Aber die Party hat nun völlig unerwartete Gäste bekommen: die großen Ölkonzerne. Kann es wirklich sein, dass einige der größten Umweltverschmutzer der Welt bereit sind, sich dem Kampf gegen den Klimawandel anzuschließen?
An Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) ausgerichtete Anlagen sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Daher hat diese Frage möglicherweise große Auswirkungen darauf, welche Unternehmen für einen Platz in einem nachhaltigen Portfolio in Frage kommen. Viele Ölkonzerne argumentieren nun, dass sie sehr wohl einbezogen werden sollten.
2020 hat sich etwa der britische Ölproduzent BP verpflichtet, seine Ölproduktion in den nächsten zehn Jahren um 40% zurückzufahren. Zudem sollen die Ausgaben für erneuerbare Energien auf 30% der Gesamtausgaben erhöht werden. Bis 2050 will der Ölgigant das Ziel von Netto-Null-Emissionen erreichen.
Die französischen Wettbewerber Total und Royal Dutch Shell legten bei ihren bisherigen Verpflichtungen nach und versprachen, ebenfalls bis 2050 oder früher klimaneutral zu werden.
„Die Erwartungen der Gesellschaft in der Debatte rund um den Klimawandel haben sich rasant verändert“, erklärte bei dieser Gelegenheit Ben van Beurden, Vorstandsvorsitzender von Shell, und ergänzte: „Shell muss nun seine Messlatte höher legen.“
Aber nicht alle Ölriesen scheinen so entschlossen. Exxon Mobil und Chevron aus den USA sind bisher dem Netto-Null-Club noch nicht beigetreten. Auch sie haben sich Verpflichtungen auferlegt, die jedoch weit hinter diesem Ziel zurückbleiben.
Zweifellos ist eine positive Dynamik in der Branche in Gang gekommen, insbesondere bei den europäischen Firmen. Und viele gute Absichten werden nun langsam in konkrete Maßnahmen umgemünzt. Das ist ohne Frage eine bedeutende Veränderung in nur wenigen Jahren.
Die Rolle der Aktionäre
Auch Aktionäre können bei dieser strategischen Kehrtwende eine wichtige Rolle spielen. Zum einen, indem sie das Erreichen kurzfristiger Ziele im Auge behalten und bei Aktionärsversammlungen über wichtige Themen abstimmen. Zum anderen durch ein aktives und regelmäßiges Drängen auf eine längerfristige Strategie.
Neben der Abkehr von ihrem traditionellen Geschäft haben die großen Ölkonzerne erklärt, dass sie Vorkämpfer für erneuerbare Energien werden wollen. Die europäischen Ölmultis gehen dabei voran. Im September 2020 gab BP einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte: Es gab die Übernahme einer 1,1-Milliarden-Dollar-Beteiligung an US-Offshore-Windparks der norwegischen Equinor bekannt.
Neben der Abkehr von ihrem traditionellen Geschäft haben die großen Ölkonzerne erklärt, dass sie Vorkämpfer für erneuerbare Energien werden wollen.
Dem Beispiel folgte der spanische Produzent Repsol. Er erwarb kürzlich Anlagen für erneuerbare Energien in Chile als Teil seiner internationalen Expansion im Bereich Solar- und Windenergie. Zum Unternehmen gehören bereits sieben Großprojekte zur Nutzung erneuerbarer Energien in Spanien. Zudem war es eines der ersten, das sich Klimaneutralität bis 2050 auf die Fahnen geschrieben hat.
Derweil sind sich die Analysten weitgehend einig, dass die Wirtschaft noch mindestens ein weiteres Jahrzehnt nicht auf Öl und Gas verzichten kann. Für Anleger bedeutet das, dass die Produzenten noch auf Jahre hinaus einen beträchtlichen Cashflow in Form von Dividenden ausschütten können – auch wenn ihre Aktienkurse zuletzt wegen der Corona-Krise gelitten haben.
Was bedeutet das für Anleger?
Wie lassen sich Ölkonzerne in einem Portfolio mit ESG-Schwerpunkt rechtfertigen? Bei dieser Frage ist es wichtig, dass sich Anleger dafür entscheiden können, den gesamten CO2-Fußabdruck ihrer Anlagen im Auge zu behalten, statt sich auf einzelne Unternehmen innerhalb des Portfolios zu konzentrieren.
Wenn wir die gesamten Kohlenstoffemissionen eines Portfolios im Griff haben, können wir auch von attraktiven Bewertungen profitieren. Auch können wir weiterhin Aktien von Unternehmen halten, von denen wir glauben, dass sie die richtigen Schritte zur Einhaltung von ESG-Kriterien ergriffen haben.
Detailliertere Unternehmensberichte zu ESG-relevanten Themen und verbesserte Datenanalysen machen es heute möglich, die Unternehmen mit den höchsten Emissionen in einem Portfolio zu bestimmen. Das wiederum ermöglicht es Anlegern, die CO2-Bilanz von Portfolios zu analysieren und diese Daten in ihre Gesamtstrategie zu integrieren.
Die Analyse kann sogar auf die sogenannten Scope-3-Emissionen erweitert werden, die über den unmittelbaren CO2-Fußabdruck eines Unternehmens hinausgehen und auch die Emissionen seiner Zulieferer einbeziehen. Für den Öl- und Gassektor sind die Scope-3-Emissionen von zentraler Bedeutung, um seine CO2-Bilanz zu analysieren. Denn sie sind für etwa 85% der gesamten Treibhausgasemissionen des Sektors verantwortlich.
Abschließende Erwägungen ...
Wie bei allen Anlagen gibt es auch in der Öl- und Gasbranche Risiken und Chancen. Und angesichts der offensichtlichen Herausforderungen, die der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft mit sich bringt, bilden die Ölkonzerne da keine Ausnahme.
Es wäre jedoch ein Fehler, sie jetzt schon abzuschreiben. Viele setzen inzwischen verstärkt auf Ladenetzwerke für Elektrofahrzeuge, bauen ihre Solarkapazitäten aus und entwickeln innovative Kunststoff-Recycling-Technologien. Wenn Sie sich also auf erneuerbare und kohlenstoffarme Energie einlassen wollen, werden Sie an diesen Unternehmen vermutlich nicht vorbeikommen.