Präsident Xi Jinping hatte das historische Ziel des Landes im vergangenen September1 auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York in einer Videobotschaft bekannt gegeben. CO2-Neutralität bedeutet, dass China genau so viel CO2 aus der Atmosphäre absorbieren muss, wie es emittiert.
Diese Ankündigung sorgte für große Aufmerksamkeit, nicht nur, weil China bislang zu den größten Umweltsündern weltweit zählt2, sondern auch, weil die chinesische Wirtschaft auf dem besten Weg ist, die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abzulösen.
Die politischen Entscheidungsträger in China haben erkannt, dass das durch die Schwerindustrie und Anlageinvestitionen begünstigte langjährige Wirtschaftswachstum schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt hat, und leiten nunmehr eine Wende ein.
Die chinesischen Wirtschaftsplaner legen im Rahmen des sogenannten Fünfjahresplans mittelfristige Ziele fest. Zuletzt wurde im März 2016 der 13. Fünfjahresplan eingeleitet, bei dem die Umwelt in das Zentrum der Entwicklungsziele gerückt wurde.3 Vor diesem Hintergrund war das Ziel der CO2-Neutralität der nächste logische Schritt in einer Reihe von Maßnahmen.
Jedoch ist die Umstrukturierung einer Wirtschaft dieser Größe mit massiven Ausgaben verbunden, wenngleich die Kosten für Wind- und Solarenergieanlagen weiter sinken dürften. Schätzungen zufolge belaufen sich die jährlichen Kosten in den kommenden vier Jahrzehnten auf mindestens 163 Milliarden USD.
Dies bedeutet entsprechende Investitionen (auch ausländische) in das wachsende Universum von Unternehmen, welche die neuen „grünen“ Branchen im Hinblick auf eine globale Wende hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise unterstützen.
Eine grüne Revolution
Die strategischen Planer in Peking haben sichergestellt, dass viele dieser Unternehmen – aus der Wertschöpfungskette der grünen Branchen – in China ansässig sind. Daher gehört die Volkswirtschaft bereits zu den globalen Marktführern bei der Produktion von Batterien sowie Wind- und Solarenergieanlagen.
Beispielsweise haben chinesische Windturbinenhersteller einen Anteil von 26% am Weltmarkt; auf Chinas Batteriehersteller entfällt ein Anteil von 78% an den weltweiten Produktionskapazitäten und das Land produziert 91% der Silizium-Wafer für die Nutzung von Solarenergie.4
Anleger können sich beispielsweise über den Solarenergiesektor engagieren. Wir ziehen Ausrüstungshersteller und andere Firmen, die innerhalb der Wertschöpfungskette tägig sind, einer Anlage in Solarparkbetreiber vor. Aus dem intensiven Wettbewerb gingen einige sehr starke Unternehmen hervor.
Beispielsweise LONGi Green Energy Technology. Das in der Stadt Xi’an ansässige Unternehmen gehört zu den globalen Marktführern bei monokristallinen Silizium-Wafern (Mono-Wafer) für die Solarindustrie. LONGi profitiert von strukturellen Veränderungen, die sich auf die Produktion von Solarpanelen auswirken. Mono-Wafer sind effizienter als multikristalline Wafer und LONGi verfügt über einen Marktanteil von 39% in diesem Bereich.
Ausrüstungshersteller aus dem Windenergiesektor stellen ebenfalls eine Anlagegelegenheit dar. Die Produzenten von Windturbinen werden voraussichtlich davon profitieren, dass ihr Markt bereits konsolidiert und in der Lage ist, die wachsende lokale Energienachfrage zu decken. Die Dekarbonisierung – die Abwendung von fossilen Brennstoffen – sorgt dabei für starke Unterstützung. Gleichzeitig sind die Eintrittsbarrieren für lokale und ausländische Unternehmen vergleichsweise hoch.
In diesem Zusammenhang sind Unternehmen wie Xinjiang Goldwind Science & Technology zu nennen, ein in Peking ansässiger Produzent von Windturbinen, Turbinenkomponenten und Windenergieanlagen. Zudem engagiert sich Goldwind in der Entwicklung von Windparks.
Indes fallen die Perspektiven für fossile Brennstoffe weniger günstig aus. Schätzungen von Sanford C. Bernstein5 zufolge wird der Anteil fossiler Brennstoffe am chinesischen Energiemix von 85% im Jahr 2019 bis 2060 auf lediglich 20% sinken. Fossile Brennstoffunternehmen müssen die Wende hin zu einer kohlenstoffarmen oder kohlenstoffneutralen Wirtschaft bewältigen. Dies birgt Risiken, aber auch Chancen.
Der rückläufige Bedarf an fossilen Brennstoffen betrifft insbesondere den Transport- und den Stromsektor – neben erneuerbaren Energien setzt China stark auf Elektrofahrzeuge. Auch dieser Bereich birgt Chancen für Anleger, unter anderem bei den Herstellern von Elektromobilbatterien. Infolge technologischer Verbesserungen und eines Rückgangs der verbundenen Kosten wird sich der Wandel künftig beschleunigen.
Überdies möchte China das nationale Stromnetz modernisieren, sodass Anlagegelegenheiten bei Unternehmen entstehen, die ein „intelligentes“ Netz unterstützen und diesem genügend Flexibilität und Kapazität verleihen, um den wachsenden Anteil von Wind- und Solarenergie zu bewältigen.
Der chinesische Umweltschutzplan hat – genau wie das Land und seine Wirtschaft – ein immenses Ausmaß. Gleichzeitig birgt er unseres Erachtens auch potenziell erhebliche Chancen für die an diesem Wandel beteiligten Unternehmen sowie für Anleger in der ganzen Welt.
David Smith, Senior Investment Director, Asian Equities, Mubashira Bukhari Khwaja, Investment Director, GEM Equities, Aberdeen Standard Investments
Die Unternehmensauswahl soll lediglich den hier beschriebenen Anlageverwaltungsstil veranschaulichen und stellt weder eine Anlageempfehlung noch einen Hinweis auf die künftige Wertentwicklung dar. Kapitalverlustrisiko.
1 BBC, Climate change: China aims for ‘carbon neutrality by 2060’, M. McGrath, 22. September 2020
2 CAIT Climate Data Explorer, 2015. Washington, DC: World Resources Institute
3 CGTN, How do China’s five-year plans address the environment, 17. Mai 2020
4 Sanford C. Bernstein, Bernstein Hydrogen: Making money in fuel cells – lessons from solar, wind and batteries, Oktober 2020
5 Sanford C. Bernstein, China’s Net Carbon Zero 2060 – Positioning for the Zero-Carbon Mega-Trend and the Stocks to Own, N. Beveridge, M. Newman, L. Wang, Oktober 2020