriken von Unternehmen, die ihre Produktion wieder zurück nach Japan verlegen, und für umweltfreundliche öffentliche Belüftungssysteme ab.

In Brasilien scheint die Regierung durch die Krise noch mehr politischen Rückhalt für eine stärkere Rodung des Regenwaldes und die Lockerung von Umweltauflagen zu erfahren. Der Umweltminister erklärte ausdrücklich, dass eine weitere Deregulierung der Umweltpolitik möglich sei, „solange die Menschen durch die Coronavirus-Pandemie abgelenkt“ seien.

Uneinheitliche Signale aus den großen Märkten Asiens

Was die beiden größten Märkte in Asien angeht, sind die Aussichten für die grüne Politik nicht ganz eindeutig. Hochrangige Vertreter Chinas haben Zusagen gemacht, den Anteil der Elektrofahrzeuge am gesamten Fahrzeugbestand deutlich zu erhöhen und bis 2060 Netto-Null-Emissionen anzustreben. Doch in Wirklichkeit schreitet die Dekarbonisierung des Stromsektors und der Industrie nur sehr schleppend voran und die Neuinvestitionen in kohlebetriebene Kraftwerke steigen nach wie vor.

Indiens Konjunkturpaket enttäuscht derweil in Sachen Klimaschutz, da es Unterstützung für die Kohle- und die Ölindustrie vorsieht und darüber hinaus einen Freibrief dafür ausstellt, Wälder für Industrieansiedelungen zu roden. Zwar werden in einigen ländlichen Gemeinschaften auch „grüne“ Arbeitsplätze geschaffen, doch zwischen den Menschen und den Forstverwaltungen könnten bei Grund und Boden und dessen Nutzung Konflikte drohen.

Abschließende Erwägungen – was das für Anleger bedeutet

Anleger müssen über diese Trends auf Länderebene Bescheid wissen, denn die Unternehmen, in die sie investieren, operieren nicht im luftleeren Raum – sie sind an das regulatorische und gesetzliche Umfeld gebunden, in dem sie ihrer Tätigkeit nachgehen. Zu verstehen, welche Regionen beim Klimaschutz vorn liegen und welche hinterherhinken, kann Anlegern helfen, die potenziellen Risiken und Chancen in ihren Portfolios zu beurteilen.

Stephanie Kelly, Senior Political Economist, Standard Life Investments & Aberdeen Standard Investments

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